Название | Fahrt und Fessel |
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Автор произведения | Gustav Stratil-Sauer |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783942153201 |
Dann hebt in jähem Crescendo der Mittelsatz der Symphonie, das Maestoso des Eisernen Tores, an. Schon vor Belgrad wird diese Steigerung vorbereitet: der begleitende Laubwald, mehr und mehr sturmzerfetzt, verflacht in regellosen Buschbestand. Höher wachsen die Hügel, die das Ufer säumen; von ferne ziehen Gebirgsketten immer näher an den Strom und schließen sich endlich so dicht, daß man nicht mehr weiß, wie die Wasser sich hindurchwinden werden. Und dann setzt plötzlich in gewaltigen Kadenzen der Gipfelpunkt der Symphonie ein: der Durchbruch durch das Banater Gebirge. Kleine Erweiterungen geben kurze Atempausen, doch immer dichter folgen die Engpassagen, wo steile Felsschluchten den Strom zu erdrücken drohen.
Senkrecht stürzen die Hänge unter dem Wasser ab, senkrecht schwingen sie sich hundert Meter darüber auf, um erst bei tausend Meter Höhe verflachend zu enden. Im Herbstscheine brennt die Birke, lodert der Ahorn und glimmt die Buche. Gurgelnd kräuselt sich das Wasser über spitzen Felsen am Grunde, als sprudelten Quellen von Kohlensäure im Donaubett. Kanäle sind hier gesprengt und gemauert worden, um den Schiffsverkehr zu ermöglichen, und dennoch schießt das Wasser so wild durch die Schnellen des letzten Kanals, daß es die schwachen Dampfer zurückreißt.
Fischen da nicht Männer im Fes? Wir nahen dem Orient. Von Kahn zu Kahn entspinnt sich eine Unterhaltung: »Die Untermauerung der kunstvollen Szechenyistraße soll herabgebrochen sein? Nun, was tut’s schon! Dann fahrt man halt auf dieser Straße nicht!« Orsova scheint noch einmal einen reinen Nachklang deutschen Wesens zu bringen; denn deutsch ist sein Markt, deutsch die Aufschriften, und Deutsch reden die Leute in den Straßen. Aber die Talmieleganz der rumänischen Oberschicht, geschminkter Offiziere mit schlecht sitzendem Monokel und gezierter Damen, in Wolken aufdringlichen Parfüms gehüllt, grell abstechend von der zerlumpten Armut ihrer Umgebung, erinnern schon peinlich an das Levantinertum des Bosporus. Ada Kale, eine Donauinsel unterhalb der Stadt, trägt zwischen vereinzelten Pappeln und Ruinen alter Festungswerke eine Moschee mit Minarett und schiefe Stockhäuschen mit holzvergitterten Haremsfenstern. Aber noch fügt sich dies rein türkische Bild nicht harmonisch genug in die Umgebung; es wirkt vielmehr, als hätte der Orient auf seinem Rückzüge etwas zu hilfloser Einsamkeit vergessen.
Langsam klingt die Steigerung nun ab, die großartig bewegten Formen stilisieren sich verflachend, und wenn das Fortissimo wieder in den stillen Gang des zweiten Satzes zurückgeglitten ist, hat sich das Gegenthema durchgesetzt: das Deutsche ist dem Osten gewichen. Steilufer zur Rechten und Flachland zur Linken säumen wieder den Strom, aber dunkle Melancholie umschattet nun beide. Die Auenwälder sind mit kümmerlichen Weiden uniform geworden; oft auch fehlen sie ganz. Dann breitet sich zur Linken mit Viehweiden, Schilfhütten und Ziehbrunnen eine trostlose Ebenheit, über die bitterkalte Nordoststürme fegen und die wenigen Bäume entwurzeln. Fern erst steigt eine Terrasse an, die Felder trägt. Das Steilufer zur Rechten aber ist waldlos nackt. Und weiter abwärts wird das Stromland eine weite Zone, die sich fast unübersehbar zwischen entfernten Uferrändern dehnt, geädert von hundert Totwassern und Seitenarmen, die im Kreuzgange von Pappelweiden dämmern. Hier ist die Heimat von Millionen Schwimmvögeln, die aus den schrumpfenden Tümpeln ihre Nahrung schöpfen, bis ein neues Hochwasser die Becken wieder mit Fischen füllt. Selten nur taucht links eine Siedlung auf, fern den feuchten Ufern und ohne zentrierende Gipfelung im Kirchturm.
Ganz fremd schon ist Turnu Severin am Beginne des letzten Satzes. Das regelmäßig gekastelte System seiner Straßen mündet nicht im Herzen eines Platzes, sondern in der Ader einer Langstraße, wo die Leute, nach orientalischer Sitte freilich nur Männer, den lieben langen Tag hindurch vor dem Kaffeehaus an der Sonne sitzen. Rechtwinklig biegt eine andere Straße ab, eine Zeile von Geschäft auf Geschäft: der erste Basar. Felle, Mützen und silberbeschlagene Hochzeitstruhen, all das drängt sich in buntem Durcheinander auf die östlich lärmerfüllte Straße. Nur ein großes modernes Theater sticht grell von der Umgebung ab; freilich wurde es auf deutsche Reparationskosten gebaut. Ein ähnlicher Typ herrscht in Lom, dem Donauhafen für Sofia. Nur ist das Orientalische hier noch wesentlicher geworden, wie sich auch überall auf den Straßen schon die bulgarische Türkin, unverschleiert, aber vom weiten Mantel streng verhüllt, zwischen die Bulgarinnen mit ihren breiten, ernsten Gesichtern mischt. Immer lauter werden die Stimmen des Ostens: Erinnerungen an den Befreiungskampf der Bulgaren, Nikopoli mit seiner meist türkischen Bevölkerung und die Ruinen der Paläste von Orechowo, dem Bade der fürstlichen Haremsfrauen.
In Rustschuk, wo Beschkow mich erwartete, verließ ich das Schlepp, um mit der Bahn nach Warna zu fahren. Rustschuk macht den Eindruck einer halbfertigen Platte im Bade des Entwicklers: denn hier rollt eben erst die große Bauwelle heran, die vor Jahrzehnten schon Pest erstehen ließ. So reißt man denn Reihen von orientalischen Wohnungen rücksichtslos nieder, um für völlig neue Straßenzeilen mit halbmodernen Großbauten Platz zu schaffen. Überraschend ist vor allem die Brutalität der europäischen Durchdringung; denn die neue Stadt kümmert sich nicht um die Gesetze der alten, so daß manchmal alte und neue Straßen mit erheblichem Niveauunterschied aufeinandertreffen und nur roh durch lange Stufenreihen aneinandergehängt werden. In Razgrad, das abseits von der Donau liegt und daher fast noch unberührt von modernen Strömungen ist, blieben wir bei Bekannten zur Nacht. Während wir bequem im breiten Ehebett schliefen, begnügten sich unsere bulgarischen Freunde mit einem bescheidenen Lager auf dem Fußboden: orientalische Gastfreundschaft!
In Warna war meine Europareise zu Ende. Obwohl noch kein Einfluß deutschen Wesens vom Westen bis hierhin vordringen konnte, zeigt Warna nur wenig orientalische Züge; denn fremde Nordsüdströmungen und die Lage am Meere geben diesem größten Hafen Bulgariens einen eigenen Ausdruck von fleißiger Arbeit und modernem Leben. Der Rhythmus des eifrigen Ausbaues erfüllt die ganze Stadt. Zumal am Hafen mit Kaimauer, Leuchtturm und Wellenbrechern treten die neuen Konturen schon scharf hervor. In der Stadt selbst herrscht noch mancher Wirrwarr und manches Unausgeglichene, zumal wo von modernen breiten Straßen unvermittelt orientalische Gäßchen mit der schmutzigen Enge ihrer Holzhäuschen abbiegen. Am peinlichsten aber berührt den Mitteleuropäer das krause Stilgemisch der Neubauten, die meist einen verfälschten Stil vergangener Generationen übernehmen. Besonders bevorzugt ist dabei wieder die Bauart der Gründerzeit; aber da zum großen Prächtigen weder Raum noch Geld vorhanden ist, begnügt man sich mit dem kleinen Prächtigseinwollen, indem man bei kolossalen Fassaden verschnörkelte Giebel betont, Türmchen aufsetzt und Statuen anbringt, in deren erhobenen Händen nachts rote und grüne Glühbirnen leuchten. So hat Warna bei aller Fülle seiner neuen Formen keinen Stil, so daß seine alten Türkenviertel, die sich konservativ gehalten haben, geschlossener und formvoller wirken durch die Tatsache ihres Eigenstiles, so kümmerlich er an sich sein mag. Daß bei Bulgariens Ausbau, an dem in musterhaftem Fleiß eine ganze Nation mitarbeitet, keine Zeit zur Besinnung auf eigenen Stil bleibt, zeigt sich an dem fortgeschrittenen Warna in schärfster Deutlichkeit.
Am Kai schaukelte der Dampfer »Warna« in einem stürmischen Wellengang, der die 25 Meter hohen Hafenmauern mit weißem Gischt überspritzte. Während Beschkow noch einige Tage auf das Rad warten wollte, das natürlich noch nicht eingetroffen war, fuhr ich nach Konstantinopel voraus. Nach tanzender Fahrt durch die Nacht legte der Dampfer in Burgas an. Hat Warna Vergangenheit, so hat Burgas Zukunft; denn bald wird dieser Tabakhafen mit seiner großen Reichweite den alten Getreidehafen überflügelt haben, der sein Hinterland, die Dobrudscha, an Rumänien verloren hat. In Burgas beginnt der Ausbau erst und greift in orientalisches Leben ein; darum sind hier die Gegensätze weit schroffer als in Warna. Nur der neue Typ, den man hier trifft, das vielfenstrige Griechenhaus mit seinem vierfach gegiebelten Dache, reiht sich leicht und natürlich dem europäischen Stile ein, der sich schon deutlich durchsetzt. Denn wir sind am Meer.
Drüben im Westen aber, in dem Lande, das hinter den springenden Wogenkämmen nun langsam versank, fernab vom Meere und seinen fremden Einflüssen, dehnte sich der