Mörder sind keine Engel: 7 Strand Krimis. Cedric Balmore

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Название Mörder sind keine Engel: 7 Strand Krimis
Автор произведения Cedric Balmore
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783956179846



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Telefon klingelte. Der Sergeant entschuldigte sich, griff nach dem Hörer und notierte, was der Anrufer ihm mitzuteilen hatte. Bount massierte sich den Schädel. Er spürte die Beule, die sich unter seiner Haardecke bildete und war mehr denn je entschlossen. Brother und Latham für dieses Ärgernis zahlen zu lassen.

      Der Sergeant legte auf. „Das haut mich um“, sagte er. „Jemand hat Jerry Winters Freund abserviert. Alec Hamish. Erschossen! Hamish ist gerade gefunden worden. Warten Sie, ich muss die Mordkommission verständigen und ein paar Männer zur Tatortsicherung in die Housman Road schicken.“

      Während der Sergeant erledigte, was die Situation erforderte, blieb Bount gelassen auf seinem Stuhl sitzen. Er war überzeugt davon, dass es sich bei Alec Hamish um den Boxertyp handelte, der Dr. Stiller in die Toilette gesperrt hatte. Wenn dies zutraf, waren inzwischen beide Zeugen – und Akteure – des Geschehens liquidiert worden, das sich um Jessica Thorpes Tod rankte.

      „Erst Winter, jetzt Hamish. was sagen Sie nun?“, seufzte der Sergeant. „Hamish war Winters tumbes, aber loyales Werkzeug. Winter war der Kopf, Hamish die Faust.“

      „Wer hat den Toten entdeckt?“ „Dinah Castle. Sie hat mich angerufen.“

      Bount stand auf. „Housman Road. sagten Sie?“

      „Nummer 23“, nickte der Sergeant „Wenn Sie sich beeilen, sind Sie noch vor der Mordkommission dort.“

      Er behielt recht, aber Bount hatte einige Mühe, den Sperrgürtel zu passieren, den die Cops um Haus und Wohnung gelegt hatten. Schließlich gelang es ihm doch, Einlass in das Mansardenapartment zu finden. Dinah Castle saß in der Küche, mit hängendem Kopf, und starrte apathisch ins Leere. Offenbar hatte sie nicht den Wunsch, das Wohnzimmer mit einem Toten zu teilen.

      Bount stellte sich vor. Dinah Castle lächelte scheu. Sie schien erleichtert zu sein, dass jemand gekommen war und dass sie mit einem Menschen sprechen konnte. Das Mädchen – eine Schwarze – war etwa fünfundzwanzig Jahre alt und gut gewachsen, aber weit davon entfernt, gut auszusehen. Ihre Nase war so platt wie die des Erschossenen, aber die großen, schokoladenbraunen Augen waren von einer stillen, sanften Qualität, die man schön nennen konnte.

      „Wie lange kannten Sie ihn?“, fragte Bount und setzte sich dem Mädchen gegenüber.

      „Drei Monate. Er war immer nett zu mir, obwohl ...“ Sie fischte nach Worten, dann sagte sie entwaffnend: „Er lebte von krummen Sachen. Ich habe das gewusst. Es war mir egal. Mir genügte, dass er mich liebte.“

      „Kannten Sie Jerry Winter, seinen Freund?“

      „Sicher. Ein Mistkerl. Er hat sich über Alec lustig gemacht, und über mich. Alec wollte das nicht wahrhaben. Für ihn war Jerry der große Boss, der Unfehlbare. Es ist wirklich zum Lachen!“

      „Jerry war nicht ganz unfehlbar. Wäre er das gewesen, würde er noch leben. Jemand hat ihn mitsamt seinem Wagen hochgehen lassen. Er ist tot.“

      „Gerechter Himmel!“, hauchte das Mädchen.

      „Wann haben Sie zuletzt mit Alec gesprochen?“

      „Gestern. Wir waren erst im Kino, dann bei mir. Er sagte, dass er mit Jerry ein tolles Ding drehen würde – aber ich konnte nicht herausbekommen, was sie vorhatten.“

      „Sagte er, für wen er arbeitete?“

      „Er war nur Jerrys Handlanger, fürchte ich“, meinte das Mädchen bitter. „Jerry nahm die Aufträge an und bestimmte, was Alec zu tun hatte. Meistens war es die Dreckarbeit. Alec war damit zufrieden. Er war stolz darauf, von Jerry als Partner akzeptiert zu werden.“

