Briefe über den Yoga. Sri Aurobindo

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Название Briefe über den Yoga
Автор произведения Sri Aurobindo
Жанр Эзотерика
Серия
Издательство Эзотерика
Год выпуска 0
isbn 9783963870583



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in sich, die selbst die beste mentale Intuition nicht besitzt.

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      Es gibt mentale, vitale und feinstofflich-physische Intuitionen sowohl vom höheren als auch vom erleuchteten Mental.

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      Dies [die Gleichsetzung von buddhi mit vijnana und der Intuition] ist der Irrtum, der mit dem übertriebenen Intellektualismus der Philosophen und Kommentatoren entstand. Ich glaube nicht, dass buddhi die Intuition als etwas einbezieht, das sich in seiner Art vom Intellekt unterscheidet – die Intellektualisten betrachten die Intuition lediglich als rapiden Prozess intellektuellen Denkens – und sie glauben es noch immer. In der Taittirya-Upanishad ist der Sinn von vijnana sehr deutlich dargestellt – ein Wesen ist rtam, die spirituelle Wahrheit; später jedoch wurde die Gleichsetzung mit buddhi üblich.

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      Ich glaube nicht, dass sie ausdrücklich die Intuition meinen; sie betrachten buddhi als Werkzeug des Wissens und beziehen daher alles Wissen darin mit ein; und da vijnanamaya kosa die Wissenshülle ist, glauben sie, es müsse buddhi bedeuten. Ganz offensichtlich ist dies nicht der Fall. Die Beschreibung, die du anführst, bedeutet tatsächlich etwas viel Höheres als buddhi. Es ist satyam rtam brhat der Upanishad – das Wahrheitsbewusstsein des Veda.

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      Der Ausdruck „zentrales Wesen“ wird in unserem Yoga gewöhnlich für jenen Teil des Göttlichen in uns angewendet, der alles Übrige stützt und der Tod und Geburt überdauert. Dieses zentrale Wesen hat zwei Formen – über uns befindlich ist es der Jivatman, unser wahres Wesen, dessen wir uns bewusst werden sobald das höhere Selbsterkennen eintritt; darunter [in uns] ist es das seelische Wesen, das hinter Mental, Körper und Leben steht. Der Jivatman befindet sich über der Manifestation im Leben und ist ihr übergeordnet; das seelische Wesen steht hinter der Manifestation im Leben und stützt sie.

      Die natürliche Haltung des seelischen Wesens ist, sich als Kind zu fühlen, als Sohn Gottes, als bhakta; es ist Teil des Göttlichen, essentiell eins mit Ihm, doch in der Dynamik der Schöpfung, ja sogar in der Identität, besteht immer die Verschiedenheit. Im Gegensatz hierzu lebt der Jivatman im Essentiellen und kann in der Identität mit dem Göttlichen aufgehen; doch auch er sieht sich, wenn er über der Dynamik der Schöpfung steht, als ein Zentrum des vielfältigen Göttlichen und nicht als Parameshvara. Es ist wichtig, diesen Unterschied zu erkennen; denn wenn der geringste vitale Egoismus vorhanden ist, besteht die Gefahr, sich als Avatar zu betrachten oder sein Gleichgewicht zu verlieren, wie Hridaya bei Ramakrishna.

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      Im Sanskrit hat das Wort Jiva zwei Bedeutungen; einmal „lebende Geschöpfe“ und zum anderen individualisierter Spirit, der das lebende Wesen in seiner Evolution von Geburt zu Geburt aufrechterhält. In diesem letzteren Sinn lautet der volle Ausdruck Jivatman – der Atman, der Spirit oder das ewige Selbst des lebenden Wesens. In der Gita wird von ihm bildlich als von einem „ewigen Teil des Göttlichen“ gesprochen, doch ist das Wort Zersplitterung, das du gebrauchst, übertrieben; man könnte es für die Formen anwenden, doch nicht für den Spirit in ihnen. Zudem ist das vielfältige Göttliche eine ewige Wirklichkeit. die dieser Schöpfung hier vorangeht. Eine genaue Beschreibung des Jivatman wäre diese: „Das vielfältige Göttliche, das als individualisiertes Selbst oder als individualisierter Spirit des erschaffenen Wesens hier manifestiert ist“. Der Jivatman in seiner Essenz verändert oder entwickelt sich nicht. Er steht über der Evolution der Person; innerhalb der Evolution wird er durch das sich entfaltende seelische Wesen dargestellt, das die ganze übrige Natur stützt.

      Der Advaita Vedanta (Monismus) erklärt, dass der Jiva kein wirkliches Dasein besitze, da das Göttliche unteilbar sei. Eine andere [philosophische] Richtung schreibt dem Jiva ein reales, doch kein unabhängiges Dasein zu;er ist, so sagen sie, essentiell eins mit dem Göttlichen, verschieden in der Manifestation doch da diese Manifestation wirklich und ewig und keine Illusion ist, kann er nicht unwirklich genannt werden. Die dualistischen Schulen betrachten den Jiva als eine unabhängige Kategorie und bestehen auf der Trinität Gottes, der Seele und der Natur.

