Das Mitteldeutsche Seenland. Vom Wandel einer Landschaft. Lothar Eißmann

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Название Das Mitteldeutsche Seenland. Vom Wandel einer Landschaft
Автор произведения Lothar Eißmann
Жанр Книги о Путешествиях
Серия
Издательство Книги о Путешествиях
Год выпуска 0
isbn 9783867295093



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und das klassische Profil der mitteldeutschen Eiszeitfolge aus drei Eiszeiten, die geologisch Interessierte aus vielen Ländern der Erde anlockten und lange das Eiszeitmekka der angehenden Geologen der DDR bildeten, bedeckten als ein ca. 20 bis 25 m mächtiger Schichtkomplex das Flöz. Mit dem ansteigenden Seespiegel verschwand ein Großteil dieser letztgenannten, im Tagebau Kulkwitz-Miltitz über Jahre sichtbaren und für das gesamte mitteldeutsche Gebiet typischen eiszeitlichen Sedimentabfolge unter Wasser. Sie offenbarte zwei, nur durch Eisstausee- (Bändertone) und Schmelzwassersedimente (glaziale Sande und Kiese) voneinander getrennte elstereiszeitliche Grundmoränen, welche die zweifache Überfahrung des Gebietes durch das skandinavische Inlandeis während der Elstereiszeit vor ca. 340000 Jahren dokumentieren. Die nächstjüngere Vereisungsperiode, die der Saaleeiszeit, war in der Abfolge durch das Auftreten einer weiteren, über den elstereiszeitlichen Sedimenten lagernden Grundmoräne ausgewiesen. Auch die wiederholte natürliche Verlegung der Flussläufe während des Eiszeitalters war mit dem gemeinsamen Nachweis von Flusssedimenten der Saale (frühelstereiszeitliche Saaleschotter) und der Weißen Elster (frühsaaleeiszeitliche Weißelsterschotter) innerhalb der Quartärprofile des Tagebaues Kulkwitz-Miltitz zu studieren. Und nicht zuletzt begeisterte ein am Lausener Kliff aufgeschlossener und den Zerfall des sibirischen Dauerfrostbodens in Mitteleuropa dokumentierender Tropfenboden aus der frühen Elstereiszeit das Herz der Geologen.

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      image »Arizona-Krater« am Rande von Leipzig. 1960.

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      image Geologische Abfolge im Tagebau Kulkwitz-Miltitz: Vor allem seiner klaren Eiszeit-Schichtenfolge wegen war der letzte Teiltagebau, die Grube Miltitz-Lausen, nach dem Zweiten Weltkrieg ein beliebter Exkursionspunkt. Schätzungsweise 1500 Exkursanten haben ihn allein zwischen 1956 und 1970 besucht, darunter anlässlich des XXIII. Welt-Geologenkongresses in Prag auch eine größere Gruppe Erdwissenschaftler aus 14 Ländern. 1960.

      Abfolge der eiszeit- und braunkohlenzeitlichen Schichten

      heute noch sichtbar

       2 Saalemoräne (Geschiebemergel), 4 Schotter der Weißen Elster (Weißelsterschotter, Hauptterrasse);

      unter dem Wasserspiegel

       Elstereiszeit: 6 Obere Elstermoräne (Geschiebemergel), 7 Miltitzer Seeton (Bänderton), 8 Sande und Kiese des Miltitzer Horizontes (Schmelzwassersedimente), 9 Untere Elstermoräne (Geschiebemergel), 10 Dehlitz-Leipziger Seeton (Bänderton), 11 Schotter der Saale (Frühelsterterrasse);

       Tertiär: 13 Meeressande der Urnordsee (Oligozän), 14 Böhlener

       Oberflöz (Flöz IV, Oligozän).

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      image Der Lausener Tropfenboden als Zeuge jahreszeitlicher Auftauprozesse des oberflächennahen Dauerfrostbodens während der Elstereiszeit am Lausener Kliff des Tagebaues Kulkwitz-Miltitz. 1973.

      Schichten Elstereiszeit: 9 Untere Elstermoräne (Geschiebemergel), 10 Dehlitz-Leipziger Seeton (Bänderton), 11 Schotter der Saale (Frühelsterterrasse).

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      image Geologischer Schnitt durch den Kulkwitzer See.

       Kulkwitzer See

      Mülldeponie oder Naherholungsgebiet? Das war die lange diskutierte Frage der Nutzung des Restloches. Der mit dem Bau der Satellitenstadt Leipzig-Grünau wachsende Bedarf an Naherholungsfläche, ein Politikum für Leipzig, und der Schutz des Grundwassers gaben für die Naherholung den Ausschlag. Die Planung unter H. Walther war schon Ende der 1950er Jahre bis in Details fortgeschritten. Eine geplante Fremdwasserzufuhr zur schnellen Füllung scheiterte. Bezüglich der Wasserqualität war die Beschränkung auf das natürliche Dargebot an Grundwasser zwar ein Vorteil, dafür musste eine Fülldauer von mindestens 10 bis 15 Jahren in Kauf genommen werden, was sich durch ständige Wasserentnahmen noch weiter verzögerte. Mit der ersten geschlossenen Wasserfläche noch im Kohleniveau entwickelte sich der hebende See zu einem sommerlichen Anziehungspunkt für Tausende von Erholungssuchenden. 1965 hatte sich der Wasserspiegel vom örtlichen Bezugspunkt +82 m NN um 8,4 m gehoben, 1970 um 18,1 m, 1975 um 23,4 m und 1980 um 27,3 m. Um 1990 erreichte er mit 32 m die vorausgesagte Marke von +114 m NN. Die Beendigung von Wasserhebungen in der näheren und weiteren Umgebung des Einzugsgebietes nach der Wende führten schließlich zum mittleren Endstand von ca. +114,5 bis 115 m NN. Die am Rand unscharf terrassierte trogartige, wassergefüllte Senke besitzt ein Volumen von rund 25 Millionen m3.

