Название | HUMANOID 2.0 |
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Автор произведения | Gabriele Behrend |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957658579 |
»Es ist interessant, wie sehr Sie an Ihren Schützlingen hängen«, erwiderte Patrizia spitz. »Dabei möchte ich Sie an dieser Stelle noch einmal auf den Full-Service-Zusatzvertrag hinweisen, der die technische Funktion auf Lebenszeit sicherstellt, Herr van Fromm. Ich habe ihn bereits unterschrieben und beglaubigen lassen. Meines Wissens haben Sie auch keine Ausschlussklausel eingefügt. Bei dem horrenden Preis könnten Sie sich das im Übrigen auch nicht leisten!«
Van Fromm hob eine Braue.
»Aber man kann Ihr Vorhaben als vorsätzliche und wissentliche Gefährdung des Produktes ansehen«, wandte er ein. »Daher können wir uns das Recht nehmen, die Vertragsleistungen nur unter Vorbehalt zu gewähren. Letztlich können sich die Anwälte darum kümmern.« Er holte tief Luft. »Frau Heussler«, begann er dann von Neuem. »Warum tun Sie sich das an? Sie sind doch auf so einen gar nicht angewiesen. Wieso genießen Sie nicht Ihr Leben?«
Patrizia sah van Fromm kühl an. »Glauben Sie mir, ich habe meine Gründe.«
Kurze Zeit später waren alle Vorbereitungen abgeschlossen. Die Idee eines Panic Rooms hatte Patrizia verworfen, da sie baulich unmöglich machbar war. Doch der Zufall wollte es, dass das Einzimmerappartement nebenan frei wurde. Sie unterschrieb sofort den Mietvertrag. Sie reichte ohne Thomas’ Wissen auf ihrer Arbeitsstelle Sonderurlaub ein und übte in dieser Zeit im Trainingscenter von Technical Humanoids alle nötigen Handgriffe, die sonst die Servicetechniker an ihr verrichteten. Als er dann für ein Wochenende zu seinen Eltern in den Harz fuhr, war es soweit. Kaum war er aus der Wohnung, vergaß sie die Magen-Darm-Grippe, die sie angeblich daran hinderte, ihn zu begleiten und öffnete den Technikern von Humanoids die Tür. Der Samstag war mit dem technischen Aufbau ausgefüllt. Patrizia wunderte sich, wie problemlos das Einrichten verlief. Am Schluss glich das Appartement einer Mischung aus Krankenhauszimmer, Werkbank und Computerstation. Sonntagmorgen wurde dann das frisch überholte Produkt angeliefert. Patrizia gab die Ersatzschlüssel der Wohnung sowie die verschiedenen Codes der Alarmanlage an ihren persönlichen Servicetechniker weiter.
Als die Tür hinter dem letzen Mitarbeiter ins Schloss gefallen war, widmete sie sich endlich ihrem Alter Ego. Wie schon beim ersten Mal war sie fasziniert von der Perfektion der Imitation. Seltsam, dachte sie, in diesem Körper habe ich die letzten zwei Wochen verbracht. Er ist mir so vertraut wie mein eigener. Vorsichtig legte sie eine Hand auf die Brüste des Avatars. Die synthetische Haut war samtweich, hier und da schimmerten die Adern leicht blau. Sie war nicht hübsch, stellte sie fest. Die jugendliche Straffheit war dahin. Man sah es unter den Armen, an den Schenkelinnenseiten, am Hals. Versonnen berührte sie sich selbst, während sie mit einer Hand ihren Avatar, ihr Alter Ego, streichelte. Nicht hübsch, wiederholte sie in Gedanken. Aber schön. Neugierig beugte sie den Kopf vor, schnupperte leicht. Der Kunstkörper glich ihr sogar im Geruch. Mutig, verlegen, konfus erforschte sie mit ihren Fingern die künstliche Vagina. Auch hier fühlte sich soweit alles echt an. Doch genau an dieser Stelle offenbarte sich der Unterschied zwischen Natur und Nachahmung. Sie musste schmunzeln. Oh ja, diese Braut konnte immer, wollte immer. Da gab es kein Problem mit ausgedörrten Wadis bei mangelnder Attraktion des Gegenübers.
Der Sex mit Thomas hatte immer gut geklappt. Ob er deshalb so von sich überzeugt war? Patrizia trat einen Schritt zurück. Sie runzelte die Stirn. Egal, was er gesagt oder getan hatte, bisher hatten sie sich immer im Bett versöhnt. Würde ihm diese künstliche Hitze und Nässe nicht signalisieren, was für ein geiler Hengst er war? Auch wenn er mich grün und blau geschlagen hat, das Fleisch ist willig? Ob er es als Anreiz sehen würde? Mit einem Ruck zog Patrizia die Hand zurück.
