Название | Lou Reed - Transformer |
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Автор произведения | Victor Bockris |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783854454649 |
Komm doch zurück, Shelley
Syracuse University: 1962–1964
„Das Bild des Künstlers, auf dessen brillanten, künstlerischen Vorstoß ein Absturz in Depressionen und Elend folgt, wird von unserer Kultur mit großem Ansehen belohnt, ja, er wird deswegen sogar besonders geschätzt.“
— Aus dem Vorwort von Irving Howe zu Delmore Schwartz’
In Dreams Begin Other Responsibilities
Als Lou im dritten Jahr nach Syracuse zurückkehrte, mietete er ein Zimmer in einer großen Wohnung in der Adams Street, in der einige gleich gesinnte Musiker und Englischstudenten im letzten Jahr hausten. Sein Zimmer war so klein, dass gerade sein Bett hineinpasste. Lou fand das aber ganz in Ordnung, da er hauptsächlich im Bett lebte. Er hatte seine Schreibmaschine, seine Gitarre und Shelley; sie lebte jetzt gegenüber vom Crouse College, in einem der Wohnheime, die im Hüttenstil gebaut und viel weniger überwacht waren als ihre vorige Unterkunft. Sie konnte daher fast ihre ganze Zeit mit Lou verbringen.
Das Semester begann magisch – mit Shelleys Ankunft. Lou zog seine Gitarre und ein neues Instrument hervor, auf dem er im Lauf des Sommers spielen gelernt hatte: eine Mundharmonika, die er an einem Gestell um den Hals trug. Er fing an, eine ganze Reihe von Songs zu spielen, die er während des Sommers für Shelley geschrieben hatte, darunter auch das wunderbare „I Found A Reason“. Shelley war von seiner Musik völlig verzaubert und von ihrer Schönheit und der Empfindsamkeit seiner Texte zu Tränen gerührt. Lou spielte sehr klagend und zugleich packend Mundharmonika, was perfekt seine Songs ergänzte; leider ähnelte es zu sehr dem Stil Bob Dylans. Um nicht als Dylan-Abklatsch zu enden und seine musikalische Individualität zu wahren, musste er auf dieses Begleitinstrument verzichten. In seiner neuen Bleibe konnte er so laut Musik spielen, wie er wollte, und gefahrlos Drogen nehmen. Auch dieses Refugium sollte eine neue Bühne werden, auf der „Lou Reed“ geschaffen wurde. Er übte dort ganze Nächte hindurch mit seiner Band und bereitete sich das kreative Umfeld, das er zum Schreiben brauchte. Er fing an, ein Gefühl für seine Möglichkeiten zu entwickeln. Er hatte seine Band fest in der Hand. Er hatte bereits „The Gift“, „Coney Island Baby“ und den „Fuck Around Blues“ geschrieben; spätere Klassiker wie „I’ll Be Your Mirror“ waren in Arbeit.
Mitte der Sechziger machten die Colleges in Amerika eine einschneidende Veränderung durch, die sie binnen kurzem besonders attraktiv für Politik und Kunst machen sollte. Das Erkennungsmerkmal einer modernen Schule war ihr Angebot für „Kreatives Schreiben“. Nur wenige amerikanische Schriftsteller konnten von den Früchten ihrer Arbeit leben. Und irgendwann in den Fünfzigern kam irgendein Kerl auf die verschrobene Idee, Schriftsteller wie Ernest Hemingway und Samuel Beckett an Land zu ziehen, die dann zehn bis fünfzehn Leuten beibrachten, wie das mit dem Schreiben so vor sich ging. Das führte immerhin dazu, dass einige berühmte Schriftsteller wie T. S. Eliot (in den Fünfzigern ein direkter Rivale von Einstein und Churchill, was die Zugkräftigkeit des Namens anging) sechs Wochen lang Vorlesungen darüber hielten, wie man schrieb, und damit hunderte von Studenten dazu verleiteten, armselige Imitationen von The Waste Land zu Papier zu bringen. Das Programm für „Kreatives Schreiben“ sah auf Papier nicht schlecht aus, aber in der Praxis war es keinen Pfifferling wert; die Schriftsteller (meistens Lyriker), die in den frühen Sechzigern auf diesen lukrativen Zug aufsprangen, waren größtenteils verbrauchte Männer, die der Dichtkunst in den goldenen Jahren zwischen 1920 und 1950 – als der Einfluss W. H. Audens so groß war wie derjenige der Rockstars in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts – zu einer gewissen Popularität verholfen hatten.
