Das Kreuz mit dem C. Martin Lohmann

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Название Das Kreuz mit dem C
Автор произведения Martin Lohmann
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783766641021



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auch noch gelernte Theologin, erzeugte nicht nur bei Bischöfen Verärgerung, sondern auch bei in der Politik engagierten und für die Politik interessierten Christen.

      Annette Schavan ordnete eine ziemlich vage Aussicht auf – man muss es so sagen – ziemlich unwahrscheinlichen Forschungserfolg grundsätzlichen Regeln des Lebensrechtes unter. Sie war diejenige, die auf einem Parteitag so redete, dass anschließend eine – wenn auch nicht überwältigende – Mehrheit für die weitere Verschiebung eines Stichtages entstehen konnte. Das beim ersten Mal geschaffene Unrecht, zu Forschungszwecken die bis zu einem bestimmten Stichtag im Rahmen der künstlichen Befruchtung entstandenen „überzähligen“ Embryonen zu „nutzen“, wurde mit Hilfe der katholischen Theologin und stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Schavan verlängert.

      Kann man eine solche Partei noch wählen? Ist das noch christlich? Ist eine solche Haltung vereinbar mit den christlichen Grundsätzen? Verabschiedet sich gar die Partei mit dem C still und heimlich vom C? Ist es nicht so, dass die Wähler sich längst mehr Profil und Glaubwürdigkeit zutrauen als viele Politiker ihnen – und sich selbst? Wo sind die echten Köpfe, die echten Persönlichkeiten? Wer oder was ist heute die Christlich Demokratische Union?

      Deshalb erscheint es notwendig, weiterhin darauf hinzuweisen, dass es in Deutschland beispielsweise einen unglaublichen Etikettenschwindel in der Familienpolitik gibt. Vieles von dem, was bereits vor einigen Jahren erkannt wurde, zeigt sich heute eher noch verschärft. Einen Zweifel kann es nicht mehr geben: Auch in der CDU wird vielfach kräftig Etikettenschwindel betrieben. Schwungvoll und zum Teil äußerst charmant. Schon seit geraumer Zeit fragen sich viele ihrer Wähler, was denn die einst christlich geprägte Partei mit ihrem entsprechenden Profil auch heute noch von anderen Parteien unterscheidet. Vieles deutet längst darauf hin, dass die Partei unter der Führung von Angela Merkel nicht mehr die Partei Konrad Adenauers ist. Zum Teil sind das selbst Persönlichkeiten, die ihren Aufstieg der katholischen Kirche und einer entsprechend christlichen Prägung verdanken, von denen vermutet werden muss, dass sie der Diktatur des Relativismus längst verfallen sind. Vor dieser Diktatur hatte Joseph Kardinal Ratzinger in seiner letzten Predigt vor der Wahl zum Papst Benedikt XVI. aus gutem Grunde gewarnt. Doch leider wurde diese Warnung auch einige Jahre nach ihrer Äußerung offensichtlich vor allem in der CDU überhört.

      Im Anfang war es nicht so

      Kalter Kaffee oder einfach nur Utopisches von vorgestern? Ein erhellender Rückblick mag überraschen. Denn das C hat tatsächlich eine lange und gute Geschichte innerhalb der Union. Es reicht sogar bis ins 19. Jahrhundert zurück. Bemerkenswert, was man so alles findet, wenn man in den alten Akten stöbert. Zum Beispiel, dass das C stets mehr sein sollte als ein nettes Beiwerk. Und: Dass es den jeweils Verantwortlichen eine echte Verpflichtung sein wollte.

      Was sicher einige Zeitgenossen heute verwundert, ist die Tatsache, wie es zu dieser Bedeutung des C für die Politik kommen konnte. Im 19. Jahrhundert hätten nämlich vor allem die Katholiken – wie das leider heute nicht wenige tun – allen Grund gehabt, sich der wachsenden antikatholischen Stimmung zu unterwerfen und lieber stillschweigend geduckt zu erscheinen. Das Gegenteil war der Fall. Dem wachsenden staatlichen Druck setzten sie ein geradezu trotziges, selbstbewusstes Dennoch entgegen. Jetzt erst recht – so schien die Devise zu sein. Einen Mangel an christlichem Selbstbewusstsein gab es damals offenbar nicht. Jedenfalls nicht so stark wie heute.

      Es war vor allem der Koblenzer Joseph Görres, der mit seinem „Rheinischen Merkur“ zu einer Art Wortführer gegen staatliche Bevormundung in Glaubensfragen wurde. Die Glaubensfreiheit wurde zur Antriebsfeder für viele katholische und auch evangelische Christen im säkularisierten Staat. Aus dem Katholischen Club in der Paulskirche wurde später das katholische Zentrum als eine politische Partei, in der unter anderem von 1870 an Ludwig Windthorst wirkte. Zusammen mit der nach 1920 abgespaltenen Bayerischen Volkspartei wurde das Zentrum zu einem Gegenspieler für die protestantisch geprägte preußische Regierung.

