Anton der Taubenzüchter. Bernard Gotfryd

Читать онлайн.
Название Anton der Taubenzüchter
Автор произведения Bernard Gotfryd
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783962026189



Скачать книгу

Inhaltsverzeichnis

       Diebstahl eines Tisches

       Das Hochzeitsbild

       Die Violine

       Der Füllfederhalter

       Herr G.

       Alexandra

       Kurt

       Der letzte Morgen

       Anton der Taubenzüchter

       Über Schuld

       Drei Eier

       Die Hinrichtung

       Hans Bürger, Nr. 15252

       Begegnung in Linz

       Wieder vereint

       Inge

       An einem regnerischen Abend

       Über Erinnerung

       Nachwort

       Nachbemerkung des Übersetzers

      Bernard Gotfryd

      Anton der Taubenzüchter

      und andere Geschichten vom Holocaust

      aus dem amerikanischen Englisch von

       Michael Lehmann

      

      

      © 1990/2000 Bernard Gotfryd / The Johns Hopkins University Press

      CIP - Titelaufnahme in die Deutsche Nationalbibliothek

      © 2021 by Sujet Verlag

      Anton der Taubenzüchter

      und andere Geschichten vom Holocaust

      Autor: Bernard Gotfryd

      Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von

      Michael Lehmann

      Originalausgabe Anton the Dove Fancier and Other Tales

      from the Holocaust bei Simon and Schuster, New York 1990,

      und André Deutsch, London 1991; erweiterte Neuausgabe bei Johns Hopkins UP, Baltimore und London 2000.

      Die deutsche Übertragung enthält eine Auswahl aus beiden Ausgaben, zum Teil mit leichten Kürzungen.

      Das Autorenpoträt wurde uns freundlicherweise aus dem Privatarchiv von Howard Gotfryd zur Verfügung gestellt.

      Der Druck des Buches wurde dankenswerterweise durch Dominik Schuster aus Gauting gefördert, den langjährigen Freund von Bernard und Gina Gotfryd.

      ISBN: 978-3-96202-618-9

      Umschlaggestaltung: Jasmin Tank

      Layout: Stella Dietrich

      Druckvorstufe: Sujet Verlag, Bremen

      Printed in Europe

      1. Auflage: 2021

      www.sujet-verlag.de

       Zur Erinnerung an meine Eltern, meine Angehörigen und

       an Millionen unschuldige Opfer eines beispiellosen Genozids, 1939-1945

       Quo vadis Domine?

      Henryk Sienkiewicz

      Vorwort des Autors

      Ich wollte meine Geschichte schon vor sehr langer Zeit erzählen – tatsächlich schon vor mehr als vierzig Jahren. Ich hatte immer die Sorge, wenn ich all diese Momente nicht zu Papier brächte, würde ich sie vergessen. Doch als ich sie schließlich aufzuschreiben anfing, stellte ich fest, dass man solche Ereignisse nicht vergisst, auch nicht nach vierzig Jahren.

      Ich kann immer noch meine Mutter hören, wie sie mich wenige Stunden vor ihrem Abtransport anflehte, mir ein Versteck zu suchen und so zu überleben, um der Welt zu berichten, was die Nazis uns angetan haben. Ihre Worte haben sich mir tief eingebrannt, ich lebte mit ihnen, und ich teilte sie immer wieder mit meinen Kindern, meinen Freunden und mit allen, die gewillt waren, mir zuzuhören.

      Sehr häufig ziehen in meinen Träumen Gesichter lang schon Verstorbener an mir vorbei, und der Widerhall aus den Ghettos und Lagern erschallt in meinen Ohren.

      Weil ich den besseren Teil meines Lebens als Fotograf gearbeitet habe, bekam ich zahllose Gelegenheiten, Persönlichkeiten aus der Welt der Künste und der Literatur zu begegnen. Als sie von den Erfahrungen hörten, die ich unter den Nazis machen musste, drängten sie mich, über mein Leben zu schreiben. Es sei geradezu meine Pflicht, meine Geschichte zu erzählen. Ich schuldete sie meinem Volk.

      Die Episoden, die ich ausgewählt habe, handeln von menschlichen Wesen, einige davon nicht ohne Fehl und Tadel, einige waren gut, andere richtig böse. Wichtiger scheint mir: In allen Geschichten geht es um das Leid des menschlichen Geistes und seine Fähigkeit, es zu erdulden.

      Diebstahl eines Tisches

      Ich muss sieben gewesen sein, stand kurz vor meinem achten Geburtstag. Unweit der Stadt Radom in Polen, wo wir lebten, mieteten meine Eltern in jenem Sommer ein Häuschen, das zu einem Bauernhof gehörte; wir teilten es mit der Bauernfamilie. Unsere Hälfte besaß eine Veranda, die unser Vermieter eigens für uns gebaut hatte. Seiner Familie blieb eine große Küche, die auch als Wohnbereich diente; darüber war eine Dachkammer, wo seine Kinder schliefen.

      Herr Joseph, unser Vermieter, war ein schwer arbeitender, ruhiger Mann, dessen Schnurrbart an den von Marschall Pilsudski erinnerte, damals Oberhaupt des polnischen Staates. Herr Joseph war mittlerer Größe und gutgebaut und hatte ein rotbackiges Gesicht. Er trug nie Schuhe, auch nicht, wenn es regnete, und seine Füße waren von einer Kruste aus getrocknetem Matsch überzogen. Er machte wenig Worte, tatsächlich hörte ich ihn nie sprechen, außer wenn er um etwas bat oder mit seinen Kindern schimpfte. Seine Frau war eine große und magere freundliche Frau,