Название | Buchstäblichkeit und symbolische Deutung |
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Автор произведения | Matthias Luserke-Jaqui |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783772002151 |
Interessant ist nun, dass Hahn ein Gedicht veröffentlicht hat, das später als die Nummer 45 in seine Sammlung Vermischte GedichteVermischte Gedichte (Hahn) (1786) eingeht, mit dem Titel Bei der Gruft Herzogs Christian, des ViertenBei der Gruft Herzogs Christian, des Vierten. Hahn setzt in Klammern noch den Untertitel hinzu „(Eine Parodie von Schubarts Fürstengruft.)“ Besonders die gattungstypologische Zuordnung als „Parodie“ ist aufschlussreich. Weshalb nennt Hahn dieses Gedicht Parodie? Wäre demnach seine Parodie eine Parodie auf SchubartsSchubart, Christian Friedrich Daniel Parodie, wenn man denn die FürstengruftDie Fürstengruft als Parodie lesen will? Als Terminus post quem gilt das Jahr des Erstdrucks von Schubarts Fürstengruft, also 1781. Herzog Christian IV. von Pfalz-ZweibrückenChristian IV., Herzog von Pfalz-Zweibrücken lebte von 1722 bis 1775. Dass Hahns Gedicht schon vor 1786 als Erstdruck erschienen war, konnte nicht nachgewiesen werden. Mutmaßlich ist es also für seine Sammlung der Lyrischen GedichteLyrische Gedichte (1786) entstanden. Richard Maria Werner rechnet 1877, ganz in der Emphase der wilhelminischen Germanistik, Hahns Gedicht zu dessen „besten Erzeugnissen“; Werners Qualitäts- und Wertekriterium ist allerdings die „freie Fürstenverehrung“.51
Das Problem der Zuschreibung als einer philologischenPhilologie Denkfigur lässt sich im Falle Schubarts durchaus an vielen, von ihm mit einem Vorwort beehrten, fremden Drucken diskutieren. Allerdings gibt es einen Parameter, der zu einer umfassenderen Diskussion taugen könnte, und den ich hier nur an zwei Beispielen andeutungsweise ausführen kann, nämlich Schubarts MusikaffinitätMusik, wobei SchubartSchubart, Christian Friedrich Daniel nicht nur auf dem Gebiet der Kirchenmusik zu Hause war und Lieder komponierte, sondern auch nach eigenem Zeugnis „Sinfonien, Sonaten, Arien und andere Kleinigkeiten in Menge“52 und die teilweise auch unter dem Namen Dritter verbreitet wurden. Erstes Beispiel: In der Teutschen ChronikTeutsche Chronik schreibt SchubartSchubart, Christian Friedrich Daniel 1776, einer seiner Freunde habe ihn gebeten, die Rezensionsrubrik ‚Tonkunst‘ zukünftig aus der Zeitschrift wegzulassen und andere wiederum würden ihn bitten, diese Rubrik auszubauen, und er fragt: „was ist zu thun, Leser? – Soll ich mir mein liebstes Steckenpferd nehmen lassen?“53 Der zeitgenössische, jüngere Dichter und Musiker Joseph Martin KrausKraus, Joseph Martin (1756–1792) verfügte wie Schubart auch über eine beeindruckende literarische und musikalische Kompetenz. Ihm wird eine anonym erschienene, musikästhetische Schrift zugeschrieben. Allerdings will ich Zweifel an dieser Zuschreibung formulieren und die philologischePhilologie Denkfigur der Zuschreibung hypothetisch reflektieren und stattdessen (wieder)Schmidt, ErichSchubart, Christian Friedrich DanielKlopstock, Friedrich GottliebGluck, Christoph WillibaldMiller, Johann MartinStolberg, Friedrich Leopold Graf zuMaler MüllerHahn, Ludwig Philipp54 Schubart als bislang nicht erkannten Verfasser ins Gespräch bringen. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Es gibt weder Beweise dafür, dass Kraus der Verfasser ist, noch, dass Kraus nicht der Verfasser ist, und es gibt weder Beweise dafür, dass Schubart der Verfasser sein könnte, noch, dass er nicht der Verfasser sein könnte. Allenfalls sind Indizien vorhanden oder noch schwächer: Plausibilitäten. Wir müssten nicht von Zuschreibung sprechen, wenn Beweise vorlägen. Die entscheidende Frage ist: Reichen die Indizien aus, um Schubarts mögliche Verfasserschaft plausibel zu machen? Folgt man der forschungsgeschichtlichen Zuschreibungshistorie zu ihren Ursprüngen, so ergibt sich ein wesentlich uneindeutigeres Bild. Kraus wurde auch als der Odenwälder MozartMozart, Wolfgang Amadeus bezeichnet. Denn er stammte aus dem Odenwald, ging 1768 nach Mannheim in die Jesuiten-Schule und lernte dort den musikalischen Stil der sogenannten Mannheimer Schule kennen. Seit dieser Zeit komponierte er und schrieb Gedichte. Im Januar 1773 begann er ein Jurastudium in Mainz, zum Jahreswechsel 1773/74 setzte er es an der damaligen zweiten mainzischen Universität in Erfurt fort. Eine familiäre Notsituation zwang ihn, im November 1775 sein Studium zu unterbrechen und in das Elternhaus zurückzukehren, um seinen Vater zu unterstützen, dem fälschlicherweise Untreue vorgeworfen wurde. In