Verschollen in Ostfriesland. Ulrich Hefner

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Название Verschollen in Ostfriesland
Автор произведения Ulrich Hefner
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839270066



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sich und fuhr zurück auf die Dienststelle. Das würde den Kreis der verdächtigen Fahrzeuge deutlich verringern.

      *

      Davidshörn, Landgut Marschländer Hof

      Hanna Schmidt war eine starke, entschlossene und geradlinige Frau um die 50. Das stellte Monika Sander bereits auf den ersten Blick fest, nachdem sie von der Inhaberin des Marschländer Hofes in ihrer Arbeitskluft empfangen wurden. Mit dem Traktor war sie auf den Hof gekommen, nachdem Lentje und Monika ein paar Minuten auf sie gewartet hatten. Sie empfing die beiden Kriminalbeamtinnen auf Bierbänken unter einem Sonnenschirm, direkt neben dem Hofladen.

      »Sie sind wegen Enno Ollmert hier«, stellte die Frau fest, nachdem sie die bereitstehenden Gläser mit eisgekühlter Limonade gefüllt hatte. »Wissen Sie, ich weine ihm keine Träne nach, wegen mir braucht der erst gar nicht mehr zurückzukommen.«

      Monika lächelte. »Ich hörte schon, dass Sie nicht gut auf ihn zu sprechen sind.«

      »Ach so, deswegen sind Sie hier. Und Sie meinen, er liegt hier irgendwo unter einem Misthaufen. Na ja, verdient hätte er es, aber nur zu, Sie dürfen alles umgraben, und wenn Sie ihn finden, dann geben Sie ihm noch eine mit der Schaufel obendrauf, damit ich sicher sein kann, dass er nicht mehr zurückkommt.«

      Monika runzelte die Stirn. »Er muss Sie sehr verletzt haben.«

      »Was heißt verletzt, ich gebe zu, ich habe ihn damals sogar gewählt«, entgegnete die Frau. »Ich bin auf seine Wahlversprechen von wegen Ausbau der ökologischen Ressourcen und Nutzung von Brachgelände für eine ökologisch sinnvolle Landwirtschaft hereingefallen. Zu Anfang sah das auch gar nicht schlecht aus. Das Neubaugebiet in Deichshagen, das neue Industriegebiet bei Jakobssiel und der Ausbau der Rad- und Wanderwege. Doch, man konnte schon zufrieden sein, er hat in einem Jahr mehr gemacht als sein Vorgänger über die gesamte Wahlperiode.«

      »Wieso dann der Bruch?«, fragte Lentje.

      »Weil alles gelogen war.«

      »Das müssen Sie mir erklären«, forderte Monika.

      »Wo soll ich anfangen?«, seufzte die Frau mit dem geblümten Kopftuch. »Ich würde sagen, der erste Schlag ins Kontor war der Großmarkt in Wiesenstede. Eigentlich wollte ich meinen Hofladen dort eröffnen. Kleine Geschäfte sollten da unterkommen, ein Blumenladen, ein Optiker, ein Schuhladen. Und was macht der Herr Bürgermeister über den Kopf des Gemeinderates hinweg? Er siedelt den ›Nordkauf‹ dort an. Das war vor zwei Jahren, und danach ging es gerade so weiter. Nehmen wir die Salzwiesen. Fruchtbares Land, vermacht vom alten, kinderlosen Deichhofbauern als Erbe an die Gemeinde. Mehrere Hektar, die mir für meine Rinderzucht gut geholfen hätten. Eigentlich war ich mit der Gemeinde schon ziemlich klar. Es gab einige im Gemeinderat, die mich unterstützten. Doch dann, urplötzlich, wie aus dem Nichts, der Bürgerpark. Windräder sollen dort entstehen, und der halbe Stadtrat ist dafür. Ollmert jagt dem Profit hinterher und nichts anderes. Klar, dass sich dann plötzlich keiner mehr für die Milchwirtschaft interessierte. Und da gibt es noch so ein paar Geschichten. Ich bin froh, wenn dieser Mann nächstes Jahr abgewählt wird. Ich glaube, wenn der über 20 Prozent kommt, dann hat er noch Glück gehabt.«

      »Können Sie sich vorstellen, dass ihm jemand etwas angetan hat?«, fragte Lentje ins Blaue hinein.

      Die Frau wirkte erschrocken. »Das ist nicht Ihr Ernst! Ihn umbringen, das glaube ich nicht. Er hatte oft Streit, und es gibt genügend, die es freuen würde, wenn er die Wahl verliert, aber Mord ist eine andere Sache. Wenn Sie mich fragen, dann liegt er mit irgendeiner fremden, aber verheirateten Frau im Bett und kommt bald wie ein geprügelter Hund zurück. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihn jemand aus unserer Gemeinde umgebracht haben soll.«

      »Wo waren Sie letztes Wochenende?«, fragte Monika.

