Verschollen in Ostfriesland. Ulrich Hefner

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Название Verschollen in Ostfriesland
Автор произведения Ulrich Hefner
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839270066



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einer, für den es kein Wochenende gibt«, seufzte Trevisan.

      Die Brauerei lag am Ostrand der Stadt direkt an der Berumburer Straße. Zwischen zwei großen Backsteinhallen und einem weit sichtbaren aluminiumfarbenen Siloturm stand ein beinahe unscheinbares kleines Haus mit drei Fenstern, die zum Hof zeigten. Über dem großen Tor hing ein blaues Schild mit der Aufschrift »Privatbrauerei Hage Gbr.«, daneben das Wappen der Brauerei, ein blau-weiß geteiltes Schild mit dem Heiligen Sankt Georg auf einem blauen Pferd, der einen Drachen am Boden mit einer Lanze bearbeitet.

      Lisa zeigte auf das Schild, als sie darauf warteten, dass sich das Tor öffnete. »Das oben ist wohl Hoferland und unten, das muss Ollmert sein«, scherzte Lisa angesichts der Auseinandersetzung der beiden, von der Frau Haferkamp berichtet hatte.

      »Sieht wohl so aus«, entgegnete Trevisan. »Zumindest ist überliefert, dass Ollmert damals nur zweiter Sieger war. Anzeige gegen Hoferland hat er dennoch nicht erstattet.«

      »Hätte ich an seiner Stelle auch nicht«, schmunzelte Lisa.

      Sie parkte den Dienstwagen vor dem kleinen Gebäude, auf dem ein Schild mit der Aufschrift »Büro« prangte. Mehrere blau-weiße Bierlaster standen im Hof, ein Mann war am Ende der langen Halle damit beschäftigt, einen der Bierlaster zu waschen. Lisa und Trevisan gingen auf das Haus zu. Noch bevor sie es erreichten, trat ein groß gewachsener Mann mit dichten schwarzen Haaren und einer durchtrainierten Figur durch die Tür und winkte den beiden zu.

      »Kommen Sie!«, rief er ihnen zu. »Ich habe Sie schon erwartet.«

      »Ist das Hoferland?«, flüsterte Lisa Trevisan zu.

      Trevisan nickte.

      »Dann ist mir klar, weshalb Ollmert nur zweiter Sieger wurde.«

      Hoferland führte seine Besucher in das Haus, in dem eine angenehme Kühle herrschte.

      »Ich habe mir schon gedacht, dass Sie früher oder später zu mir kommen«, sagte Hoferland und geleitete Trevisan und seine Begleiterin in sein Büro. »Heute Morgen habe ich aus der Zeitung erfahren, dass Ollmert vermisst wird. Da dachte ich, die kommen auch zu dir. Frau Haferkamp wird schon dafür sorgen. Und keine Minute später klingelt das Telefon, und meine Frau sagt, dass die Polizei mit mir sprechen will.«

      Trevisan zeigte seinen Ausweis und nahm nach der Geste des Mannes auf einem Stuhl vor dem Schreibtisch Platz. »Meine Kollegin, wir sind von der Kripo in Wilhelmshaven.«

      »Alrik Hoferland, aber das wissen Sie sicher«, entgegnete der Hagener Bierkönig und nahm hinter seinem Schreibtisch Platz. »Meine Geschichte ist ganz schnell erzählt. Er hat meine Frau verführt, sie hatten eine Affäre, ich habe es herausbekommen, bin zu ihm gefahren und habe ihm eine aufs Maul gegeben. Er hat es kapiert, und damit war alles gut. Ein Bier?«

      Trevisan schüttelte den Kopf.

      »Ach so, Sie sind ja im Dienst. Ich hätte auch Limo oder Cola oder alkoholfrei. Dem neuen Trend können auch wir uns nicht verschließen, wenngleich ein alkoholfreies Bier ungefähr so ist, als wenn ein Einbeiniger versucht, Fußball zu spielen, Sie verstehen?«

      Er lächelte breit.

      »Wann war das mit dem Besuch bei Ollmert?«, fragte Trevisan, ohne weiter auf sein Angebot einzugehen.

      Hoferland überlegte. »Das war Anfang Februar. Es ist meine dritte Frau, sie ist ein paar Jahre jünger als ich, aber sie ist die Mutter eines meiner Kinder. Er hat ihr schöne Augen gemacht, und die blöde Kuh ist darauf reingefallen. Da habe ich es geklärt, ein für alle Mal.«

      »Wie lange ging diese Affäre?«, fragte Lisa.

      »Drei Wochen, hat mir Bente gestanden. Sie haben sich in Hotels getroffen oder im Jachtklub rumgemacht.«

      »Wie haben Sie davon erfahren?«, fragte Trevisan.