seinem Sturm-und-Drang-Drama TolonTolon (1776) verarbeitet KrausKraus, Joseph Martin diese Vorgänge.55 Im November 1776 setzte er sein Studium in Göttingen fort.56 Dort freundete er sich mit den Hainbündlern Friedrich LeopoldLeopold, Friedrich und Christian Grafen zu StolbergStolberg, Christian Graf zu, Johann Friedrich HahnHahn, Johann Friedrich und Matthias ClaudiusClaudius, Matthias an. Am 26. April 1778 reiste er von Göttingen aus nach Stockholm, wo er am 3. Juni 1778 eintraf. Bekanntlich trug sich auch SchubartSchubart, Christian Friedrich Daniel mit dem Gedanken, seine berufliche Zukunft in Stockholm zu suchen, so schließt er den ersten Teil seiner Autobiografie mit den Worten ab: „Wohin Kerl? dacht’ ich […]. Wohin Kerl? Stokholm, Petersburg, Wien schwebten mir immer heller vor der Seele, bis ich mich entschlos nach Stokholm zu reisen […]“57. Zu Anfang seiner Stockholmer Zeit schrieb Kraus Zeitungsartikel für Stockholms Posten, die Passagen aus der Schrift Etwas von und über Musik fürs Jahr 1777Etwas von und über Musik fürs Jahr 1777 aufgegriffen haben sollen.58 Nun wird in der Forschung angenommen, Kraus habe 1778 anonym eine musikästhetische Schrift veröffentlicht mit dem Titel Etwas von und über Musik fürs Jahr 1777, nachdem Heinrich Leopold WagnerWagner, Heinrich Leopold, SchubartSchubart, Christian Friedrich Daniel und Philipp Christoph KayserKayser, Philipp Christoph „von den Goetheforschern“59 als Verfasser abwechselnd vermutet worden waren. Diese Schrift wird von den Musikhistorikern auch gerne für das Phänomen eines musikalischen Sturm und DrangSturm und Drang in Anspruch genommen. Für die Musikhistoriker steht fest: „Daß […] Joseph Martin Kraus der Verfasser ist, geht nicht nur aus einer kurzen Notiz über das Werk in Johann Nikolaus ForkelsForkel, Johann Nikolaus Werk ‚Allgemeine Literatur der Musik‘, Leipzig 1792, S. 484, und aus dem handschriftlichen Vermerk Ernst Ludwig GerbersGerber, Ernst Ludwig in dem aus seinem Besitz stammenden Exemplar (Wien, Gesellschaft der Musikfreunde), sondern auch aus der Korrespondenz von Kraus und seiner Schwester Marianne hervor“60. Der Eintrag bei ForkelForkel, Johann Nikolaus hat folgenden Wortlaut: „Etwas von und über Musik. Fürs Jahr 1777Etwas von und über Musik fürs Jahr 1777. Frankfurt, 1778. 8. 118. Seiten. Scheint von einem zwar launigten aber ganz urtheillosen jungen Menschen geschrieben zu seyn. Man nennt den jetzigen Capellmeister zu Stockholm Krause als Verfasser, der sich um die Zeit der Herausgabe in Frankfurt aufhielt.“61 Die Vorrede ist auf April 1792 datiert. Skeptisch muss machen, dass Forkel einer jener zeitgenössischen Musiker und Musiktheoretiker ist, die in Etwas von und über MusikEtwas von und über Musik fürs Jahr 1777 heftig kritisiert werden. KrausKraus, Joseph Martin kannte Forkel von seinem Studium in Göttingen her, die Antipathie zwischen den beiden ist belegt, und das sollte bei Forkels Zuschreibung misstrauisch machen, dass er als Gescholtener die Schrift seinem ehemaligen Widersacher zuschreibt. Allerdings hat GerberGerber, Ernst Ludwig in seinem Historisch-Biographischen Lexicon der TonkünstlerHistorisch-Biographisches Lexicon der Tonkünstler von 1792 noch einen WagnerWagner, Heinrich Leopold als Verfasser angegeben – man sollte also seiner Kraus-Zuschreibung nur mit Skepsis folgen. Robert EitnerEitner, Robert (1832–1905) zementierte diese schließlich 1836 in seinem QuellenlexikonQuellenlexikon.Wagner, Heinrich LeopoldEtwas von und über Musik fürs Jahr 177762 In der Korrespondenz von Kraus, die gemeinhin als Beleg für die Richtigkeit der Zuschreibung angeführt wird, finden sich ungefähre Anhaltspunkte. So schreibt Kraus in einem Brief an seine Eltern vom April 1777, er wäre angesichts der Kritik an seinem Drama TolonTolon sicherlich mehr bekümmert, „wenn ich nicht an einer Revision der heutigen Musik arbeitete. Gott weis, wenn das Dieng fertig wird. Was die Leutgens, Leute gros und klein – jung und alt dazu sagen werden, das will ich dann sehn.“63 In einem weiteren Brief an die Eltern vom 11. Juni 1777 heißt es dann schon: „Heute schreibe ich an Keßlern wegen einem Manuskript. Meinetwegs übernehm ers oder nicht – Ists lezte, so geht’s auf Leipzig. Es ist über Musik. Ha! man muß die Gözen einmal beim Kopfe nehmen, sie beim Rumpfe schütteln und hohnlachen!“64 Im Brief vom 5. Januar 1779 an seine Eltern – KrausKraus, Joseph Martin war da bereits nach Stockholm ausgewandert – bekennt er sich indirekt als Verfasser: „Wollen Sie sich und meinem Bruder eine kleine Freude machen, so kaufen Sie in Frankfurt das Etwas von und über MusikEtwas von und