Название | Nahrungsergänzung im Selbstversuch |
---|---|
Автор произведения | Lorenz Borsche |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991003267 |
Im Rohmanuskript zu meinem Zuckerbuch stand unter anderem auch dieser Satz: „Zwei Dinge will ich noch in Zukunft testen: Selen und Lithium!“ Zum Selenmangel stand dort weiterhin: „Selen gehört zu den essentiellen Mineralstoffen, mit denen wir eigentlich durch die Nahrung gut versorgt sein sollten. Sollten! Wir brauchen Selen für ganz vielerlei, zur Synthese von Eiweißbausteinen und für unser Immunsystem. Äußerlich bemerken Sie einen Selenmangel vielleicht zuerst an brüchigen Nägeln und stumpfen, dünnen Haaren – aber warum Mangel?“ Tatsächlich begannen sich damals bei mir die Brüche und Risse in den Fingernägeln zu häufen. Was vorher vielleicht einmal im Jahr oder seltener vorgekommen war, wenn ich mit einem Fingernagel hart angestoßen war, gab es jetzt im Monats- oder Wochenabstand und die Anlässe wurden immer geringfügiger. Plötzlich sahen meine Nägel so aus wie die, die man früher in TV-Zeitschriften sehen konnte: mit einem dicken schwarzen Kreuz durchgestrichene lange Nägel einer Frau mit hässlichen Bruchrändern vorne dran. Daneben war dann der perfekte Nagel abgebildet, und das Ganze war Werbung für „Dr. Beautys Gesundheitspillen“ oder so. Und ich meinte mich zu erinnern, dass diese Pillen vor allem viel Selen enthielten. Also mal das Internet befragen. Eindeutig: Selenmangel und brüchige Nägel korrelieren stark. Selentabletten sind frei verkäuflich, und Selenase XL nicht gerade die billigsten. Aber was soll’s, probieren kann man das ja mal, oder? Gesagt, getan und brav jeden Morgen meine Selentablette geschluckt. Das Ergebnis war bei mir völlig eindeutig, auch wenn es einige Wochen oder eher Monate dauerte, denn so schnell wachsen Nägel ja nicht: Die Anfälligkeit für Brüche ließ immer mehr nach, die Nägel wurden elastischer und jetzt, nachdem ich seit gut drei Jahren regelmäßig Selen zu mir nehme, kann ich mich an den letzten Nagelbruch gar nicht mehr erinnern.
Na gut. Einzelfall, oder? Zumal man, wenn man nach „Selentabletten“ sucht, auch auf Artikel stößt, die verkünden: „Nahrungsergänzungsmittel mit Selen: Hilft nicht viel – schadet im Zweifel“ (t1p.de/wwlh)1. Und zwar von der Stiftung Warentest! Genauer heißt es dort: „Nahrungsergänzungsmittel mit Selen sollen Haut und Haaren gut tun, die Zellen schützen und sogar Krankheiten verhindern. Doch wissenschaftlich belegt ist der Nutzen nicht. Tatsächlich bestätigt jetzt eine große Studienauswertung, dass zusätzliche Selen-Zufuhr nicht vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützt. Und bei übermäßiger Einnahme kann es sogar schaden.“ Ah ja. Aber mit Herz-Kreislauf hatte ich doch gar nichts am Hut? Ich hatte brüchige Nägel – und dagegen hat es klar geholfen. Und dann heißt es weiter unten: „Normale Ernährung reicht meist zur Versorgung.“ Soso. Bei mir offenbar nicht. Sie merken schon, ich bin ein bisschen überkreuz mit diesem Bericht, aber das ist ja auch klar, denn da wird dann auch noch ausdrücklich gewarnt, es könne auch schaden! Mal sehen. Die Verbraucherzentrale sagt dazu: „Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt eine Tagesmenge von 45 Mikrogramm in Nahrungsergänzungsmitteln nicht zu überschreiten. Akute Symptome einer Überdosierung (möglich ab ca. 300 Mikrogramm pro Tag) sind […]“ (t1p.de/81l0)1. Ab 300 Mikrogramm? Das ist siebenmal mehr als der Tagesbedarf. Und wie viel hat eine von meinen Tabletten? Es gibt sie in Dosen von 50, 100 und sogar 200 Mikrogramm, das sind die oben erwähnten XL. Selbst mit den stärksten (und teuersten) Tabletten kann man sich also wohl kaum vergiften. Außer man nimmt mehrere davon, wie eine Frau, die, wie die Ärztezeitung berichtet, mit 50 fast blind und dement ins Krankenhaus gekommen ist: Sie hatte jahrelang die 200er-Tabletten genommen, und ihre früheren Selenwerte waren nur knapp über der normalen Obergrenze gelegen. Dann aber hatte sie sechs Monate lang täglich sechs bis sieben Stück eingenommen. Ihr im Krankenhaus gemessener Blutwert war um das 50-Fache erhöht. Es dauerte bei totalem Selenentzug immerhin zwei Jahre, bis alle Symptome wieder verschwunden waren und sich der Blutwert normalisiert hatte. Eine Hirnatrophie aber wird ihr bleiben (t1p.de/neq2)2. Also deshalb wird gewarnt. Na gut. Aber ich gehöre auch nicht zu den Leuten, die versuchen, ein rohes Ei in der Mikrowelle zu garen, und sich über die Dampfexplosion wundern, die dann folgt und eine verdammte Schweinerei hinterlässt.