      »Ollmert hat nicht viele Freunde«, entgegnete Hoferland. »Ein weitläufiger Bekannter hat es mir gesagt, er hat sie zusammen in Oldenburg in einem Hotel gesehen. An diesem Tag wollte meine Frau angeblich eine Freundin in Cuxhaven besuchen. Als sie nach Hause kam, habe ich sie zur Rede gestellt, da hat sie es zugegeben.«

      »Einfach so?«

      Hoferland wiegte den Kopf hin und her. »Ich sagte ihr, sie könne ihn ruhig haben, sie solle nur ihre Sachen packen, und Anja, das ist unsere gemeinsame Tochter, bleibt bei mir. Sie solle dann sehen, wovon sie lebt, von mir hätte sie keinen Pfennig gekriegt, wir haben Gütertrennung.«

      »Dieser Bekannte«, fragte Trevisan. »Wer was das?«

      »Das war Johann Beeke, er sitzt im Stadtrat und ist nicht besonders gut auf Ollmert zu sprechen.«

      Lisa runzelte die Stirn. »Sie sprechen sehr emotionslos über diese Sache, fast ohne Gefühl. Ging es Ihnen nicht nahe, als Sie erfuhren, dass Ihre Frau Sie betrügt?«

      Hoferland atmete tief ein. »Wissen Sie, das mit dem Gefühl ist so eine Sache, meist steht es im Weg oder trübt den Sinn. Ich braue und verkaufe seit über 30 Jahren Bier. Die Zeiten werden nicht besser, das können Sie mir glauben. Wenn ich mich nur an Gefühle halten würde, dann wäre diese Brauerei schon seit Jahren dicht. Nein, ich bin ein Pragmatiker. Im Geschäft sowie auch im Leben, und das hat mich vor vielen üblen Dingen bewahrt.«

      »Was ist mit Liebe und Zuneigung?«

      Hoferland lachte auf. »Ja, das ist alles sehr schön und passt ausgezeichnet als Gravur auf ein Bierglas. Bente hat hier gearbeitet, bevor wir heirateten. Sie hat Kisten verschnürt und registriert. Sie gefiel mir, und ihr gefiel wohl das Leben als Bierkönigin von Hage.«

      Lisa nickte. »Eine Zweckgemeinschaft also.«

      Hoferland schaute eine Weile auf den mit Papieren und Abrechnungen überfüllten Schreibtisch. »Wissen Sie, früher hat das alles Karla für mich gemacht. Ich kannte sie schon seit der Grundschule, das war Liebe, damals. Die Firma war marode, als ich sie übernahm, und wir haben beide geschuftet, um etwas auf die Beine zu stellen. 14, 15 Stunden und am nächsten Tag ging es gerade so weiter. Zwei Buben hat sie mir geschenkt, dann ist sie gegangen.«

      »Karla?«, fragte Trevisan.

      »Meine erste Frau«, erklärte Hoferland mit zitternder Stimme. Eine Träne lief über seine Wange.

      »Sie ist gegangen?«

      Hoferland wies mit dem Daumen nach oben. »Bei der Geburt von Jonas, unserem zweiten Sohn. Sie hat ihn nicht mal mehr gesehen.«

      »Das tut mir leid«, sagte Lisa.

      »Drei Jahre später heiratete ich Katharina, sie kam aus Bremen. Eigentlich wegen der Kinder, damit sie wieder eine Mutter haben. Wir waren vier Jahre zusammen, aber dann hat sie mich verlassen. Sie hat es wohl nicht mehr ausgehalten, dass ich nicht über Karla hinweggekommen bin. Sie lebt heute in Schweden und ist dort glücklich. Glücklicher, als sie mit mir werden konnte. Ab und zu telefonieren wir miteinander. Wir verstehen uns noch immer gut.«

      »Und dann kam Bente?«

      Hoferland nickte. »Vor drei Jahren haben wir geheiratet. Anja ist drei Jahre alt. Meine Söhne studieren. Malte in Hamburg, er will Lehrer werden, und Jonas BWL in Hannover, er soll einmal die Firma übernehmen. Mir wurde es zu still alleine im großen Haus, und Bente war lebensfroh und brachte mich wieder zum Lachen, aber …«

      Er stockte in seiner Erzählung.

      »… aber dann war das mit Ollmert, diesem Blödmann.«

      »Erzählen Sie mir von der Schlägerei«, forderte Trevisan den Mann zum Reden auf.

      »Schlägerei«, entgegnete er spöttisch. »Eine Schlägerei war das nicht. Als ich erfahren habe, dass er mit Bente was hat, bin ich aufs Geratewohl ins Rathaus gefahren, ging in sein Büro. Er saß hinter dem Schreibtisch und telefonierte. Frau Haferkamp versuchte mich noch aufzuhalten, aber ich habe sie einfach abgeschüttelt, die alte Schachtel, ich habe die Tür zugemacht und einen Stuhl davor gestellt. Er glotzte mich blöde an, da bin ich zu ihm gegangen, packte ihn am Kragen, zog ihn hoch und gab ihm zwei Ohrfeigen,