Название | Dunkler Paladin |
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Автор произведения | Cole Brannighan |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783948695378 |
Sie schlich an die geschlossenen Läden und blickte durch die Schlitze. Alles wirkte verlassen. Geräuschlos hebelte sie die Läden mit ihrem Messer auf und schlüpfte hinein. Eine Spinnenmetropole hatte sich über allem ausgebreitet, deren Netze sich vom schmalen Bett, über Tisch, Stühle und Truhe bis hinein in den kleinen Kamin spannten. Khalea nahm trockene Zweige vom Holzstapel daneben und wickelte die Spinnweben auf. Dann nahm sie ein Zunderholz vom Kaminsims und zündete die Zweige an. Überall flüchtete Krabbelgetier in Ecken und Nischen und versuchte dem Feuer zu entgehen.
Khalea legte die improvisierte Fackel unter einen Kessel mit trüber Flüssigkeit in den Kamin und blies, bis die Flammenzungen über die Zweige tanzten.
Das Feuer fraß sich durch das Holz und vertrieb nur müßig die Kälte in der Kate.
Khalea hielt ihre Hände über die Flammen und rieb sich Gefühl in die Finger. Mit der Rückkehr des Lebens in ihren Gliedern krochen ihre Gedanken zu Finn, dessen Lebensfunke an der Trümmerküste erlosch.
»Verflucht!«
Er ist ein Kampfpriester, ein Blender. Keiner braucht ihn.
»Verflucht!«
Die anderen sind mir egal. Das waren sie schon immer, Randfiguren in meinem Leben, nicht mehr als Schlaglichter am Wegesrand.
»Verflucht!«
Am Abend prasselte Feuer im Kamin und belebte die Kate, ließ Schatten in seinem Lebensrhythmus an den dunkel gebeizten Bretterwänden tanzen, während Wasser im Kupferkessel über der Feuerstelle dampfte.
Khalea hatte alle Decken und Kissen, die sie in einer Truhe hatte finden können, auf Finn gepackt und seine Wunden mit frischen Blättern und zerstoßenen Kräutern versorgt. Im Wald konnte man vieles finden, wenn man wusste, wonach man suchen musste. Heilerin war sie trotzdem nicht.
Sie inspizierte sein Gesicht. Trotz des Feuers und der Wärme fehlte ihm noch immer jegliche Farbe. Sie hatte schon Leute an weniger sterben sehen.
»Verdammt!«
Khalea löste den Knoten ihres Hanfseils, zog sich aus und schlüpfte nackt unter die Flachsdecken auf dem schmalen Bett. Sie hätte sich auch neben einen Eisklotz legen können, so kalt war er. Er zitterte am ganzen Leib. Und überall an ihm klebte Sand und Dreck. Sie schmiegte sich an seinen Körper und versuchte, ihm so viel Wärme wie möglich zu spenden.
Das erste, was Finn fühlte, war die Kälte, die ihm die Wärme seines Blutes entriss. Und weil sein gesamter Körper im Sterbebett zitterte, rollte er sich zu einer Kugel zusammen, zog die Flachsdecken an seinen Leib und versuchte, jedes Quäntchen Wärme aus ihnen herauszupressen. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so sehr gefroren zu haben. Die Kälte nahm seine Gedanken ein, doch am Rande seines Bewusstseins nahm er wahr, dass er nicht allein war.
»Gratulation, du hast die Nacht überlebt«, sagte Khalea. Funken stoben hoch, als sie einen Holzscheit in die Glut bugsierte. »Das Schlimmste steht dir noch bevor. Ich hoffe, deine Götter haben Erbarmen und geben dir noch mehr Zeit im Diesseits.«
Finn hatte keine Kraft, sich auf dem Bett zu drehen, geschweige denn, seine Gliedmaßen zu kontrollieren. Er öffnete den Mund und wollte fragen, was sie damit meinte, doch seine Zähne klapperten so heftig aufeinander, dass nur ein Stöhnen seine bläulichen Lippen verließ.
»Die Wunde an deiner Seite sieht nicht gut aus. Ich habe sie gereinigt, aber es kann zu Wundbrand kommen. Du wirst wegdämmern, unter Hitze und Fieber leiden, dann wird dir das Frösteln fehlen.« Sie erklärte es ihm so trocken, als würde sie eine Materialliste durchgehen.
