Seewölfe Paket 28. Roy Palmer

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Название Seewölfe Paket 28
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954399963



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dem Klang der Schritte nach zu urteilen, befanden sich die Wachen weiter vorn, auf dem Hauptdeck.

      Alle äußeren Voraussetzungen waren hervorragend und günstig. Jetzt hieß es nur noch, die eigene Energie und die eigene Willenskraft so zielstrebig einzusetzen, daß eine Gegenwehr von vornherein zum Scheitern verurteilt war.

      Philip Hasard Killigrew legte den Federkiel beiseite und verschloß das Tintenfaß mit dem Korken. Er überflog noch einmal die Zeilen, die er zu Papier gebracht hatte. Und er versuchte, sich vorzustellen, wie auf einen Außenstehenden die Begründung dafür klingen mochte, daß sie in etwas hoffnungslos Ungewisses vorstießen.

      Abwegig.

      Welcher Außenstehende vermochte sich überhaupt vorzustellen, was eine Crew wie die Arwenacks bewegte? Wer war imstande, einzuschätzen, woher diese Männer ihre Kraft nahmen? Die Kraft beispielsweise, mitten in die Hölle zu segeln, um dem Gehörnten nur mal eben auf den Pferdefuß zu treten.

      Die Männer der „Santa Barbara“ und zuvor der „Isabella“ hatten mehr als tausendfach bewiesen, daß sie den Teufel ebensowenig fürchteten wie alle anderen Gefahren dieser Welt.

      Was bedeutete es – gemessen daran – schon, einmal eine unbekannte Schiffahrtsroute zu erforschen?

      Etwas wie ein Windstoß fuhr in die Kapitänskammer.

      Der Seewolf schnellte von seinem Stuhl hoch. Nur sein Instinkt reagierte. Für Gedanken war keine Zeit.

      In dem Moment, in dem er herumruckte, war es wie eine graue Masse, die auf ihn zustieß.

      Dem Seewolf blieb nur noch Zeit, in Abwehrstellung zu gehen. Der Cutlass und der Radschloßdrehling lagen unerreichbar weit auf dem Schapp. Nur seine Fäuste blieben ihm.

      Die huschenden Kerle wichen auseinander und schlossen ihn ein. Fünf Mann. Einer hielt das Schott, damit es kein Geräusch verursachte. Die Lautlosigkeit der Kerle war verblüffend.

      Den ersten, der zuschlagen wollte, trieb Hasard mit zwei gnadenlos harten Fausthieben von sich. Der Mann war wie eine Katze. Er schrie nicht, er stolperte nicht, und er riß keinen Gegenstand um, der ein Poltern verursacht hätte. Selbst unter Schmerzen war jede seiner Bewegungen noch genau berechnet.

      Noch einen Atemzug lang schaffte es der Seewolf, die jetzt um so heftiger nachdrängenden Kerle auf Distanz zu halten. In der Sekunde, in der er losbrüllen wollte, um Alarm zu geben, war es zu spät.

      Ihn traf ein Hieb, der alles auslöschte. Es war wie eine Explosion auf seinem Hinterkopf.

      Der Blitz dieser scheinbaren Explosion versiegte in der Schwärze der Bewußtlosigkeit.

      Hasard spürte nicht mehr, wie seine Gegner sofort zupackten, damit er nicht zu Boden schlug. Er konnte auch nicht über ihre Geschicklichkeit staunen, als sie ihn auf die Heckgalerie trugen, um ihn dann mit Schlingen an Hand- und Fußgelenken an die Ankertrosse zu hängen und abwärts rutschen zu lassen.

      Es spielte sich innerhalb von drei Minuten ab. Der Nebel verschluckte die Entführer. Als sie sich wieder lautlos in die Riemen legten und dabei scharf horchten, waren sie ihrer Sache bereits sicher.

      Kein Laut drang aus der trübgrauen Wand, hinter der das Schiff nun erneut verborgen lag. Niemand hatte also das Verschwinden des Kapitäns bemerkt.

      2.

      Der Seewolf erwachte in einem Toben von Gewalten.

      Da dröhnte und hämmerte und schrillte es, und all das hatte sich als Schauplatz seinen Kopf ausgesucht. Er brauchte elend lange, bis er es überhaupt schaffte, die Augen ein wenig zu öffnen. Sofort verstärkte sich das Inferno in seinem Kopf, und er schloß die Augen wieder. Er hatte nichts sehen können. Er konnte nichts hören. Aber er spürte, daß der Untergrund, auf dem er lag, sich bewegte.