Dann sah sie auf die Uhr. Er würde bald zurückkommen. Für einen Moment zögerte sie. Dann aber legte sie sich auf die pneumatische Liege, schob den Mindstreamer über den Kopf und schloss den Apparat an. Als sie die Augen wieder aufschlug, sah sie ihren Körper auf dem Bett liegen. Sie übernahm die Kontrolle über den Avatar, schloss ihren Körper an Kanüle und Katheter an, legte die Nährlösung und die Elektroden für das Dauer-EKG, das über eine Computerstandleitung mit dem medizinischen Dienst von Humanoids verbunden war.
Als sie das Appartement verließ, fühlte sie sich im Avatar heimischer als in ihrem eigenen Körper.
»Liebling?« Die Tür fällt ins Schloss. Sie atmet erleichtert durch. Er ist gut gelaunt, anscheinend kein Stau, keine inkompetenten Mercedesfahrer – alles ist gut.
»Im Wohnzimmer, Schatz!«
Er steht in der Tür, reißt die Arme auf. »Willst du mich nicht ordentlich begrüßen?«
Sie fliegt ihm in die Arme.
»Anscheinend bist du wieder gesund. Das ging ja schneller, als ich dachte. Oder wolltest du dich etwa nur um den Besuch drücken?«
»Nein«, versichert sie ihm hastig, den Kopf an seinem Hals, seinen Duft in sich aufsaugend. Es sei ihr schlecht gegangen und nur die Freude, ihn wiederzusehen, ließe sie jetzt so übermütig erscheinen. Er freut sich auch auf sie, sie spürt es in seinem Schritt.
Nach der Wiedersehensparty liegt er erschöpft neben ihr, die Hand auf ihrer linken Brust und lächelt sein Sonnenscheinlächeln.
»Ich liebe dich«, flüstert sie. »Ich liebe, liebe, liebe dich.«
»Wie schön«, erwidert er. »Das Gleiche gilt für mich.«
Zufrieden kuscheln sie sich aneinander und für einen kurzen Moment denkt sie, dass es schierer Wahnsinn ist, dieses Erlebnis ihrem wahren Körper vorzuenthalten. Vielleicht, denkt sie weiter, vielleicht, wenn es so bleibt, brauche ich den Avatar nie wieder und er wird nie etwas davon erfahren. Doch eine dunkle Stimme flüstert im Hintergrundrauschen, dass es nicht so friedlich bleiben wird. Denn wenn auf etwas Verlass wäre, dann auf seine Unberechenbarkeit. Doch sie hört es nicht, zu sehr konzentriert sie sich auf den Strom der Liebeserklärungen, die er in ihr Haar flüstert.
Am nächsten Morgen wacht sie erst spät auf. Die Sonne scheint grell in ihr Fenster, und nach einem Moment des Sichsortierens bemerkt sie Thomas auf dem Stuhl neben ihrem Bett sitzen. Seine Miene ist düster und angespannt. Was denn sei, fragt sie verwirrt. Warum ist er nicht bei der Arbeit, was macht er hier? Er antwortet nicht.
»Bitte«, fleht sie ihn an. »Bitte sprich mit mir!«
Er dehnt den Augenblick, lässt sie zappeln im Angesicht des Sturms. Schließlich hält er ihr ein Bündel Papier entgegen. Nach ein, zwei Blicken lässt sie die Seiten sinken.
»Warum hast du eine Wohnung angemietet?«
Sie schweigt.
»Willst du mich verlassen? Ist es das, was du willst?« Er spricht leise, konzentriert.
Sie schüttelt stumm den Kopf.
»Patrizia, gibt es etwas, das du mir sagen willst?«
»Nein, Tom. Das hat gar nichts … das ist nichts.«
»Wer ist es?« Thomas ist inzwischen kalkweiß, seine Hände krampfen sich um die Armlehnen.
»Niemand, Tom, da ist niemand!«
»Wen willst du für dumm verkaufen? Das ist ein Mietvertrag – entweder wolltest du in aller Heimlichkeit verschwinden oder das ist dein kleines Liebesnest. Lohnt es sich denn? Hat er mehr Kohle, ist es das? Oder fickt er besser als ich, hä?«
»Da ist kein anderer, glaub mir doch!«
Mit einem Satz ist er neben ihr. Reißt ihr den Kopf nach hinten, die Hand in ihren Locken verkrallt. »Lüg mich nicht an, du Schlampe!«
»Tom, bitte!«
»Willst du mich überzeugen, Patty? Willst du mich wirklich überzeugen?« Seine Stimme ist zu einem heiseren Flüstern herabgesunken. »Willst du mir zeigen, dass Patty-Maus nur ein dummes, dummes Kind ist, das in fremden Wohnungen spielen geht?«
Sie versucht, zu nicken.
»Dann zeig sie mir. Jetzt, sofort!« Mit einem Griff schnappt er sich den Mietvertrag. »Du hast es ja gar nicht weit, wie ich sehe. Faul auch noch, was? Andere Nutten würden ihre Affären