Wacken Roll. Andreas Schöwe

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Название Wacken Roll
Автор произведения Andreas Schöwe
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783854453772



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ihr Heil in der Flucht nach vorne – sprich: auf den Mann zugehen und seine Firma mit der eigenen fusionieren und so in Zukunft gemeinsam an einem Strang zu ziehen, statt sich gegenseitig die Kundschaft abspenstig zu machen. Kaum dass aber die neue Partnerschaft besiegelt ist, müssen die beiden Wackener erkennen, dass das SuperCrash Festival nur rote Zahlen schreibt und sie jetzt einen Partner im Boot haben, der sie nur Geld kostet.

      1997

      Nach dem großen Erfolg des Vorjahres, der in der Kuhle chaotische Verhältnisse mit sich brachte, musste eine neue Grundsatzentscheidung fallen: Denn es ist abzusehen, dass der Platz – sollten in diesem Jahr auch nur erneut wieder die Zuschauerzahlen aus dem Vorjahr erreicht werden – an bisher bewährter Stelle nicht ausreicht. Doch eine Entscheidung in dieser Angelegenheit wird dem W:O:A-Team quasi abgenommen: Nach dem Ansturm des Vorjahres stellen sich nämlich einige Gemeindeobere quer und legen ihr Veto ein gegen eine weitere Nutzung der Kuhle als Festivalaustragungsort. Aber eine Lösung des Dilemmas ist – dank Uwe Trede – schnell in Sicht: Es wird auf die gegenüberliegende Seite der Straße ausgewichen – eben auf die Koppel von Bauer Trede. Doch auch seine etwa fünf Hektar reichen für die gesamte Logistik nicht aus. Trede unterstützt das Duo Hübner/Jensen mehr denn je, indem er sich um die Akquirierung weiterer Flächen von benachbarten Bauern kümmert. (Mehr dazu ab Seite 00)

      Seit 1997 übernimmt zudem Thomas Hess, der im Vorjahr als Tourmanager der Böhsen Onkelz wie ein Fels in der Brandung ruhig Blut bewahrte und somit maßgeblich dazu beitrug, dass das Chaos nicht überhand nahm und das Festival bis auf die Verkehrssituation nahezu komplikationslos über die Bühnen lief, die Produktionsleitung. Zudem wirkt in diesem Jahr erstmals Thomas Freundin Sheree mit, sorgt im Backstage-Bereich für das leibliche Wohlergehen der Musiker, V.I.P.s und Journalisten.

      Und last, but not least: Eine dritte Bühne wird etabliert – die W.E.T. Stage. „W.E.T.“ steht dabei für „Wacken Evolution Tent“ und soll Newcomern und Bands ohne Plattenvertrag eine Plattform bieten, sich mit den „Großen“ direkt zu messen und ihrerseits eine realistische Standortbestimmung vornehmen zu können. Und schließlich lassen sich auch immer mehr Talente-Scouts der Plattenfirmen in Wacken akkreditieren – die so ihrerseits vielleicht die neuen Super-Stars von Morgen entdecken.

      Als musikalische Attraktionen räumen insbesondere Motörhead und Rage mit dem Lingua-Mortis-Orchester, gestandene Recken wie Overkill, Sodom, Tank, Raven und U.D.O. ab. Doch auch neuere Acts präsentieren sich hier das erste Mal: HammerFall, die gerade ihr Debüt Glory To The Brave veröffentlichten, gehen dabei nach 45 Minuten Spielzeit die Songs aus; die norwegischen Black-Metal-Protagonisten Dimmu Borgir präsentieren sich das erste Mal außerhalb ihrer Heimat, und die Mittelalter/Folk-Rocker Subway To Sally demonstrieren eindrucksvoll ihre Mischung aus mittelalterlichen Weisen und Hard Rock – alle drei Bands legen hier in Wacken in diesem Jahr den Grundstein für ihre weltweiten Karrieren.

      Zum Aufreger jedoch avancieren Rock Bitch – eine Sex-Kommune weiblicher Möchtegern-Musikerinnen, die nahezu nackt auftreten und mit allerlei auf der Bühne praktizierten Sexspielchen über ihr arg überschaubares musikalisches Talent hinwegtäuschen. Da die Chicks mit ihrer Hardcore-Show selbst bei den eigentlich offenen Holländern nicht im Rahmen des Dynamo Open Airs auftreten durften, spricht sich ihr zweifelhafter Ruhm schnell nach Deutschland herum – und drängen zu ihrem Auftritt derart viele Fans in das Party-Zelt, dass dort tumultartige Zustände herrschen. Der gordische Knoten wird von den Veranstaltern gelöst, indem die Mädels auf die große Bühne umgebucht werden – und Subway To Sally in das Party-Zelt. Und schon hat das W:O:A seinen ersten Eklat … (Mehr dazu ab

       Seite 195)

      Im Endeffekt können Holger, Thomas und Sheree – sie verstärkt das Duo ab sofort und entlastet die Beiden bei organisatorischen und administrativen Arbeiten – ein durchweg positives Resümee ziehen: Der neue Platz und die neuen Strukturen haben sich bewährt; das Festival fand mit über 10.000 Zuschauern einen noch größeren Zuspruch als im Vorjahr. Frohen Mutes schauen die Drei dem neuen Jahr entgegen …

