Nick - Alles außer gewöhnlich. Boris Vujicic

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Название Nick - Alles außer gewöhnlich
Автор произведения Boris Vujicic
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783765574665



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nach der anderen quälte, während meine Nintendo-Konsole nach mir rief.

      Heute weiß ich, dass sie gute Eltern waren. Sie wollten mir eine starke Arbeitsmoral mitgeben, Eigenverantwortlichkeit und ein Fundament des Glaubens. Dasselbe gilt für meine Geschwister. Fast jeden zweiten Tag hörte ich von ihnen, dass mein Leben keine Limits hat.

      „Bei dir fehlen vielleicht ein paar Kleinigkeiten, na und? Du kannst trotzdem alles schaffen, was du willst.“

      Später fragten sich meine Eltern, ob sie es mit dem Wurzelngeben und Flügelverleihen ein bisschen zu gut gemeint hatten. Sie wollten aus mir einen unabhängigen Menschen machen … und den bekamen sie!

      Mit neunzehn kündigte ich an, auf meine erste internationale Tour als Redner zu gehen. Ich hatte schon die ersten Vorkehrungen für meine Reise nach Südafrika getroffen und wollte für bedürftige Waisenkinder meinen Sparstrumpf von zwanzigtausend Dollar auflösen.

      Meine Eltern hatten einige Einwände gegen diesen tollkühnen Plan, wie du dir vorstellen kannst. Sie machten sich hauptsächlich Sorgen um meine Sicherheit und fragten sich, wie ich im Rollstuhl durch Afrika kommen sollte. Und natürlich waren sie auch schockiert, dass ich jetzt schon mein mühsam aufgebautes Polster aufbrauchen wollte.

      Ich erinnerte sie nicht ohne Vergnügen daran, dass sie es gewesen waren, die immer von einem Leben ohne Limits gesprochen hatten. Außerdem hatte ich doch Abend für Abend mit ihnen für die armen Kinder in der Welt gebetet.

      „Das habt ihr nun davon!“, sagte ich.

      Mom und Dad waren nicht begeistert, aber sie stellten sich mir auch nicht in den Weg. Manchmal sind sie heute noch bestürzt angesichts meiner großen Träume und meiner Abenteuerlust, aber sie stehen immer hinter mir und packen mit an.

      Natürlich haben sie auch ihre Fehler, aber: für mich sind sie, was sie sind: vollkommen unvollkommen. Je älter ich werde, desto bewusster wird mir, dass ihre erhobenen Zeigefinger und Regeln, die mich als Teenager so nervten, mich für ein produktives und erfülltes Leben vorbereiten sollten.

      Die Tatsache, dass mein Vater bei fast allem, vor dem er mich gewarnt hat, recht behielt, ist trotzdem gemein. So oft war ich der felsenfesten Meinung, dass er falsch lag, aber am Ende musste ich meist klein beigeben.

      Mein Vater ist mir irgendwie immer drei Schritte voraus. Und ich habe den leisen Verdacht, dass ich ihn nie einholen werde. Als Kind habe ich mich manchmal gefragt, ob er Superkräfte hat oder an zwei Orten gleichzeitig sein kann. Er hatte drei Jobs gleich­zeitig, gründete als Laienprediger mehrere Gemeinden und half dann noch meiner Mutter, einen kleinen Wirbelwind ohne Arme und Beine sowie zwei weitere Kinder großzuziehen.

      Immer, wenn wir Dad brauchten, war er auf wundersame Weise sofort da.

      Zum Beispiel an dem Abend, an dem ich versucht hatte, in der Badewanne Selbstmord zu begehen. Anschließend hatte ich meinem kleinen Bruder davon erzählt, dass ich meinem Leben auf jeden Fall vor dem einundzwanzigsten Lebensjahr ein Ende setzen wollte. Aaron ging sofort zu Dad.

      Mein Vater kam am Abend an mein Bett und redete mit mir. Er sagte, dass er und Mom mich liebten, dass meine Geschwister mich lieb hatten und Gott auch. Dann blieb er bei mir sitzen und strich mir über den Kopf, bis ich eingeschlafen war. Das werde ich nie vergessen.

      O ja, in die Haare kriegen wir uns auch – weil wir uns so ähnlich sind. Wir haben denselben Ehrgeiz und denselben Dickkopf. Dad hat mir vorausgesagt, dass es mir mit meinen Kindern einmal nicht anders gehen wird. Als wir meinen Eltern eröffneten, dass Kanae schwanger war, lächelte er nur und sagte: „Jetzt wirst du merken, wie das ist als Vater.“

      Und natürlich behielt er recht. Ich ermahne Kiyoshi, sein Spielzeug aufzuräumen. Eines Tages wird er im Haushalt mithelfen müssen, um sich sein Taschengeld zu verdienen. Wir beten abends für die armen Kinder auf der Welt. Und dann streiche ich ihm mit dem Kinn über den Kopf, bis er einschläft. Ich hoffe, dass er das nie vergessen wird.

