Seewölfe Paket 14. Roy Palmer

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Название Seewölfe Paket 14
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954397723



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selbst die schwersten Vorwürfe. Du hättest den verdammten Haken allein herausfischen sollen, sagte er sich, ohne Marten. Sicher, er hat seinen Tod durch seine eigene Ungeschicklichkeit herbeigeführt, doch er könnte noch leben, wenn du klüger vorgegangen wärst.

      Er hütete sich jedoch, dies laut zu äußern, denn seine Selbstbeschuldigungen wären nur Wasser auf Reuters Mühlen gewesen.

      8.

      Am 23. Mai erreichten die Seewölfe mit ihren beiden Booten und den beiden Kamelen nun endlich den Delta-Arm des Nils, der zum Mensaleh-See floß.

      Hasard ließ eine Pause einlegen und sagte: „Wir können jetzt auf die Tiere verzichten, da wir die Schubkraft des Stromes haben, die uns weiterbringt.“

      „Na, das ist ja großartig“, sagte Dan O’Flynn und kletterte aus dem Sattel des Kamels, das vorher von Luke Morgan geritten worden war. Batuti, der zu diesem Zeitpunkt das zweite Tier führte, folgte seinem Beispiel. Beide lösten sie die Schlepptaue, dann gaben sie den Vierbeinern noch einen freundschaftlichen Klaps auf die Hinterhand und entließen sie in die Wüste.

      „Jetzt kann sich Freund John endlich um seine Else kümmern!“ rief Luke vom Boot aus, und die anderen begannen zu lachen.

      Dan und Batuti stiegen in Hasards Jolle. Die Segel wurden wieder gesetzt, und es ging nordostwärts bei einer leichten Brise, die von Norden wehte.

      Bald veränderte sich das Bild der Landschaft. Sie segelten durch Schilf- und Papyrusdickichte, und aus der leicht dampfenden Feuchtigkeit der Sümpfe stiegen lärmend Enten, Pelikane, Reiher, Gänse, Schwäne und jede Menge kleinerer Wasservögel auf – Teichhühner, Uferschnepfen, Rohrdommeln und was es sonst noch alles gab.

      „Hier ist Leben“, sagte Old O’Flynn zufrieden. „Und hier lacht das Herz des Jägers. Wie wäre es, wenn wir unseren Proviant ein wenig auffrischen würden?“

      „Lieber nicht“, sagte Ben Brighton und wies auf das längliche Etwas, das unweit von der Jolle an Backbord vorbeitrieb. Auf den ersten Blick hätte man es wohl für einen morschen, halb verfaulten Baumstamm halten können, doch das war die übliche Täuschung, der man immer wieder erlag.

      In Wirklichkeit handelte es sich um ein ausgewachsenes Krokodil, das plötzlich zu beängstigenden Aktivitäten erwachte. Es riß sein Maul auf und zeigte die furchteinflößenden Zähne, schlug mit dem Schwanz, daß das Wasser nur so spritzte, und verschwand dann plötzlich unter der Oberfläche.

      „Aufpassen!“ rief Hasard. „Vielleicht greift der Bursche uns an!“

      Schon hatten die Männer ihre Musketen und Tromblons bereit und warteten mit entschlossenen Mienen auf die Großechse, die offenbar unter den Booten hindurchtauchte.

      Das war auch tatsächlich der Fall, doch das Krokodil traf keinerlei Anstalten, allen Ernstes auf die Jollen und ihre Insassen loszugehen. Es tauchte in einiger Entfernung wieder auf und schwamm träge davon.

      Aus dem Ufergestrüpp schoben sich jedoch immer neue Körper ins Wasser und umlauerten die Boote – häßliche Schuppenleiber mit platten Köpfen und heimtückisch funkelnden Augen. Old O’Flynn sah zu einem der Krokodile hinüber. Es war ihm so, als grinse dieses ihn an.

      „Warte nur“, sagte er mit gallebitterer Miene. „Schwimm noch ein Stück näher ran, dann kriegst du von mir eins auf den Pelz gebraten.“ Er hatte seine Muskete inzwischen mit grobem Schrot geladen.

      Arwenack ging vorsichtshalber bei Batuti und Dan O’Flynn in Sicherheit. Die Krokodile waren seine natürlichen Feinde. Sir John war da frecher: Er kreiste unablässig über den Biestern und beschimpfte sie mit den übelsten Ausdrücken.

      Hasard und seine Männer behielten die Krokodile im Auge, denn die Tiere waren unberechenbar und konnten irgendwann vielleicht doch angreifen.