      Die Frau breitete ihre Arme aus. »Das ist mein Reich. Hier bin ich morgens, mittags und abends und an Werktagen sowie an Sonntagen und Feiertagen. Wenn man sich für dieses Leben entschieden hat, muss man wissen, dass der Tag 24 Stunden hat. Oder glauben Sie, meine Kühe nehmen auf einen Sonntag Rücksicht? Das hat ihnen der Schöpfer nicht beigebracht, als er die Welt erschaffen hat.«

      Die Frau schmunzelte.

      »Zeugen?«, fragte Lentje.

      Wiederum wies die Bäuerin auf ihren Hof. »Vielleicht hat mich Stanis oder Pjotr gesehen, meine Angestellten, die wohnen dort drüben. Das sind Polen, aber ganz feine Leute, und die wissen wirklich, wie man anpackt. Ansonsten müssen Sie meine Tiere fragen.«

      »Entschuldigen Sie, wir müssen das fragen.«

      »Dann notieren Sie: Hanna Schmidt vom Marschländer Hof – kein Alibi!«

      »Können Sie Boot fahren, segeln?«

      Die Frau schaute verwundert. »Ein Motorboot könnte ich über die Priele steuern, aber gesegelt bin ich noch nie, und wenn Sie weiterfragen, nein, ich habe Ollmert nicht über die Reling geschubst und bin dann nach Baltrum gesegelt.«

      Lentje runzelte die Stirn. »Woher wissen Sie …?«

      Hanna Schmidt wies auf die Zeitung, die zerknittert auf dem Tisch lag, und schlug die erste Seite auf. »Das ›Küstenblatt‹ spekuliert darüber.«

      Sie unterhielten sich noch eine geraume Zeit, und Ollmert kam nicht gut bei diesem Gespräch weg, aber dass diese Frau eine Mörderin war, das wollten weder Monika noch Lentje glauben. Zwei Stunden später verließen sie den Marschländer Hof.

      9

      Kriminalpolizei Wilhelmshaven, Mozartstraße

      Sonntag, eigentlich ein Tag der Erholung und der Beschaulichkeit, ein Tag für die Familie, in der die Arbeit ruhen sollte, doch nicht so, wenn man bei der Polizei arbeitet und noch dazu mitten in einem undurchsichtigen und schwierigen Fall steckt.

      Trevisan war gegen 8 Uhr ins Büro gefahren. Dort traf er auf Krog, der mit seinen Leuten mitten in der Auswertung der sichergestellten Akten und Schriftstücke aus dem Hause Ollmert steckte. Es gab durchaus einige interessante Aspekte. Meist enthielten die Ordner Verträge mit Versicherungen, mit Handyprovidern oder mit Internetfirmen, doch einer der Ordner enthielt Kontoauszüge, die sehr aufschlussreich waren.

      »Das ist alles aus dem letzten Jahr?«, fragte Trevisan.

      »Die Aufstellung ist aktuell«, bestätigte Krog. »Nach dieser Übersicht ist Ollmert pleite. Er hat zwar eine Lebensversicherung über eine halbe Million, die er auch bedient, aber ansonsten sieht es düster aus. Seine Gesamtschulden belaufen sich auf 347.522,21 Euro. Der Porsche ist geleast, dafür zahlt er 420 Euro. Das Boot ist ebenfalls auf Pump gekauft, 200 Euro jeden Monat. Dazu die Versicherungen, die Miete für das Haus, die Abzahlung, ihm bleiben genau 433,12 Euro zum Leben.«

      »Aber er hatte doch auch Guthaben?«, sagte Trevisan.

      »Ja, auf dem Sparbuch, aber an die Fonds kommt er nicht ran, die laufen über einen Rentenfonds und sind gesperrt, bis er in Rente geht. Die Zahlungen hat er seit ein paar Jahren eingestellt, die Summe steht beitragsfrei, nur der Zinserlös wird gutgeschrieben, aber das ist nicht viel bei 2,75 Prozent.

      Trevisan runzelte die Stirn. »Habt ihr tatsächlich an Bord der Jacht keinen Schlüssel und keine Papiere gefunden?«

      Krog schüttelte den Kopf. »Wir haben das Boot gründlich durchsucht, keine Schlüssel, keine Geldbörse, keine Papiere. Weshalb fragst du?«

      Trevisan zuckte mit der Schulter. »Ich weiß nicht, es ist nur so eine Idee. Wer erhält die Summe, wenn er abtritt?«

      Krog suchte den entsprechenden Vertrag heraus. »Als Erbberechtigter steht hier eine Stiftung, ›Armonicas‹, Sitz in Basel, in der Schweiz, früher stand da mal Doreen Pleitgen, aber das wurde vor vier Jahren notariell geändert. Jetzt sag’ schon, welche Idee treibt dich um?«

      Trevisan kratzte sich an der Stirn. »Einen Augenblick lang dachte ich …, vielleicht wollte er nicht mehr … diese Stiftung könnte natürlich auch … na ja, wir müssen auf alle Fälle herausfinden, wer dahintersteckt.«

      »Du