Das Mitteldeutsche Seenland. Vom Wandel einer Landschaft. Lothar Eißmann

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Название Das Mitteldeutsche Seenland. Vom Wandel einer Landschaft
Автор произведения Lothar Eißmann
Жанр Книги о Путешествиях
Серия
Издательство Книги о Путешествиях
Год выпуска 0
isbn 9783867295093



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mit einer Zusammensetzung, die chemische Prozesse in Gang setzen, teils beschleunigen, teils hemmen oder ihre Wirkungen sogar wieder aufheben können. Das Kippenwasser ist durch Abdeckung der Kippen mit absorptionsfähigem, vielfach karbonathaltigem Mineralboden – einen hohen Kalkgehalt verstürzter mariner Sedimente wie Muschelschluff und Muschelsand und nicht zuletzt durch die in den Kippmassen ablaufenden reduktiven und Pufferungsprozesse (N. Hoth 2000 spricht in diesem Zusammenhang von einem »wirksamen Selbsthilfemechanismus«) – auf dem Weg intensiver Neutralisation und Wiederfestlegung mobilisierter Verbindungen (Metalle). Die tieferen Kippenwässer sind teilweise schon gipsgesättigt und stark Hydrogenkarbonat führend. Der hohe Feinkornanteil macht die Kippe zu einem »Schwamm« mit vereinzelten Wasserpassagen. Die den Seen zufließende Wassermenge ist daher im Verhältnis zum künftigen Grundwasserstrom aus dem gewachsenen Gebirge gering.

       Fremdwasser

      Eine rasche Flutung mit möglichst gut gepuffertem Wasser, d. h. mit einem Chemismus, der bei Zufuhr begrenzter Mengen an starken Säuren den pH-Wert praktisch konstant hält oder direkt zur Neutralisierung der Säuren führt, beispielsweise durch einen höheren Gehalt an Kalziumhydrogenkarbonat, ist die physikalisch-technisch wie chemisch beste Maßnahme, der Versauerung entgegenzuwirken. Die Erosionsfläche und damit der mechanische Eintrag von Säurebildnern in den See werden verringert. Der schneller als das Grundwasser ansteigende Seewasserspiegel blockiert nicht nur einen Teil des Grundwasserzustroms; Flutungswasser dringt in den belüfteten Porenraum auch ein und neutralisiert die Säure des Sicker-, Haft- und Grundwassers.

      Ein Glücksumstand für die Füllung der Tagebauseen um Leipzig ist die Tatsache, dass südlich einer bei Rötha in nordwest-südöstlicher Richtung verlaufenden geologischen Störung, auf der Nordwestsächsischen Tiefscholle mit mächtigem Anhydrit- und Karbonatgestein unter dem Flözgebirge, ein stark mineralisiertes Grundwasser mit einem relativ hohen Karbonatgehalt fließt. Dieses Tiefengrundwasser wird in den Tagebauen Profen und Schleenhain zur Sicherung des Kohleabbaus in bedeutenden Mengen gehoben. Das Wasser zeichnet sich bei einem neutralen pH-Wert (pH 7,3) durch eine hohe Alkalität (um 6 mmol/l) und eine hohe Sulfatkonzentration (um 11 mmol/l) aus. Es ist Wasser vom Ca-Mg-Na-HCO3-Cl-Typ mit einer Gesamthärte von rund 70 °DH, davon einer Karbonathärte von 15 °DH und einem Sulfatgehalt von rund 1000 mg/l. Sehr gering sind die Gehalte an gelöstem reaktivem Phosphor und an Stickstoffverbindungen. Das gilt auch für organische Verbindungen. Schwermetalle, außer Eisen, treten nur in Spuren auf.

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      image Eisen- und Magnesiumsulfate. Beispiele für Mineralneubildungen durch saure zirkulierende Grund- und Oberflächenwässer: Die an Tagebauwänden auskristallisierten Minerale Magnesiocopiapit (oben) und Starkeyit (unten).

      Das in mehreren Hundert Millionen Kubikmetern in die vier stadtrandnahen Seen (Cospudener, Markkleeberger, Störmthaler und Zwenkauer See) eingeleitete Fremdwasser führt zu einer Neutralisierung des Grund- und Seewassers wahrscheinlich bis in eine Zeit, in der besonders das in den braunkohlenzeitlichen Grundwasserleitern entstandene saure Poren-, Sicker- und Grundwasser ausgeschleust sein wird und die Bildung von Schwefelsäure durch Erschöpfung des Oxidationspotenzials nahezu wieder auf den geringen natürlichen Wert aus der Zeit vor dem Eingriff des Bergbaues zurückgegangen ist. Der während des Sommers vor allem durch Kohlensäureentzug aus dem Fremdwasser der Seen in großen Mengen ausgefällte Kalk bildet eine weitere Quelle langfristigen Säureabbaues. Der Cospudener See führt nach Ende der Füllung und der Markkleeberger See in der heute abgeschlossenen Flutungsphase ein pH-neutrales, stabil hydrogenkarbonatgepuffertes Wasser. Das wird ohne Zweifel auch für den gegenwärtig einen pH-Wert von 6,3 aufweisenden Störmthaler See nach Abschluss seiner Füllung zutreffen. Eine bedrohliche Versauerungsgefahr besteht für alle vier nahe der Großstadt Leipzig gelegenen und mit Fremdwasser gefluteten Seen (mit Einschränkungen für den Zwenkauer See) auch in der Zukunft nicht.