      Noch eine andere Gefahr gab es auf diesem Seitenarm des Nils, wenn sie auch ganz anderer Natur war: Sehr leicht konnte man sich verirren und in einen der vielen winzigen Nebenflüsse oder Nebenarme geraten, die alle plötzlich irgendwo zu Ende waren und keinen Ausgang hatten – wie Sackgassen im düsteren Viertel irgendeines Hafens.

      Das Schilf versperrte ihnen den Ausblick, es war nicht leicht, sich zu orientieren. Man konnte im Papyrus steckenbleiben, überall waren Untiefen, und in dieser Region war es nun nicht mehr so problemlos wie im Kanal der Pharaonen, ins Wasser zu steigen und die Jollen wieder flottzukriegen. Hier lauerten außer den Krokodilen Blutegel, Zitteraale, giftige Rochen und andere Plagegeister, von den durch winzige Erreger übertragenen Krankheiten ganz zu schweigen. Das Schreckgespenst Sumpffieber zog am Himmel auf und war den Männern stets gegenwärtig.

      Nein, ein Genuß war auch dieser Teil der Fahrt nicht, ganz im Gegenteil. Schon bald erschienen die Stechmücken, wie erwartet, sie traten in säulenförmigen Wolken auf, die über den Sümpfen tanzten und sich unaufhaltsam den Booten näherten. Der Geruch des schwarzen Morastes stieg den Männern und den beiden Jungen unangenehm in die Nase, es war schwül und stickig. Der Schweiß trat ihnen aus allen Poren, und bald waren ihre Gesichter und Oberkörper von Stichen übersät.

      „Kratzt euch bloß nicht“, sagte der Kutscher. „Dadurch verschlimmert ihr es nur noch.“

      „Du Schlauberger“, sagte Carberry wütend. „Glaubst du denn, das wissen wir nicht?“

      „Whisky oder Brandy wären das richtige zum Einreiben“, meinte Blacky.

      „Ja“, sagte der Seewolf und grinste schwach. „Das könnte dir so passen, wie? Kutscher, achte mir bloß auf unsere Vorräte.“

      So verging auch dieser Tag. In der Nacht ankerten sie im Fluß, und jeweils zwei Wachen lösten sich im vierstündigen Turnus in den Booten ab. Am nächsten Tag wurden wieder die Segel gesetzt, die Fahrt ging weiter.

      Nur langsam verstrichen die Stunden, und auch jetzt gab es keine Ruhe vor den Störenfrieden und Plagegeistern der Sümpfe. Einmal gerieten sie in einen der Nebenarme und verzettelten sich fast völlig, aber Hasard behielt die Ruhe und Übersicht und ließ gerade noch rechtzeitig wieder umkehren.

      Wieder eine Nacht, und dann folgte ein neuer Tag. An diesem Vormittag passierten sie eine kleine Siedlung, die am westlichen Ufer des Flusses lag und halb verfallen wirkte. Ein paar Gestalten krochen aus den Hütten hervor, traten ans Ufer und schickten finstere und feindliche Blicke zu den Booten hinüber.

      „Was sind das für Kerle?“ fragte Ferris Tucker. „Fellachen? Wo bestellen die denn hier ihr Land? Im Moor vielleicht?“

      „Das weiß ich nicht“, erwiderte der Seewolf. „Ich habe aber den leisen Verdacht, daß es sich bei diesem Dorf um Bubastis handelt.“

      „Bubastis?“ Jetzt wurde Old Donegal Daniel O’Flynn aufmerksam. Er richtete sich hoch auf seiner Ducht auf. „Hölle und Teufel, über dieses Nest gibt es die wildesten Legenden. Da ist nichts geheuer, da soll es Nachtmahre und blutsaugende Ungeheuer geben.“

      „Schon gut“, sagte Hasard. „Diese Geschichten sind uns ja hinlänglich bekannt. Ich habe auch nicht vor, hier anzulegen. Proviant haben wir noch genug, Trinkwasser auch, stimmt’s, Kutscher?“

      „Stimmt genau“, antwortete sein Koch und Feldscher. „Damit schaffen wir es noch spielend bis zum See und nach Damiette.“

      „Dann also weiter“, sagte Hasard, versäumte aber nicht, noch einen prüfenden Blick zur Siedlung zu werfen.

      Dort hatten sich etwa zwanzig Männer an den primitiven Bootsstegen versammelt, die ins Wasser ragten. Ein paar schalenförmige Fahrzeuge lagen im Fluß, ihre Masten bewegten sich leicht hin und her.

      „Da wird zum Aufbruch gerüstet, wenn mich nicht alles täuscht“, sagte er.

      „Sie sollen ruhig anrücken!“ rief Ben Brighton von der Achterducht seines Bootes aus. „Wir bereiten ihnen einen heißen Empfang und reißen ihnen ihre Drachenköpfe ab! Nicht wahr, Donegal?“

      „Spotte du man“, brummte der Alte.