      Vollkommen unvollkommene Söhne werden zu vollkommen unvollkommenen Vätern. Aber eins werde ich anders machen als mein Vater. Wenn Kiyoshi mit neunzehn zu mir kommt und verkündet, dass er sein ganzes Erspartes in irgendeinem entlegenen Winkel der Erde an Waisenkinder verpulvern will, werde ich antworten: „Und ich komme mit!“

      Mom und Dad, danke für alles.

      Ihr habt mich auf ein unverschämt gutes Leben vorbereitet. Dank euch kämpfe ich für ein Leben ohne Limits und ihr habt mich gelehrt, wie man ohne Wenn und Aber liebt.

      Kanae und ich werden das an unsere Kinder weitergeben.

      Hab euch lieb!

      Euer Nick

      1

      Das vollkommen unvollkommene Kind

      Wenn man sein Kind erst annehmen und lieben lernen muss

      Meine Frau Dushka und ich waren aufgeregt und schrecklich nervös. Die Voruntersuchungen sahen alle gut aus. Die Schwangerschaft war komplikationsfrei verlaufen. Als das Baby sich bemerkbar machte, verschwand meine Frau mit den Ärzten und Schwestern im Kreißsaal. Ich saß draußen, betete und wartete darauf, hineingerufen zu werden.

      Dushka war ausgebildete Krankenschwester und Hebamme. Sie und ich wussten, was alles bei einer Schwangerschaft und Geburt schiefgehen konnte. Was für ein Wunder ist doch eine normale ­Geburt!

      Da es sich um die erste Schwangerschaft handelte, rechneten wir damit, dass die Geburt länger dauern würde, und so war es auch. Die Wehen zogen sich über zwölf Stunden hin, bis ich endlich in den Kreißsaal gerufen wurde. Das Erste, was mir auffiel, war das Leuchten in den Augen meiner Frau. Ich war sofort angesteckt und betrachtete begeistert das kleine Menschlein, dass da an der Brust seiner Mutter schlief: ein kleiner Junge, mit zwei Armen, zwei Beinen und einem wunderschönen Gesicht.

      Es war ein gesundes, hübsches Kind Gottes.

      Unser erster Enkel!

      Mein Sohn Nick strahlte vor Stolz und wich seiner Frau Kanae keinen Zentimeter von der Seite. Ein Wunder war geschehen!

      Nick war so euphorisch und voller Glück, dass er über seiner Frau und seinem Sohn zu schweben schien. Er knuddelte und ­küsste sie und versicherte sich, dass sie tatsächlich echt waren – seine eigene Familie. Endlich.

      Von diesem Augenblick hatten Nick, Dushka und ich kaum zu träumen gewagt. Wir hatten immer die Sorge, dass Nick nie eine Frau finden und eine Familie gründen können würde. Aber innerhalb zwei kurzer Jahre war das Unvorstellbare zur Realität geworden. Nick hatte eine hübsche, gefühlvolle und gläubige junge Frau kennengelernt und ihr Herz erobert.

      Ein Jahr und einen Tag, nachdem Kanae Miyahara und er geheiratet hatten, kam ihr Sohn Kiyoshi zur Welt.

      Voll auf dem Schlauch

      Sieben Monate zuvor hatten Kanae und Nick sich ins Zeug gelegt, um die Neuigkeit von Kanaes Schwangerschaft zu einem unvergesslichen Augenblick zu machen. Für eine verspätete Feier zum Vatertag – Nick war unterwegs gewesen – hatten wir uns alle bei ihnen zu Hause versammelt. Unsere Tochter Michelle war gerade zu Besuch und ebenfalls eingeladen. Kanae hatte lecker gekocht wie immer. Nach dem Essen brachte sie eine Torte zum Nachtisch. Zuerst fragten wir uns noch, ob beim Verzieren irgendwas schiefgegangen war. Eine Hälfte der Torte war einfach hellblau, die andere Hälfte rosa. Wir dachten uns nichts weiter dabei.

      Ich tappte noch immer im Dunkeln, als Kanae mich fragte, „Möchtest du blau oder rosa?“

      „Blau“, erwiderte ich.

      Dushka merkte auch nichts. Sie wollte überhaupt keine Torte.

      Ich war längst mit meinem Stück beschäftigt, als Kanae plötzlich loslachte. „Scheint ja nicht so gut zu klappen mit unserem kleinen Zaunpfahl.“

      Ich stand noch immer voll auf dem Schlauch, aber Dushka und Michelle kreischten fast gleichzeitig: „Du bist schwanger!“

      Endlich fiel auch bei mir der Groschen. Jetzt hatten wir erst recht Grund zum Feiern: