Seewölfe - Piraten der Weltmeere 156. Davis J.Harbord

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 156
Автор произведения Davis J.Harbord
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954394807



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ist barbarisch!“

      Carberry betrachtete seine beiden Hände, wölbte sie und ließ sie zu Fäusten werden. Er tat das sehr langsam und sehr bedächtig und sehr genüßlich. Eine offene Hand ist etwas Friedliches. Geballt wirkt sie bedrohlich. Des Profos’ Fäuste indes waren weit mehr als bedrohlich – bedrohlich, das wäre eine Verniedlichung gewesen. Diese Dinger Carberrys hätte man getrost aus Neunpfünder-Culverinen abfeuern können. Mauerbrecher waren das.

      Carberry hob den Kopf wieder und blickte den Kutscher stumm an. Kein Wort sagte er, dieser Carberry. Aber seine Augen sagten etwas – und seine Neunpfünder-Fäuste.

      Und darum sagte der Kutscher sehr schnell: „Alles klar, Mister Carberry, habe verstanden, aye, aye, Sir.“

      Carberry nickte und blieb weiter stumm, als er sich zu Hasard junior und Philip junior umdrehte. Er brauchte auch nichts mehr zu sagen – die beiden schrubbten bereits das Deck der Kuhl.

      Und wie!

      Als die wachfreie Crew im Vordeck Mehlklöße und süße Backpflaumen verspeiste, schrubbten sie immer noch. Da sie dabei intensiv auf die Planken starrten, konnten sie nicht sehen, wie Edwin Carberry grinste. Und auf dem Achterdeck hatte Philip Hasard Killigrew eine Menge Mühe, ernst zu bleiben.

      2.

      Um 14.30 Uhr lag die „Isabella“ Sheerness über Backbordbug an und wendete in Sichtweite des Hafens auf den anderen Bug, um noch einen letzten Schlag in die Mündung nach Nordwesten zu segeln. Dann würde es verdammt knapp mit dem Kreuzen werden, aber zu diesem Zeitpunkt würde die Tide umkippen und die Flut einsetzen.

      14.35 Uhr aber brüllte Bill, der Moses, der im Großmars Ausguck ging: „Backbord querab drei Kriegsgaleonen!“

      Hasards Kopf flog herum, ebenso die Köpfe aller an Deck befindlichen Männer.

      „Mann, sind das Brocken!“ sagte Smoky ehrfürchtig.

      Ja, das waren sie wirklich, und als sie plötzlich aus dem Raumschotskurs heraus einer nach dem anderen anluvten und auf Parallelkurs zur „Isabella“ gingen, zeigten sie ihre Steuerbordseite, und die sah nun alles andere als freundlich aus.

      Sie waren gefechtsklar, diese drei Kriegsgaleonen, und hatten allerlei zu bieten, vor allem der Koloß, der als zweiter in der Kiellinie segelte.

      Hasard schätzte ihn auf über tausend Tonnen. Wenn er richtig gezählt hatte, war dessen Steuerbordbreitseite mit zweiundzwanzig Kanonen bestückt – etwa 34pfündern. Dagegen nahmen sich die je acht 17-pfünder-Culverinen – auch wenn sie Langrohre waren – auf der Backbord- und Steuerbordbreitseite der „Isabella“ geradezu lachhaft aus.

      Ja, sie zeigten, was sie hatten. Die Geschützpforten waren geöffnet. Die Rohre ragten aus den Luken wie Zähne eines Raubtiers, bereit, zuzuschnappen.

      Big Old Shane, der ehemalige Waffenmeister und Schmied von Arwenack, war neben Hasard getreten. Der Riese mit dem verwitterten Granitgesicht grinste schwach.

      „Halten die uns für verdammte Dons, oder was?“ brummte er. „Der in der Mitte hat zweiundzwanzig Rohre, der vorn siebzehn, und der achtern segelt, präsentiert uns nur mal eben zwanzig von diesen überschweren Krachern. Summa summarum: neunundfünfzig Stücke allerübelster Sorte, von den kleineren Sächelchen gar nicht zu reden.“

      „Hm“, sagte Hasard, mehr nicht.

      „Wenn die auf einen Schlag feuern und auch treffen“, fuhr Old Shane sinnig fort, „dann können wir die Restsplitter von der ‚Isabella‘ gleich vom Himmelstor kratzen.“

      „Oder vom Eingang zur Hölle“, meinte Hasard.