      Nur quälend langsam ließ das Tosen unter seiner Schädeldecke nach. Die Kraft seiner Sinne kehrte zurück. Ohne daß er schon riskierte, die Augen zu öffnen, stellte er fest, daß er sich in einem Boot befand. Er vernahm das leise Rauschen des Wassers unter dem Rumpf und das kaum hörbare Knarren der Riemen in den Dollen. Nichts vom Eintauchen der Blätter, kein Wort, geschweige denn ein Schnaufen von den Kerlen auf den Duchten.

      Hasard mußte erkennen, daß sie eine Menge von ihrem hinterhältigen Fach verstanden.

      Er öffnete die Augen. Diesmal war es weniger schmerzhaft. Mit seiner Willensstärke besiegte er das Rumoren in seinem Kopf und zwang es auf ein unbedeutendes Minimum zurück.

      Jetzt nahm er die volle, niederschmetternde Wirklichkeit wahr.

      Sie hatten ihn gefesselt und geknebelt. Er lag im Bugdreieck auf den Bodenplanken einer Jolle. Nur die Rücken der in Grau gekleideten Kerle sah er vor sich. Sie kümmerten sich nicht um ihn, sahen sich nicht einmal in Abständen nach ihm um. Also waren sie davon überzeugt, daß er keine Chance hatte, sich zu befreien.

      Er prüfte seine Fesseln. Wenn es ihm gelang, sie unauffällig abzustreifen, konnte er sich über Bord rollen, tauchen, Distanz gewinnen und außer Sichtweite wieder auftauchen. Für ein solches Vorhaben war der Nebel mehr als günstig. Sicherlich hatten sich die Kerle noch nicht übermäßig weit von der „Santa Barbara“ entfernt.

      Bei der spiegelglatten See war es leicht möglich, die Galeone schwimmend zu erreichen. Vielleicht in einem Zickzackkurs, um die Halunken im Boot irrezuführen. Und Alarmrufe – im Nebel weit zu hören – würden die Arwenacks frühzeitig eingreifen lassen.

      Doch die Sache hatte ihre Schwierigkeiten.

      Punkt eins: Wie sollte er sich in der grauen Suppe orientieren?

      Punkt zwei ergab sich beim Überprüfen der Fesseln. Ausgeschlossen, sie zu lösen. Die Kerle hatten Schnüre aus Rohleder verwendet. Nur die vorderen Glieder seiner Finger konnte er bewegen. Damit schaffte er es nicht, die straff verknoteten Schnüre auch nur auseinanderzuziehen.

      Hoffnungslos.

      Auf die Fluchtchance, wenn es sie denn geben sollte, mußte er noch warten.

      Die Orientierung fiel den Entführern des Seewolfs allem Anschein nach leicht. Kursgenau erreichten sie eine Flußmündung. Daß es sich um eine Mündung handelte, ließ sich im Nebel nur an den dunklen Linien der Uferzonen erkennen. Dann aber steuerten die Graugekleideten eine kleine Bucht im Mündungsbereich an. Sie zogen das Boot auf den schmalen Strand.

      Hasard hörte sie zum erstenmal reden.

      Türkisch.

      Sie beachteten ihn nicht und ließen ihn, wo er war, während sie sich selbst mit mitgebrachtem Proviant versorgten. Ihr Gespräch drehte sich einzig und allein um den gelungenen Raid. Wieder einmal, so brüsteten sie sich, machten sie dem guten Namen, den sie bei ihrem Anführer hatten, alle Ehre.

      Üzürgül würde zufrieden sein. Ja, vielleicht würde er ihnen sogar eine besondere Belohnung zuteilen. Es war ihr dritter erfolgreicher Fischzug innerhalb eines Monats. Und der Fisch, den sie diesmal gefangen hatten, sah ganz nach einer lohnenden Beute aus.

      Der Seewolf fing an zu begreifen.

      Üzürgül mußte der Oberhalunke sein, der sich diese besondere Methode ausgedacht hatte. Sie lauerten auf die in diesen Breiten besonders häufigen Nebelfelder. Dabei nutzten sie jeweils zuvor die noch ausreichende Sichtweite, um lohnende Objekte zu orten. Dann schlichen sie sich mit ihrem Boot heran, um den Kapitän oder einen Offizier zu entführen.

      Üzürgül und seine Galgenstricke waren vermutlich die Spreu, die sich irgendwann, vor Jahren, vom Weizen getrennt hatte. Denn Hasard wußte, daß sich türkische Eroberer um 1550 den Hedschas, das nördliche Arabien und die Golfküste bis hinunter nach Quatar unterworfen hatten. Möglich, daß es sich bei diesen Küstenpiraten um Deserteure handelte, die ihr eigenes Süppchen kochten.

      Auf jeden Fall ahnten sie nicht, daß der Seewolf ihre Sprache einigermaßen beherrschte.

      So erfuhr er, daß sie in ihrem Schlupfwinkel auch