Nahrungsergänzung im Selbstversuch. Lorenz Borsche

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Название Nahrungsergänzung im Selbstversuch
Автор произведения Lorenz Borsche
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783991003267



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nur noch einem Bar durch die Gegend rollt, kann man die Reifen nach 20 000 oder 30 000 Kilometern wegschmeißen, weil sie dann an den Rändern innen und außen total abgefahren sind. Und wenn wir vier Bar Druck draufgeben, ist es umgekehrt, die Mitte der Lauffläche wölbt sich nach außen und nutzt sich schneller ab als die Ränder des Profils. Genau deshalb kontrollieren wir den Reifendruck. Natürlich ist auch das Fahrverhalten beim Notbremsen und in schnell gefahrenen Kurven deutlich schlechter, wenn der Druck falsch ist, aber man müsste schon über ein sehr empfindliches Popometer verfügen, um einen abweichenden Reifendruck durch das Fahrverhalten des Autos zu erspüren. Ich bin schon mit nur einem Bar auf einem Hinterreifen gefahren, der sich ein winziges Stückchen Stahldraht einverleibt und über Wochen den Druck verloren hatte. Obwohl ich eine kurvige, einsame Waldstrecke, die ich gut kenne, sehr schnell gefahren bin, habe ich nichts bemerkt. Und auch im Stand hat man nichts gesehen. Aber dieser Reifen hätte, von dem Loch mal abgesehen, eben nur halb so lange gehalten wie die anderen, wäre also doppelt so schnell verschlissen. Wenn man den Motor dauernd kalt und immer unter dem Mindeststand an Öl durch die Gegend prügelt und mit zu wenig Kühlwasser Höchstgeschwindigkeiten fährt, dann muss man sich nicht wundern, wenn die Maschine mit 60 000 Kilometern das Zeitliche segnet. Ein gut gepflegtes Auto dagegen kann in zehn Jahren locker 300 000 Kilometer zurücklegen, und alles funktioniert noch wie ehedem.

      Das Auto kaufen wir, und es ist teuer, also soll es bitte lange halten, 200 000 Kilometer mal wenigstens. Damit es das tut, pflegen wir es. Das alles ist Vorsorge, und die ist für uns selbstverständlich. Und wenn dann trotzdem mal was kaputt geht, dann wird die Werkstatt das natürlich auch reparieren. Aber besser, es geht erst gar nichts kaputt, denn die Vorsorge ist deutlich billiger als die Reparatur.

      Das Beispiel Auto deutet auf zwei Dinge hin: Höchstbelastungen sind eher funktionszeitverkürzend – Sie dürfen diese Metapher gerne auf Hochleistungssportler übertragen, die schon mit Anfang 30 massive körperliche Wehwehchen haben. Und dauerhafte Mangelzustände wie zu geringer Druck im Reifen, zu wenig Wasser im Kühler und zu wenig Öl im Motor sind auch nicht hilfreich, wenn der Gegenstand des Interesses möglichst lange überdauern soll. Und auch das dürfen Sie als Metapher für unseren Körper beziehungsweise seine Versorgung mit den nötigen Hilfs- und Betriebsstoffen verstehen.