Zurück zu der Aussage, wir bekämen über die Nahrung genug Selen. Diese Feststellung ist sicher in vielen Fällen falsch, in meinem ganz besonders. Zum einen beziehen wir Selen bei normaler Ernährung vor allem aus Getreide, das heißt etwa aus dem Mehl im Brot, Kuchen etc. pp. Das Selen im Getreide kommt aus dem Boden, und die Böden in Mittel- und Nordeuropa gelten als selenarm, weil sie schon Millionen Jahre alt und entsprechend ausgewaschen sind. Die Finn*innen – dort sind die Böden noch etwas selenärmer – haben daraus ihre Schlüsse gezogen: Der Dünger, der auf die Felder ausgebracht wird, wird in Finnland mit Selen angereichert, so wie bei uns das Salz mit Jod. Bei uns passiert das nicht, deshalb ist unser Getreide und damit auch das Brot eher selenarm. Bei mir kommt noch dazu, dass ich nur noch wenig Brot esse, Kuchen schon gar nicht – kohlenhydratarme Ernährung halt, sonst nehme ich leider zu. Und relativ gesehen esse ich überhaupt wenig, denn der Kalorienverbrauch im Alter ist ein ganz anderer, als man uns immer weismachen will.
Was lesen wir immer? 2000 Kalorien (Kal = kcal) pro Tag für einen 70 Kilogramm schweren Durchschnittserwachsenen. Ja, manche gute BMI-Rechner berücksichtigen mittlerweile das Alter (t1p.de/r6xn)1, aber weniger als 1600 kcal (kcal) oder 1600 Kal (Kal = kcal; die Abkürzungen werden synonym verwendet und entsprechen jeweils 1000 calorien) habe ich auch dort für meine 65 Jahre noch nie gefunden.
Vor zwei Jahren habe ich mir den Spaß gegönnt und meinen Kalorienumsatz richtig messen lassen. Das ist ganz einfach: Man atmet eine Minute im Sitzen in eine Röhre, dann weiß der Computer, wieviel CO2 man ausgeatmet hat, und damit auch, wie viel Kalorien aus Kohlenhydraten, Eiweiß oder Fett verbrannt worden sind. Bei mir war der Grundumsatz 950 Kalorien plus 200 fürs Sitzen: 1150 Kalorien. Mehr braucht mein Körper nicht, leider. Würde ich die allgemein vorgegebenen 2000 Kalorien essen, also 850 mehr pro Tag, dann wären das 120 Gramm Körperfett pro Tag. 1,2 Kilogramm in zehn Tagen, über drei Kilo im Monat, die ich zunehmen würde. Selbst die Differenz zum altersangepassten BMI-Rechner mit 1600 kcal/Tag würde sich in nur einem Monat zu deutlich mehr als einem Kilo Gewichtszunahme addieren. Und jetzt wird mir klar, warum ich so viele ältere Menschen sehe, die sehr, sehr rundlich sind: Die essen die von früher gewohnten normalen Portionen – und brauchen doch nur noch die Hälfte davon!
Mit 16 konnte ich fünf Mahlzeiten am Tag verdrücken, gut 2500 Kalorien müssen das oft gewesen sein. Und ich war ein Spargel von 54 Kilogramm bei allerdings nur 1,69 Meter, trotzdem untergewichtig. Das hat sich mit 30 fast schlagartig geändert, jetzt wollte jedes Bierchen gleich zum Brauereigeschwür beitragen, und mit 53 war ich bei stolzen 81 Kilogramm angelangt. Deshalb die Umstellung auf Low Carb, und es hat auch wirklich geholfen. Binnen 15 Monaten war ich runter auf 66 Kilogramm, und über die letzten Jahre halte ich mich zwischen 68 und 71 Kilo, das heißt, bei meiner Größe pendele ich zwischen BMI 24,9 und 25,1. Das ist okay. Lieber wären mir die 66 Kilo und der BMI von 23, ich gebe es zu, aber dann zeigt es sich schnell im Gesicht, und man sieht gleich ein paar Jahre älter