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      Die Onkelz live in Wacken 1996. © Christine Besser

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      Pressekonferenz von Rockbitch 1997. © Rita Mitzkatis

      1998–2000: 4 Bühnen mit 100 Bands

      1998

      Dieses Jahr soll zum vielleicht wichtigsten in der Wacken-Geschichte avancieren. Nicht alleine deswegen, weil die Stone Castle Promotion GmbH vor allem dank des Pleite-Partners vom Rendsburger Super Crash Festivals in die Insolvenz hineingezogen wird und sich die Jungs in Wacken in geschäftlicher Hinsicht zum zweiten Mal neu organisieren müssen, wobei ihnen Sheree Hesse als neue Dritte im Bunde unschätzbare Dienste erweist. Sondern vielmehr deswegen, weil auf der Basis der Organisation des Vorjahres jetzt weiter an der Festigung und Entwicklung von Strukturen gearbeitet wird, wie wir sie im Wesentlichen noch heute kennen. Bestes Beispiel: die zweite Hauptbühne. Zusammen mit der Party- und der W.E.T. Stage gibt es ab sofort vier Bühnen, auf denen sich 1998 um die 70, in den Folgejahren bis zu 100 Acts tummeln.

      Derweil ist Bauer Trede damit beschäftigt, den angrenzenden Landwirten weitere Ackerflächen aus dem Kreuz zu leiern, damit die über 18.000 Metalheads ausreichende Campinggelegenheiten vorfinden. Dieser Quantensprung der Besucherzahlen – immerhin fast eine Verdopplung im Vergleich zu Vorjahr – resultiert unter anderem daraus, dass sich die Qualitäten des W:O:A im Vergleich zu internationalen Konkurrenzveranstaltungen langsam in der Metal-Szene herumsprechen: gemütliche, familiäre Party-Atmosphäre, Fan-freundlich Preise, tolle Acts, die das gesamte Spektrum des Genres bedienen. Alleine vom Billing in diesem Jahr werden noch eine Dekade später die Augenzeugen schwärmen: Blind Guardian, Savatage, Iced Earth, Virgin Steele, Gamma Ray, Nevermore, Edguy und Doro auf einer Bühne – hier bin ich Metalhead, hier darf ich’s sein!

      1999

      Nach der Trennung vom defizitären Rendsburger Partner arbeiten Holger und Thomas zusammen mit Sheree verstärkt an der Organisation der Unternehmensstruktur: So entsteht in Dörpstedt ein neues Hauptquartier, das bis in die heutigen Tage als Schalt- und Verwaltungszentrale dient. Darüber hinaus wird MetalTix als eigenständiges Ticketvorverkaufssystem gegründet – eine Firma, die zunehmend auch den Kartenvorverkauf von selbst veranstalteten Tourneen übernimmt. Über die ebenfalls neu gegründete Konzertveranstalter- und Management-Firma ICS hingegen werden über das Jahr hinweg kontinuierlich eigenverantwortlich Gastspielreisen mit nationalen und internationalen Metal-Bands organisiert.

      Sheree wiederum übernimmt neben dem Catering-Management während des Festivals die Betreuung der internationalen Presse. Und da hat sie alle Hände voll zu tun: Denn gerade zu der Zeit boomt das WorldWideWeb mit all seinen Internet-Magazinen. Dementsprechend sieht sich die stets auf beste Kontakte zu den Journalisten bedachte Wackener Presse-Abteilung einer regelrechten Schwemme von Akkreditierungswünschen ausgesetzt. Dabei erweist sich weniger der Bereich der Print-Magazine als problematisch – hier gibt es in den letzten zwei Dekaden gewachsene und etablierte Fanzine- und Magazin-Publikationen mit übersichtlichen Dimensionen. Vielmehr avancieren die Online-Redaktionen zu den Sorgenkindern: Oft lassen sich zu Jahresbeginn Mitarbeiter von Internet-Journalen akkreditieren, die im Sommer bereits wieder ihre Dienste eingestellt haben. Dank der kontinuierlichen Pressebetreuung seitens Sheree über das Jahr hindurch lässt sich da die Spreu vom Weizen – die kurzlebigen Eintagsfliegen von den seriösen, langlebigen Publikationen – trennen.

      Darüber hinaus veröffentlichen die W:O:A-Organisatoren in Zusammenarbeit mit der Hannoveraner Plattenfirma SPV ihren ersten Wacken-Sampler mit Live-Mitschnitten von Bands, die beim Festival auftraten – hier entsteht ebenfalls eine wegweisende Kooperation, die den Metal-Fans auch in Zukunft mit so manch tollem audiovisuellen Rückblick auf das jeweilige Event beglücken soll.

      Und ausgehend von den Erfahrungswerten des Vorjahres gewinnen die Struktur der Bühnenanordnungen auf dem Festivalgelände sowie der Campingplätze – von ständigen Nachjustierungen (Bühnenanordnungen) und notwendigen