      Bei Seen, die durch Angrenzung oder Überflutung weitflächiger Areale mit Kippmassen ein hohes Versauerungspotenzial aufweisen, wie dies zum Beispiel beim Bockwitzer, Hainer und Zwenkauer See gegeben ist, waren ergänzende Maßnahmen zur Erlangung einer schnellen und nachhaltigen Neutralisation ihres Seewassers erforderlich. Zumischungen von Karbonat (Soda: Na2CO3) während bzw. nach erfolgter Fremdwasserflutung führten zum Beispiel am Pilotobjekt dieser Maßnahmen, dem Bockwitzer See, zwischen 2004 und 2009 zu einer Anhebung des pH-Wertes seines Seewassers von stark sauren zu neutralen Bedingungen. Vergleichbare Maßnahmen wurden ebenfalls am Hainer See mit Erfolg durchgeführt; am Zwenkauer See sind sie derzeit im Gange.

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      image Fremdwasserzulauf in den Markkleeberger See. 2003.

       Schichtung der Seen

      Die vier genannten, den unmittelbaren südlichen Stadtrand von Leipzig umsäumenden Seen werden zum Typus der dimikten stehenden Gewässer zählen, d. h. im Sommer aus einem geschichteten Wasserkörper bestehen, oben aus dem rund 10 m mächtigen durchwärmten Epilimnion und unten aus dem kühlen Hypolimnion mit relativ scharfem Übergang (Metalimnion). In allen Seen, vor allem aber im Cospudener und Markkleeberger See, überwiegt das Volumen des Hypolimnions deutlich. Im Frühjahr und Herbst erfasst die Seen eine Umschichtung des Wassers. Sommer und Winter sind Stagnationsphasen. Nicht nur Wind, Sonneneinstrahlung und allgemeines Temperaturregime in Bodennähe, sondern auch zufließendes, relativ warmes Tiefengrundwasser (8 bis 10 °C) werden Zirkulation und Eisbildung beeinflussen, später vermutlich auch eine gewisse Dichteschichtung nach dem Gehalt an gelösten Stoffen. Die Nährstoffkonzentration wird niedrig bis mäßig sein, die Seen werden also einen oligotrophen bis mäßig mesotrophen Status besitzen. Die steilen Unterwasserböschungen verhindern eine galoppierende seewärtige Ausbreitung des Schilfgürtels wie überhaupt der feuchtigkeits- und wasserliebenden Pflanzengemeinschaften, doch werden sie ausreichende Entfaltungsmöglichkeiten vorfinden, um beständige Habitate für Wasservögel, Fischbrut und andere Organismen zu bilden. Den Schlüssel für den künftigen Zustand der Seen hält in erster Linie der Mensch in der Hand. Denn es hängt mehr davon ab, wie es dem Menschen der Nachbergbauzeit gelingt, Gefährdungspotenzial vom Nährstoffeintrag bis zum Nutzungsdruck gering zu halten, als von den negativen Wirkungen, die von geogenen Agenzien ausgehen, die der Bergbau aktiviert hat.

      Das Wasser der Mehrzahl der Bergbauseen besitzt Badewasserqualität und könnte mit geringem Aufwand als Trinkwasser benutzt werden. Die Seen sind ein unschätzbarer Gewinn für die Landschaft und die gesamte Natur der Region. Sie werden ein Born sein der Erholung – für den Wanderer und Badenden, den Wassersportler und Angler und alle, die sich an einer neu entfaltenden Landschaft und ihrer belebten Natur erfreuen möchten und können.

       Lebensdauer der Seen

      Bleibt die Frage der Lebensdauer. Die geringe biogene Produktion hält die Sedimentation organischer Substanz in engen Grenzen. Mit der Bedeckung der Ufer- und Hangregion durch die Vegetation nimmt die Erosion minerogener Substrate und damit ihr Eintrag in die Seen stark und nachhaltig ab. Glazialseen im nördlichen Norddeutschen Tiefland mit ähnlicher morphologischer Konfiguration über und unter Wasser hatten durch kaltzeitliche Offenlandverhältnisse in den ersten Jahrtausenden ihrer Existenz ungünstigere Erhaltungsbedingungen als die Bergbauseen. Erosion in der Umgebung und damit Sedimenteintrag in die Seen waren beträchtlich. Auch die folgenden 10000 Jahre Warmzeit mit intensivem Pflanzenwachstum innerhalb und außerhalb der Seen vermochte sie nicht auszulöschen, wenngleich alle auf uns gekommenen stehenden natürlichen Gewässer nur noch Restseen sind. So erscheint uns eine Mindestlebensdauer der meisten Bergbauseen außerhalb der Flussauen von 15000 Jahren durchaus realistisch. Viele werden wohl das Doppelte oder ein noch höheres Alter erreichen. Seen wie der Cospudener See und Zwenkauer See mit einer Lage in der Nähe aktiver Fließgewässer sind in ihrer Langzeitexistenz weit stärker gefährdet. Sollte die Weiße Elster in den kommenden Jahrhunderten einen Zugang zum See finden oder sogar in voller Breite einmünden,