      Wie gehen wir mit unserem teuersten Gut, dem eigenen Körper, um? Manche Menschen machen ab 50 gewisse Gesundheitsprüfungen, Blutbild, EKG, Darmspiegelung. Aber normalerweise gehen wir doch erst zum Arzt, wenn wir krank sind, und kümmern uns sonst nicht darum, ob unser Körper genug Reifendruck, Kühlwasser, Motoröl oder Bremsflüssigkeit hat. Wir scheinen zu glauben, dass wir das a) sowieso immer haben. Wir essen und trinken ja normal, da ist doch alles drin, was wir brauchen, oder? Und b) schon merken würden, wenn uns was fehlt. Das ist aber leider der größte Trugschluss. Wenn Sie kein Rennfahrer mit nervösem Popometer sind, merken Sie einen zu niedrigen Reifendruck so gut wie gar nicht – bis es zu spät ist. Bis Sie schlimmstenfalls entweder aus der Kurve geflogen sind oder bestenfalls die Reifen total abgefahren sind. Und dann heißt es Reparatur respektive Ersatz. Körperorgane, die durch stetigen Mangel geschädigt werden, können Sie aber nicht einfach mal so durch neue ersetzen. Eine Schilddrüse, die durch ständigen Jodmangel wuchert oder irgendwann den Betrieb einstellt, muss raus. Aber es gibt leider kein Ersatzteillager dafür. Und dann müssen Sie für den Rest Ihres Lebens Schilddrüsenhormone schlucken. Aber vorher haben Sie von dem Jodmangel nichts bemerkt. Der Körper ist nämlich eine verdammt schlaue Maschine, in der fast alles ein bisschen redundant ausgelegt ist. Das heißt, die meisten Mangelzustände können für eine ganze Weile vom Körper ausgeglichen und mit Gegenstrategien kompensiert werden. Aber genau wie Ihr Auto, das ohne Service und ohne ständige Kontrolle von Luftdruck, Ölstand und Kühlwasser locker 30 000 bis 40 000 Kilometer zurücklegen kann, machen sich Mangelzustände im Körper in den ersten 30 bis 40 Jahren bei den meisten Menschen eher selten bemerkbar. Dass diese Zipperleinsfreiheit ungefähr so lange anhält wie die Reproduktionsfähigkeit, finde ich lustig und aus Sicht der Natur (bloß kein vermeidbarer Aufwand!) durchaus plausibel. Die genetisch besonders gut ausgestatteten Exemplare dürfen ja auch gerne, wie schon in der Bibel stand, 70 oder 80 Jahre alt werden. Die anderen? Na ja.

      Noch mal in Kürze: Beim Auto betreiben wir sehr diszipliniert Vorsorge, weil sich die Wenigsten teure Reparaturen leisten können oder wollen. Gegenüber unserem Körper verhalten wir uns anders. Die ersten 40 Jahre tun wir so, als wären wir fabrikneu, und wenn dann die Zipperlein auftreten, unser Motor ächzt und stöhnt und die Reifen auf der letzten Rille laufen, dann glauben wir, das müsse so sein, wir sind ja schließlich schon über 50. Und der Onkel Doktor soll’s dann richten. Das tut er auch, so gut er kann. Aber würde er auch einem 20-Jährigen erzählen, dass er mal Ölstand, Kühlwasser und Luftdruck kontrollieren und in Ordnung halten soll?

      Merke also: Wenn du krank wirst, hilft dir – die Ärztin. Wenn du gesund bleiben willst, musst du dich selbst darum kümmern! Und zwar frühzeitig! Also schauen wir doch mal, was wir so alles checken könnten.

      Deutschland einig Mangelland

      Ach, es mangelt uns an so vielem. An gutem Wetter, Fröhlichkeit der Menschen, Toleranz Andersdenkenden gegenüber, an Gerechtigkeit, sowohl sozial als auch juristisch – und an Gesundheit. Erstaunlich für ein Land mit einem der besten Gesundheitssysteme weltweit.

      Sie wollen ja nicht in England krank werden, mit seinem maroden NHS-System, wo ein Bett auf dem Flur schon zum Normalfall geworden ist. Schon gar nicht in den USA, denn dort ist man dann auch gleich noch finanziell ruiniert, wie das Katja Kessler sehr humorvoll in Silicon Wahnsinn beschreibt. Ihr Sohn hatte sich auf der Rutsche in der Schule das Handgelenk gebrochen. Die Situation im Krankenhaus schildert Kessler so: „Zwei Stunden später hatten wir uns immerhin schon zu einem gelben Warndreieck vorgearbeitet: X-ray, Röntgen. Dafür hatte ich auch nur zehn Formulare ausfüllen und dreimal die Kreditkarte rausholen müssen. Aktuell waren wir, ohne dass groß was passiert wäre, bei einem vierstelligen Dollarbetrag. […] 60 Minuten und nochmal viele Dollars später wurden wir in einem winzigen Untersuchungszimmer mit Fernseher geparkt. […] Kurz nach halb zwölf steckte Caspars Arm […] in Gips.“ (EAN 9783547712018, S. 121 ff.)