      Der Kulkwitzer See ist als oligotropher nährstoffarmer Klarwassersee mit geringem Phyto- und Zoo-Planktonaufkommen durch sehr hohe Sichttiefen zwischen 8 bis 14 m gekennzeichnet. Die damit verbundene Lichtdurchflutung führt zu einer starken und flächigen Besiedlung von Unterwasserpflanzen (submerse Makrophyten) mit einer Dominanz der Armleuchteralgen (Characeen) bis in diese Tiefenbereiche. Beides macht ihn zum Eldorado des Tauchsports mit europaweitem Bekanntheitsgrad. Darüber hinaus ist er mit seiner aus mindestens zwölf verschiedenen Arten bestehenden Fischfauna, darunter Hecht, Barsch, Plötze, Rotfeder, Schleie, Aal und mehrere Karpfenarten, ein gesuchter Ort des Angelsports. Das Wasser des Kulkwitzer Sees ist durch einen mittleren Gesamtgehalt an gelösten Salzen (1450-1650 mg/l), durch neutrale bis schwach alkalische pH-Werte (7,0-8,4) und durch ein breites Spektrum an gelösten Ionen (Calcium, Magnesium, Kalium, Natrium, Sulfat, Chlorid, Hydrogenkarbonat) gekennzeichnet. Sauerstoff ist ganzjährig bis in das Tiefenwasser nachweisbar.

      Nicht nur die Großstadtnähe, vor allem das saubere, klare Wasser mit einer hohen Transparenz bis in große Tiefe und mit fast allen Merkmalen eines Trinkwassers, die Gestalt des Sees mit seinen geschwungenen Rändern, die unterschiedlichen Uferhöhen und die ihn deutlich überragende bewaldete Kippe im Südwesten, nicht zuletzt solche morphologischen Besonderheiten wie die Lausener Bucht, die dem See insgesamt ein naturnahes Bild verleihen, machen seine ungebrochene Anziehungskraft und Beliebtheit aus, obwohl er mit nur 1,5 km2 zu den kleineren der Tagebauseen der Region zählt. Kleine Hafenanlage, günstige Badegelegenheiten auf bodenständigem sauberem Sand und Kies, Bootsausleihe, Restaurants und Campingmöglichkeiten ließen das insgesamt 2,8 km2 große Naherholungsgebiet zu einer nutzungsfreundlichen Stätte werden. Für den Botaniker sind sein Umfeld und hier insbesondere die südwestlich angrenzende Hochkippe ebenfalls ein Eldorado. Ihr aus gemischten Substraten kalkhaltiger tertiärer (oligozäne Meeressande) und quartärer (muschelkalkführende Saale-Schotter; eiszeitliche Grundmoränen) Sedimente bestehender Boden bietet die Grundlage für den Nachweis seltener und vielfach geschützter Pflanzenarten, so z. B. von Rotem Zahntrost (Odontites vulgaris), Rundblättrigem Wintergrün (Pyrola rotundifolia), Gewöhnlicher Golddistel (Carlina vulgaris), Gewöhnlichem Seidelbast (Daphne mezereum) sowie auch von zahlreichen bekannten Orchideenarten, darunter das Bleiche Waldvöglein (Cephalanthera damasonium) und das Große Zweiblatt (Listera ovata; freundliche Mitt. K. Heyde). Am aufgehenden Restloch Kulkwitz fanden ab 1963 Studien über den schrittweisen Einzug der Vogelwelt auf die natürlich bewachsenen Tagebauhänge statt, seinerzeit eine vogelkundliche Pionierleistung in Deutschland. Der Miltitzer Chemiker Harald Dorsch dokumentierte den Wandel der Artengemeinschaften vom Stadium karg bewachsener Offenbodenstandorte bis zum lichten Kippenvorwald. Herrschten anfangs Flussregenpfeifer, Steinschmätzer, Kiebitz und Feldlerche vor, wechselte das Bild in 15 Jahren auf spezifische Weise zur Dominanz von Baumpieper, Rohrammer und Sumpfrohrsänger, die heute der Vogelfauna des Kippenwaldes gewichen sind. Mit seinem Umfeld gilt der Kulkwitzer See als das ökologische Referenzobjekt für die zukünftige Entwicklung der Bergbaufolgeseen in der mitteldeutschen Seenlandschaft.