Briefe über den Yoga. Sri Aurobindo

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Название Briefe über den Yoga
Автор произведения Sri Aurobindo
Жанр Эзотерика
Серия
Издательство Эзотерика
Год выпуска 0
isbn 9783963870583



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des trennenden Egos, in etwas Jenseitiges ist der natürliche, der beinahe unerlässliche Weg eines derartigen Sich-Zurückziehens. In einem mehr bejahenden Yoga, welcher die Transzendenz und nicht die Abkehr sucht, gäbe es diese Unausweichlichkeit nicht, denn hier bestünde der bereits erwähnte Weg in der Selbstüberschreitung oder der Umwandlung des mentalen Wesens. Diese kann man aber auch mit Hilfe einer bestimmten nirvana-Erfahrung erlangen, einem absoluten Schweigen des Mentals, einem Aufhören seiner Tätigkeiten, Begriffsbildungen, Vorstellungen, was so vollständig sein kann, dass sowohl dem schweigenden Mental als auch den untätigen Sinnen die ganze Welt ihrer Dichte und Wirklichkeit beraubt wird und die Dinge lediglich als nicht-substantielle Formen erscheinen, ohne wirkliche Veränderung, oder aber in Etwas treibend, das ein namenloses Unendliches ist: Dieses Unendliche oder etwas jenseits davon ist Das, welches allein wirklich ist; eine absolute Ruhe, ein Frieden, eine Befreiung wären der daraus resultierende Zustand. Das Tun bestünde fort, doch würde das schweigende, befreite Bewusstsein es weder auslösen noch daran teilnehmen; eine namenlose Macht täte alles, bis das Herabkommen von oben beginnt, welches das Bewusstsein umwandelt und sein Schweigen und seine Freiheit zur Grundlage eines leuchtenden Wissens, Handelns und Ananda macht. Doch dieser Weg wäre selten; meist genügt das Schweigen des Mentals, eine Befreiung des Bewusstseins, eine Zurückweisung seines Glaubens an die endgültigen Werte oder Wahrheiten der unvollkommenen Vorstellungen oder Begriffsbildungen des Mentals, um das höhere Wirken zu ermöglichen.

      7. Nun zum kosmischen Bewusstsein und nirvana. Das kosmische Bewusstsein ist eine komplizierte Angelegenheit. Es hat zwei Seiten, einmal die Erfahrung des freien, unendlichen, schweigenden, untätigen Selbstes, eins in allem und jenseits von allem; und dann die direkte Erfahrung der kosmischen Energie und ihrer Kräfte, ihres Wirkens und ihrer Formungen; diese letztere Erfahrung ist erst dann vollständig, wenn man das Gefühl hat, mit dem Universum im Einklang zu stehen, es zu durchdringen, zu überschreiten, es zu enthalten. Bis dahin mag man direkte Kontakte, Verbindungen und Austausch mit kosmischen Kräften, Wesenheiten und Bewegungen haben, doch nicht das volle Einssein des Mentals mit dem kosmischen Mental, des Lebens mit dem kosmischen Leben, des Körpers und physischen Bewusstseins mit der kosmischen stofflichen Energie und ihrer Substanz. Und weiterhin, es kann eine Verwirklichung des Kosmischen Selbstes stattfinden, doch ohne die Verwirklichung des dynamischen, universalen Einsseins. Oder aber es kann eine dynamische Universalisierung des Bewusstseins stattfinden, ohne die Erfahrung des freien, statischen, überall gegenwärtigen Selbstes – das Inanspruchgenommensein durch die größeren Energien, das man auf diese Weise erfährt, und das Gefallen an ihnen würden jedoch ein Anhalten auf dem Weg der Befreiung bedeuten. Ebenso kann die Identifizierung oder Universalisierung auf einer bestimmten Stufe oder Ebene ausgeprägter sein als auf einer anderen, also vorwiegend mental oder vorwiegend emotional (was sich in universalem Mitleid oder in universaler Liebe ausdrücken würde) oder aber vital (in der Erfahrung universaler Lebenskräfte) oder physisch. Doch auf jeden Fall, sogar in der vollen Verwirklichung und Erfahrung, sollte es klar sein, dass dieses Kosmische Spiel letzten Endes etwas Begrenztes, Unwissendes und seiner wahren Natur nach Unvollkommenes ist. Die freie Seele kann es unberührt und unbewegt von seinen Unvollständigkeiten und seiner Wechselhaftigkeit betrachten, sie kann ein bestimmtes Werk verrichten, allen zu helfen versuchen oder ein Instrument des Göttlichen sein, doch gleichen weder die Arbeit noch die Instrumentierung in irgendeiner Weise der Vollendung oder gar dem vollen Licht, der Macht, der Seligkeit des Göttlichen. Dies könnte allein durch einen Aufstieg in höhere Seins-Ebenen erlangt werden oder durch deren Herabkommen in das eigene Bewusstsein – und wenn dies nicht wahrgenommen oder angenommen würde, bliebe immer noch die Sehnsucht nach nirvana als Fluchtweg bestehen. Der andere Weg wäre das Aufsteigen in diese höheren Ebenen nach dem Tod – die Himmel der Religionen bedeuten letzten Endes nichts anderes als ein derartiges Streben nach einem größeren, leuchtenden und glückseligen Göttlichen Dasein.