      „Heute war eine Klientin in meinem Office, die sich zu Recht an Leib und Leben bedroht fühlte. Ehe sie sich richtig aussprechen konnte, schluckte sie eine Beruhigungstablette. Diese Tablette war giftig. Die Klientin starb vor meinen Augen. Der sofort herbeigerufene Arzt stellte sich als Dr. Williams vor – aber es war Jerry Winter. Jerry hat gewusst, dass die junge Frau Beruhigungsmittel schluckte, und er hat offenbar fest damit gerechnet, dass sie dies auch in meinem Office tun würde. Jerry hat auch vorausgesehen, dass ich den einzigen Arzt alarmieren würde, der im Hause praktiziert – und Jerry hat schließlich mit Alecs Hilfe dafür gesorgt, dass dieser Arzt, Dr. Stiller, auf dem Wege zu mir gestoppt wurde. Jetzt sind Jerry und Alec so tot wie meine Klientin. Ich muss herausfinden, was dahintersteckt. Wer hat Jerry und Alec bezahlt?“

      „Ich weiß es nicht.“

      „Denken Sie nach“, drängte Bount. „War Alec in letzter Zeit gut bei Kasse?“

      „An Geld hatte er niemals Mangel.“

      „Sagt Ihnen der Name Correggio etwas?“

      „Sicher. Ein Gangsterboss. Jerry durfte manchmal mit ihm pokern. Das hat Alec schrecklich imponiert.“

      „Jerry arbeitete also für Correggio?“

      „Kann schon sein, aber ich bezweifle es. Jerry war sein eigener Boss.“

      „Versuchen Sie sich zu erinnern. An Gespräche. An Telefonate, die Alec führte. Vielleicht fallen Ihnen Namen und Adressen ein. mit denen Sie nichts beginnen konnten ...“

      Dinah Castle biss sich auf die Unterlippe. Ihre großen, dunklen Augen schienen noch sanfter zu werden, als sie bereits waren, sie reflektierten eine seltsame Mischung von Nachgiebigkeit und Angst. „Vielleicht habe ich einen Fehler begangen ...“, murmelte sie. „Vielleicht begehe ich jetzt einen zweiten.“

      „Nämlich??'

      Das Mädchen öffnete eine Handtasche aus Krokolederimitat und entnahm ihr ein Farbfoto. Es zeigte das Bild einer jungen, strahlendschönen Frau. Sie war blond und lächelte aus langbewimperten, grünschimmernden Augen dem Betrachter geradewegs ins Gesicht. Der etwas verschwommene Hintergrund zeigte den Teil eines Hausaufganges und, ebenfalls abgeschnitten, eine Hausnummer: 1. Dahinter konnten noch ein oder zwei Ziffern stehen. Bount sah das Gesicht zum ersten Mal. „Wer ist das?“, fragte er und warf einen Blick auf die Rückseite des Fotos. Dort befand sich ein Nummernstempel, sonst nichts.

      „Ich habe keine Ahnung“, erwiderte Dinah Castle. „Es steckte in Alecs Brusttasche. Es muss sich bei seinem tödlichen Sturz hochgeschoben haben, jedenfalls ragte es zu einem Drittel über den Taschenrand hinweg. Ich sah, dass es ein Foto war und zog es aus dem Jackett, fast gegen meinen Willen, ganz mechanisch.“ Sie schluckte. „Ich weiß, dass ich das nicht hätte tun dürfen“, fügte sie hinzu, „aber nun ist es passiert. Ansonsten habe ich nichts angefasst, mein Wort darauf!“

      „Kennen Sie das abgebildete Mädchen?“

      „Nein.“

      Bount schob die Unterlippe nach vorn. „Nicht gerade Alecs Typ, was?“

      „Stimmt“, sagte Dinah Castle. „Die gehört zur High Society, das sieht man.“

      Bount gab dem Mädchen das Bild zurück. „Sie müssen das Foto der Polizei überlassen“, sagte er.

      Sofort nach dem Gespräch fuhr er zum Battery Park. Er stellte seinen Wagen unweit der City Hall ab und bummelte dann durch die schmale, vornehme Straße, wobei er sich präzise an den verschwommenen Bildhintergrund des Fotos erinnerte, auf dem das blonde, grünäugige Mädchen zu sehen gewesen war.

      Er stoppte vor dem Haus Nummer 11. Die Portaleinfassung war identisch mit derjenigen auf dem Farbfoto. Bount trat näher und bewegte dabei unwillkürlich die Nasenflügel. Er war wieder einmal fündig geworden, aber wenn er Pech hatte, würde es ihm wie mit den anderen ‚Erfolgen' dieses Tages ergehen – sie würden sich vor seinen Augen in ein Nichts auflösen oder zum Bumerang entwickeln.

      Das blankgeputzte Messingschild trug den Namen Neal Finch. Bount zögerte, als er klingelte. Niemand öffnete. Bount wiederholte das Klingeln.

      Endlich ertönten Schritte. Sie kamen zum Stillstand, über der Tür flammte eine Lampe auf. „Sie wünschen?“, ertönte es aus dem Inneren. Die Stimme war weiblich, samtig und angenehm,