Delmore Schwartz war einer der charismatischsten Dichter in dieser Runde, außerdem sah er umwerfend aus. Zwei literarische Schwergewichte, der große Dichter Robert Lowell und der spätere Nobelpreisträger Saul Bellow, die ihn beide zu einer Zeit kennen gelernt hatten, in der er noch als die amerikanische Antwort auf T. S. Eliot galt, hatten ihn in das Programm für „Kreatives Schreiben“ von Syracuse hineingedrückt. Zum Leidwesen des Dichters und der Studenten hatte Delmore Schwartz, wie so viele seiner Zunft, seine Muse zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger durch eine tägliche, fast tödliche Dosis Amphetamin, die er mit hochprozentigem Alkohol hinunterspülte, zum Schweigen gebracht. Obwohl er 1959 den prestigeträchtigen Bollingen-Preis für seinen Gedichtband Summer Knowledge gewonnen hatte, durchlitt er 1962, als er in Syracuse ankam, gerade die unglücklichste und schmerzlichste Periode seines Lebens.
Sein Gesicht wies eine grüngelbliche Färbung auf, so als litte er unter permanenter Gelbsucht, und in seinen wahnsinnigen, heraustretenden Augen schwang uneingeschränkte Paranoia das Zepter. An einem guten Tag schaffte es dieser brillante Mann immer noch, dass ihm eine ganze Klasse hingebungsvoll zuhörte, wenn er, intelligent, empfindsam und überzeugend, mit hypnotisierender Stimme über seine Religion sprach – die Literatur. Nach einer bewegenden Lesung von The Waste Land erhielt Schwartz einmal von seiner Klasse eine zehnminütige stehende Ovation in Syracuse. Leider war sein Ansehen 1962 bereits so weit gesunken, dass keine seiner Performances, die er überall in Syracuse gab – auf der Straße, im Seminarraum, in Bars, in seinem Apartment, bei Fakultätszusammenkünften, kurz: überall, wo seine Stimme ein Publikum fand –, für die Nachwelt festgehalten wurde.
Bis Delmore Schwartz nach Syracuse kam, war Lou nicht sonderlich beeindruckt von seinen Lehrern gewesen, von dem bemerkenswerten Scarpatto einmal abgesehen. Lou musste jedoch nur einmal mit Delmore zusammentreffen, um zu erkennen, dass er es hier mit jemandem zu tun hatte, der noch viel gestörter war als er selbst. Auf diese Weise wurde ihm auch ein Blick in die Zukunft zuteil, der ihm verriet, was die Teufel in seinem Kopf noch alles anrichten konnten.
Falls Lou jemals nach einer Vaterfigur Ausschau gehalten hatte, nachdem er seinen Alten als verschnarchten, armseligen Hasenfuß disqualifiziert hatte, so hatte er jetzt in Delmore Schwartz den perfekten Kandidaten gefunden. Aus zwei Büchern über Delmore Schwartz – Bellows Roman Humboldt’s Gift und James Atlas’ ausgezeichneter Biografie Delmore Schwartz, The Life Of An American Poet – lassen sich viele der Beschreibungen von Schwartz’ markanten Charaktereigenschaften auf das übertragen, was sich gerade bei Lou auszuformen begann.
Genau wie Lou verstrickte auch Delmore seine Freunde in so enge Bindungen, bis es schließlich für alle unerträglich wurde. Wie Lou bereitete auch Delmore den Menschen, die ihm nahe standen, eher Missvergnügen als Freude. Wie Lou war auch Delmore geradezu unglaublich arrogant und dem ganzen Wesen nach ein Einzelgänger und Diktator. Auch er verfügte über ein erstaunliches Gemisch von Eigenliebe und Selbsthass, und beide waren, was sich meist mit dem Urteil ihrer Freunde deckte, der Meinung, sie seien böse. Beide waren bezaubernd hektische Improvisatoren, Alleinredner und geschickte Schmeichler. Eloquent, launenhaft und gut aussehend, hatten sie meist während schlafloser Nächte ihre großen Erkenntnisse.
Hier hörten die Gemeinsamkeiten jedoch auf. Delmore Schwartz näherte sich bereits dem Wahnsinn, und wenn sein Herz raste, dann niemals vor Freude; Lou hingegen besaß noch die wunderbare Fähigkeit, sich auf eine sorglose, unerwachsene Art zu freuen, und achtete genau darauf, den Kontakt mit der Realität nicht zu verlieren. Er zweifelte nicht daran, dass er eines Tages Erfolg haben würde, und auch die meisten seiner Freunde glaubten an sein Talent. Mochte Lou auch wie Delmore Momente durchleben, in denen sich grandiose Inspiration mit unbeschreiblicher Verzweiflung abwechselte, so hatte er sich doch noch nicht aus der amerikanischen Kultur hinauskatapultiert.
In seinem dritten Jahr nahm Lou bei Schwartz zusätzlichen Unterricht außerhalb des Kreativ-Kurses. Sie lasen gemeinsam Dostojewski, Shakespeare und Joyce, und beim Studium von Ulysses sah sich Lou als Dädalus zu dem Bloom von Schwartz. Zwischen ihnen entwickelte sich eine Freundschaft, die bis zu Lous Examen anhielt.
Zuerst hielt Delmore