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      Der Jivatman ist nicht das seelische Wesen; wir betrachten den Sanskritausdruck caitya purusa als gleichbedeutend mit dem seelischen Wesen. Jivatman ist das individuelle Selbst, das zentrale Wesen.

      Das zentrale Wesen ist das, was nicht geboren wird, sich nicht entfaltet, doch der gesamten individuellen Schöpfung übergeordnet ist. Das seelische Wesen ist seine Spiegelung in der Schöpfung, denn das seelische Wesen befindet sich in der Evolution und stützt von innen und außen diese gesamte Evolution; es nimmt die Essenz aller Erfahrung auf und entwickelt durch sie die Persönlichkeit auf Gott hin.

      Das Selbst ist gleichzeitig eins in allem und in den vielen; eins in seiner Essenz, manifestiert es sich ebenfalls als das individuelle Selbst, das als ewiger Teil des Göttlichen in der Natur beschrieben werden kann; es ist seinem Wesen nach ein individuelles Zentrum der Manifestation, das jedoch seine Universalität ausbreitet und sich in die Transzendenz erhebt.

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      Mit Jivatman meinen wir das individuelle Selbst. Essentiell ist es ein Selbst wie alle anderen, doch in der Vielheit des Göttlichen ist es das individuelle Selbst, ein individuelles Zentrum des Universums – es erkennt alles in sich und sich in allem oder beides zugleich, je nach seinem Bewusstseinszustand oder Gesichtspunkt.

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      Das Selbst, der Atman, ist seinem Wesen nach entweder transzendent oder universal (Paratman, Atman). Sobald es sich individualisiert und zum zentralen Wesen wird, ist es der Jivatman. Der Jivatman empfindet sein Einssein mit dem Universalen und gleichzeitig sein innerstes Getrenntsein als Teil des Göttlichen.

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      Die Seele, die das zentrale Wesen verkörpert, ist ein Funke des Göttlichen, der alles individuelle Dasein in der Natur stützt; das seelische Wesen ist eine bewusste Form dieser Seele, die in der Evolution wächst, in jenem langwierigen Prozess, der zuerst das Leben in der Materie entwickelt, dann das Mental im Leben, bis sich schließlich das Mental in das Obermental und das Obermental in die supramentale Wahrheit zu entwickeln vermag. Die Seele stützt die Natur in dieser ihrer stufenweisen Evolution, doch sie ist selbst nichts von all dem.

      Diese äußere objektive und oberflächlich subjektiv erscheinende Natur, die die ganze Vielheit von Mental, Leben und Körper manifestiert, nennt man die niedere Natur, aparaprakriti. Die höchste Natur, paraprakriti, die sich dahinter verbirgt, ist die eigentliche Natur des Göttlichen, seine höchste Bewusstseinskraft, die das mannigfache Göttliche als die Vielen manifestiert. Diese Vielen als solche sind die ewigen Selbste des Höchsten in seiner höchsten Natur, paraprakriti. Hier in Bezug auf diese Welt erscheinen sie als die Jivatmas, welche die Evolution der natürlichen Geschöpfe, sarvabhutani, stützen in dem veränderlichen Werden, aus dem das Dasein des Kshara (des beweglichen oder veränderlichen) Purusha besteht. Der Jiva (oder Jivatman) und die Geschöpfe, sarvabhutani, sind nicht das gleiche. Die Jivatmas stehen in Wirklichkeit über der Schöpfung, obwohl sie an ihr teilnehmen; die natürlichen Wesen, sarvabhutani, sind die Geschöpfe der Natur. Mensch, Vogel, Tier und Reptil sind natürliche Wesen, doch das individuelle Selbst in ihnen ist nicht auch nur einen Augenblick lang charakteristisch für Mensch, Vogel, Tier oder Reptil; in seiner Evolution bleibt es durch all diese Wandlungen dasselbe, ein spirituelles Wesen, das dem Spiel der Natur zustimmt.

      Das, was sich ursprünglich und ewig im Göttlichen befindet, ist das Sein – das, was mit Hilfe der Göttlichen Macht entwickelt wird, wie Bewusstsein, Beschaffenheiten, Formen, Kräfte usw., ist das Werden. Das ewig Göttliche ist das Sein; das Universum in der Zeit und alles in ihm Sichtbare ist ein Werden. Das ewige Sein in seiner höchsten Natur, Para Prakriti, ist gleichzeitig der Eine und die Vielen; doch die ewige Vielheit des Göttlichen, wenn sie hinter den erschaffenen Geschöpfen steht, sarvabhutani, erscheint als (oder wie wir sagen, wird) der Jiva, para prakrtir jivabhuta. In der Seele hinwiederum gibt es zwei Aspekte, im Hintergrund das seelische Dasein oder die Seele und im Vordergrund jene Form der Individualität, die sie im