      Man könnte jedoch fragen, ob nicht sowohl die Ablehnung des Kosmischen oder die Sehnsucht nach nirvana als auch das Verlangen nach einer Göttlichen Transzendenz überflüssig wären, wenn die höheren Ebenen oder das Obermental selbst ihr Bewusstsein mit all ihrer Macht, ihrem Licht, ihrer Freiheit und Weite manifestieren und diese in ein individuelles Bewusstsein hier herabkommen würden. Doch letzten Endes würde diese Welt in ihrem Grund die gleiche bleiben, obwohl man in einem leuchtenden, weiten, freien Bewusstsein in der Einung mit dem Göttlichen lebte, das Universum in sich umarmend, obwohl man ein Kanal für große Energien oder Schöpfungen spiritueller oder äußerlicher Art wäre; es bestünde ein Abgrund der Verschiedenheit zwischen dem inneren Spirit und seinem Träger und Stoff, auf die er einwirkt, sowie zwischen dem inneren Bewusstsein und der Welt, in der er tätig ist. Die innere, subjektive, individuelle Vollendung würde vollkommen sein, ihr dynamisches Ergebnis wäre jedoch ungenügend, unharmonisch, ein Gemisch und nicht der vollendete Einklang des Inneren mit dem Äußeren, jener neue integrale Lebensrhythmus hier, der wahrhaft göttlich genannt werden könnte. Einzig ein Bewusstsein wie das supramentale, absolut und in vollkommenem Einssein mit seinem Ursprung, ein Wahrheits-Bewusstseins, das mit der Macht versehen ist, seine eigenen, freien Bestimmungen zu schaffen, könnte eine vollendete Harmonie und den Rhythmus der höheren Hemisphäre auf dieser niedersten Stufe der niederen Hemisphäre errichten. Ob dies geschieht oder nicht, hängt vom Sinn des evolutionären Daseins ab; es hängt davon ab, ob dieses Dasein seiner wahren Natur nach unvollkommen und zum Scheitern verurteilt ist; in diesem Fall wäre der letzte Ausweg der Seele, die diesem sinnlosen Universum entflieht, entweder ein negativer Weg der Transzendenz mit Hilfe einer Art nirvana oder ein positiver Weg der Transzendenz durch das Aufbrechen des leuchtenden Schirms des Obermentals, hiranmaya patra, in etwas, das sich darüber befindet; außer man würde tatsächlich wie der Amitabha Buddha durch das Mitleid oder den inneren Göttlichen Willen zurückgehalten, um den nach oben zum Licht gerichteten Kampf derjenigen, die sich hier noch in der Dunkelheit der Unwissenheit befinden, zu unterstützen und daran teilzunehmen. Ist dagegen diese Welt eine lila, ein Spiel der spirituellen Involution und Evolution, in der eine Macht nach der anderen bis hin zur höchsten erscheinen muss – so wie bereits Materie, Leben und Mental aus dem scheinbar unbestimmbaren Unbewussten erschienen sind –, dann ist ein anderer Höhepunkt möglich.

      Das Verlangen nach nirvana wird durch zwei auslösende Kräfte hervorgerufen. Die eine ist die Erfahrung der Unvollkommenheit, der Sorge, des Todes und des Leidens dieser Welt – das ursprüngliche Motiv des Buddha. Nirvana jedoch wäre, um diesem Elend zu entkommen, nicht unbedingt erforderlich, wenn es höhere Welten gibt, in die man aufsteigen kann und die ohne diese Unvollkommenheit und Sorge, diesen Tod und dieses Leiden sind. Doch gegen diese andere Möglichkeit des Entkommens spricht die Vorstellung, dass auch diese höheren Welten vergänglich und ein Teil der Unwissenheit sind, dass man immer wieder hierher zurückkehren muss, bis man die Unwissenheit überwunden hat, und dass Wirklichkeit und kosmisches Leben wie Wahrheit und Falschheit sind, einander entgegengerichtet und unvereinbar. Und damit kommen wir zur zweiten auslösenden Kraft, der des Rufes nach der Transzendenz. Wenn das Transzendente nicht nur überkosmisch, sondern auch eine ferne Unerreichbarkeit, avyavaharyam, ist, die man allein durch die Verneinung von allem Hiesigen zu erreichen vermag, dann ist eine Art nirvana, ja sogar ein absolutes nirvana unvermeidlich. Wenn andererseits das Göttliche transzendent, jedoch nicht unerreichbar ist, wird der Ruf fortbestehen und die Seele das bunte kosmische Spiel verlassen um der Glückseligkeit eines transzendenten Daseins willen; doch ein absolutes nirvana wäre dann nicht unerlässlich; eine glückselige Einung mit dem Göttlichen würde sich dem Suchenden als Weg anbieten. Das ist der Grund, warum das kosmische Bewusstsein nicht genug und der Drang, sich davon abzuwenden, so stark ist – erst dann, wenn man das goldene Lid des Obermentals durchbrochen und es geöffnet hat, erst wenn man sich den dynamischen Kontakt mit dem Supramental sowie ein Herabkommen seines Lichtes und seiner Macht zum Ziel gesetzt hat, wird es anders sein.

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      Das Göttliche ist überall auf allen Ebenen des Bewusstseins, und es wird von uns auf verschiedenen Wegen und in den verschiedenen Aspekten Seines Wesens erkannt. Doch es gibt einen Höchsten, der über all diesen Wegen und Aspekten und Ebenen steht und aus dem diese hervorgehen.

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      Das Göttliche kann überall sein und ist überall, verhüllt oder halbmanifest oder im Begriff, sich zu manifestieren, auf allen Ebenen des Bewusstseins; im Supramental beginnt es, sich