      Big Old Shane blickte Hasard schief an. „Du findest das wohl witzig, wie?“

      „Ich lach mich halbtot“, sagte Hasard undeutlich. Er hatte das Spektiv vorm Auge und auf die vorderste Galeone gerichtet, die offensichtlich das Flaggschiff war. Er stutzte, und dann murmelte er: „Ach, du meine Güte, der fehlt uns gerade noch!“

      „Wer?“

      Hasard ließ das Spektiv sinken. „Charles Lord Howard von Effingham, Lordadmiral Ihrer Königlichen Majestät.“

      Big Old Shane war nicht leicht zu verblüffen. Aber jetzt sah er aus, als sei er mit dem Schädel gegen eine Burgmauer gerannt.

      „Was?“ ächzte er. „Dieser alte Knacker, dem du damals vorm Tower den Marsch geblasen und dann den goldenen Anker vor die Füße geknallt hast?“

      „Genau der“, sagte Hasard verbissen.

      „Ich hol meinen Langbogen“, sagte Big Old Shane wild.

      Hasard schüttelte den Kopf. „Sei vernünftig, Shane.“ Er schüttelte wieder den Kopf, diesmal tadelnd. „Ideen hast du – Langbogen gegen neunundfünfzig Kracher. Ich glaub, heute hast du deinen witzigen Tag.“ Er straffte sich. „Ben!“

      Ben Brighton blickte zu ihm herüber. „Sir?“

      „Wir gehen auf den anderen Bug, Ben“, sagte Hasard und spähte zu den in Luv segelnden drei Galeonen, „und zwar schneller, als wir jemals gewendet haben.“ Hasards Stimme wurde metallen. „Und dann brechen wir zwischen dem mittleren Brocken und seinem Hintermann durch. Ist das klar?“

      „Aye, aye, Sir“, Ben Brighton grinste, „völlig klar. Du willst ein bißchen Katz und Maus spielen, wie?“

      „Ha!“ sagte Big Old Shane. „Katz und Maus spielen! Seid ihr total übergeschnappt? Bei denen braucht nur ein mieser Stückmeister das Zittern zu kriegen – und schon brennen die Lunten!“

      „Engländer schießen nicht auf Engländer“, erklärte Ben Brighton.

      „Das sagst du!“ Der Riese zerrte an seinem eisgrauen Bart. Er wollte noch etwas hinzufügen, aber da fuhr Hasard dazwischen.

      „Schluß der Debatte! Klar zum Wenden!“

      „Klar zum Wenden, aye, aye!“

      Und schon nahm Carberry das Kommando auf. Längst wußten die Männer, um was es ging. Solche „Spielchen“ liebten sie, und dann packte sie der Ehrgeiz.

      Sicher, riskant war der Durchbruch durch die Kiellinie eines anderen Verbandes, aber riskant war die ganze verdammte Seefahrt, mit oder ohne Durchbruch. Und klappte es, dann war’s ein Mordsspaß, klappte es nicht, gab’s eine Vierkant-Ramming mit viel Krach und Getöse und zersplittertem Bugspriet. Als wenn das nicht auch ein Spaß wäre!

      So dachten die Seewölfe des Philip Hasard Killigrew, und die Wende, die sie hinlegten, war ein Blitzmanöver. Sie hatten sogar noch Höhe herausgeschunden, aber das besorgte Pete Ballie, der beste Rudergänger, der je auf englischen Schiffen gefahren war. Er brauchte auch nicht mit dem plumpen Kolderstock herumzumurksen, bei dem sich eine Ruderwirkung erst einstellte, wenn der Rudergänger bereits eingeschlafen war, sondern seinen Fäusten gehorchte ein Steuerrad, auf dessen geringste Veränderung die „Isabella“ wie ein empfindsames Rassepferd reagierte.

      Jetzt lag sie wieder auf Backbordbug und stob mit schäumender Bugsee auf den mittleren Koloß zu – ein Jagdhund, der auf einen Wisent oder Auerochsen zupfeilt, um ihn dort zu packen, wo er empfindlich ist, nämlich zwischen den Nüstern.

      Drüben, auf dem mittleren, schweren Brocken, standen sie wie die Ölgötzen am Schanzkleid der Steuerbordseite. Aber nicht nur da, auch bei der vorderen und der achteren Galeone.

      Hasard ließ das Spektiv über die Breitseiten wandern. Der Lordadmiral auf dem Achterdeck des Flaggschiffs hatte den Mund offen, als habe er die Absicht, zwei Klöße auf einmal zu schlucken.

      Schluck nur, dachte Hasard grimmig, und erstick dran!

      Sie reagierten nicht, wie gelähmt glotzten sie. Entweder hatten sie noch nie eine solche Blitzwende gesehen, oder die Frechheit verblüffte sie, mit der diese ranke, eher kleine Dreimast-Galeone auf das schwerste Schiff ihres Verbandes