      Hier sind auch die Wurzeln des sozialen Katholizismus zu suchen, der seine Ausprägung in der Katholischen Soziallehre fand. Katholische Namen wie Emmanuel von Ketteler und Adolph Kolping und evangelische Namen wie Johann Heinrich von Wichern mit seiner „Inneren Mission“ stehen noch heute für das sozialpolitische Engagement christlicher Persönlichkeiten. Im Zusammenhang mit diesem Einsatz stehen auch im ausgehenden Kaiserreich und der beginnenden Weimarer Republik Parteigruppierungen wie die „Christlich-Nationale Bauernpartei“, die „Volkskonservativen“ und der „Christlich Soziale Volksdienst“. Übrigens hatte Adam Stegerwald bereits 1920 mit seinem „Essener Plan“ die Idee einer überkonfessionellen Partei. Seine Idee kam wegen der jeweiligen konfessionellen Abneigungen zu früh. Aber bereits in seinen Gedanken finden sich die Begriffe, die später zur Gründung der CDU beitragen sollten: deutsch, christlich, demokratisch, sozial.

      Bekenntnis zur klaren Orientierung

      Erst die Erfahrung des Nationalsozialismus mit seiner antichristlichen Ideologie und seiner Menschenverachtung brachte dann nach dem Zweiten Weltkrieg die Erkenntnis, dass die Christen der verschiedenen Konfessionen im täglichen und vor allem politischen Leben mehr eint als trennt. Hermann Ehlers beschrieb das auf dem Hamburger Parteitag der CDU 1953 in der Rückschau so: „Wir sind beim Neubeginn unseres politischen Weges 1945 nicht aus theoretischen Erwägungen, sondern aus praktischen, in Not und Tod bewährten Erfahrungen zu der Überzeugung gekommen, dass es für uns keine andere tragfähige Grundlage unseres politischen Handelns geben kann als die Verantwortung vor dem Worte Gottes.“ Also: Es gab eine sehr bewusste Entscheidung für das C. Ohne das C und seine Verpflichtung wäre die Gründung der Union nicht denkbar gewesen. Oder anders, wie es der Bonner CDU-Bundestagsabgeordnete Stephan Eisel formuliert: „So war das C ein bewusstes Bekenntnis gegen die Ausschaltung aller ethischen Prinzipien in der Politik.“

      Stimmt. Denn auch der erste CDU-Abgeordnete für die Bundesstadt am Rhein, die damals provisorische Hauptstadt war, hielt in seinen Erinnerungen genau dies fest. Konrad Adenauer beschrieb die damalige Überzeugung, „dass nur eine Partei, wurzelnd in dem weiten christlichen Boden, auf festen ethischen Grundsätzen und gestützt auf alle Schichten des deutschen Volkes, in der Lage sein würde, Deutschland aus seiner Not wieder aufzurichten“. Es mag für manche Ohren heute pathetisch klingen, ist aber genau so gemeint gewesen, was im September 1945 in den Kölner Leitsätzen gleichsam als Grundsatzprogramm so formuliert wurde: „Gott ist der Herr der Geschichte und der Völker, Christen die Kraft und das Gesetz unseres Lebens. Die deutsche Politik unter der Herrschaft des Nationalsozialismus hat diese Wahrheit geleugnet und missachtet. Das deutsche Volk ist deshalb in die Katastrophe getrieben worden. Rettung und Aufstieg hängen ab von der Wirksamkeit der christlichen Lebenskräfte im Volke. Deshalb bekennen wir uns zum demokratischen Staat, der christlich, deutsch und sozial ist.“

      Klingt wie von früher. Ist es aber nur eine nette Geschichte aus längst vergangenen Tagen? Oder steckt vielleicht auch heute ein grundsätzlicher Auftrag in dem, was damals grundsätzliche Überzeugung war? Konrad Adenauer jedenfalls war dagegen, dass die CDU nicht mehr sein müsse als eine weltanschaulichneutrale Sammlungspartei. Vorschläge und Debatten hierzu gab es bereits damals. Aber der Alte mischte kräftig mit an dem, was im März 1946 in Neheim-Hüsten programmatisch so festgeschrieben wurde: „Wir betrachten die hohe Auffassung des Christentums von der Menschenwürde, vom Wert jedes einzelnen Menschen als Grundlage und Richtschnur unserer Arbeit im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben unseres Volkes.“ Ein klares Bekenntnis zum C, wie auch bei der Konstituierung der CDU als Gesamtpartei unter dem Vorsitz von Adenauer im Mai 1950 in Königswinter bei Bonn. Damals berief man sich auf die „Gesamtvertretung des politischen Willens aller sich zum christlichen Gedanken bekennenden Kräfte in ganz Deutschland“. Nahtlos schloss sich 1956 im Statut der Partei dazu an: „Die Christlich Demokratische Union Deutschlands will das öffentliche Leben im Dienst des deutschen Volkes und des deutschen Vaterlandes aus christlicher Verantwortung und nach dem christlichen Sittengesetz auf der Grundlage der persönlichen Freiheit demokratisch gestalten.“

      Kanzlerin des Diffusen?

      Und heute? Man mag geneigt sein, spätestens an dieser Stelle ein lautes Veto, zumindest aber ein