Finn versuchte, ihre Worte aus dem Geklapper seiner Zähne zu entwirren. Eine Wunde. Bin ich verletzt?, dachte er. Ihm fehlte das Gefühl für Schmerz. Sein Körper war taub, zu Eis gefroren. Bruchstücke des Geschehens schlugen in sein Bewusstsein. Ein Kampf auf dem Schiffsfriedhof … der Unsterbliche. Schmerzen breiteten sich in seinem Körper aus und krochen durch seine Adern in alle Glieder. Schiffswracks drehten sich um ihn herum, Tentakel zuckten und über allem schwebte das Geschnatter einer uralten Wesenheit, bis er am Scheitelpunkt des Schmerzes das Bewusstsein verlor.
Khalea goss den Sud aus dem Kessel in eine Schüssel und gab zerstoßene Wurzblüten dazu, die nicht nur Geschmack, sondern auch eine heilende Wirkung besaßen.
Sie trat ans Bett und wickelte Finns Kopf aus den Decken. Die Blässe war nicht gewichen und würde er nicht zittern, hätte sie ihn für tot erklärt. Beim Abnehmen des Verbands von der Wunde kam ihr ein süßlicher Geruch der Infektion entgegen, die sich bereits über die Ränder fraß. In ihrem Leben hatte sie schon einige Schnitte und Verletzungen gesehen, genug um zu wissen, dass diese hier auf dem besten Weg war, sich zu Wundbrand zu entwickeln. Sie säuberte die Verletzung mit einer auf dem Feuer erhitzten Messerspitze und feingehackten Wurzblüten, so wie es ihr Großvater ihr beigebracht hatte. Dann bastelte sie aus Stofffetzen einen improvisierten Verband, dennoch war sie sich nicht sicher, ob ihre Maßnahmen fruchten würden.
Was tue ich hier? Und für wen, fragte sie sich. Khalea atmete kurz durch und versuchte, den Verband mechanisch anzubringen, denn Grübeleien brachten niemanden weiter.
Nachdem sie ihn wieder in die Decken eingewickelt hatte, prüfte sie Finns Bekleidung, die zum Trocknen an einem Haken über dem Kamin hing. Der Umhang war schon trocken, die Baumwollunterbekleidung brauchte noch Zeit. So zerschlissen wie die Sachen aussahen, so fühlte sie sich innerlich. Khalea setzte sich gegenüber von Finn neben den Kamin hin, zog die Beine an die Brust und legte ihr Kinn auf die Knie. Für eine Weile lauschte sie dem hypnotischen Knistern des Feuers und war nicht fähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Sie war eine leere Hülle, eine Tonform von sich selbst, die sich langsam mit etwas füllte, das Khalea schwer ums Herz werden ließ. Während sie noch eine Weile mit stumpfem Verstand dem Flüstern des Feuers lauschte, kamen ihr die Tränen.
Finn wechselte zwischen Wach- und Dämmerzustand hin und her. Er glaubte sich erinnern zu können, dass er Schmerzen litt und es irgendwo ein Bett gab, vielleicht Decken und Kissen, Khalea, die wie ein Geist um ihn schwebte … und dann war da noch dieses Feuer. Es brannte … fraß sich durch seinen Körper. Mit jedem Herzschlag gab es eine Explosion flammender Schmerzen, die im Funkenregen aus Indigo zu einem Universum aus Sternen emporstiegen und ihn mit nach oben rissen. Am Scheitelpunkt seines umgekehrten Falls hatte er das Gefühl zu schweben, während Höhenluft sein Gesicht angenehm kühlte. Dann zog es ihn wieder mit unerbittlicher Gewalt nach unten. Er presste die Zähne zusammen und atmete stoßweise, zu mehr war er nicht fähig. Erinnerungsfetzen seines Lebens rauschten an ihm vorbei. Worte echoten so oft in seinen Ohren, bis sie jeglichen Sinn verloren und wieder in Vergessenheit gerieten. Er suchte in Gedanken nach etwas Festem, einem Fetzen, so klein er auch sein mochte – und fand ihn. Einen Funken aus Indigo.
Mit der Verzweiflung eines Ertrinkenden griff er nach ihm und stabilisierte seinen Fall. Erneut drangen Worte zu ihm durch, die er wiederholte, aber bevor er sie verstand, fegte eine Hitzewelle sie weg und erstickte alles Sein im Nichts.
Es schmeckte bitter und brannte in ihrer Kehle. Khalea hatte das Gefühl, die ganze Welt zu erbrechen. In Stößen pumpte ihr Magen den Fisch wieder hoch, den sie sich am Mittag aus dem Fluss geangelt