Название | Lakritz |
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Автор произведения | Klaus-D. Kreische |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783941895850 |
Als Gepäck für unsere Reise werden vorab die wichtigsten Fragen geklärt: Woher kommt die Bezeichnung ›Lakritz‹, was ist der Grundstoff und wie wird Lakritz hergestellt. Die weiteren Schritte führen uns von der frühesten Benennung des Rohstoffs, über die Verbreitung und die Transformation der Pflanze zum süßen Konfekt. Durch wirre Zeiten, Kriege und Konkurrenzkampf führt der Weg dann über den medizinischen Nutzen der Pflanze und den Rohstoffhandel zu dem heutigen Weichlakritz, dessen Beschreibung mit einem Ausblick in den zukunftsweisenden Orbit endet. Mit solchem Rüstzeug ausgestattet, beginnt sie also, die Reise in die Welt der schwarzen Süßigkeit – dem Lakritz!
1 Süßholz – Die Wurzel des Schmetterlingsblütlers
Lakritz – wie vertraut dieses Wort in unseren Ohren auch klingen mag, sein fremder Ursprung lässt sich nicht verleugnen. Hierfür ist die geschlechtsspezifische Zuordnung ein deutliches Indiz, denn Lakritz kann sowohl männlich als auch neutral sein (der oder das Lakritz) oder weiblich mit der entsprechenden Endung – die Lakritze. Über die Herkunft verrät der Blick ins Wörterbuch mehr. Demnach ist die Bezeichnung ›Lakritz‹ im ursprünglichen Sinn nicht auf seine Anwendung oder seinen Genuss zurückzuführen, sondern auf seinen Rohstoff – die Süßholzwurzel. Die dazugehörige Pflanze wird erstmals im hippokratischen Corpus als ›Süßwurzel‹ mit einer Wortzusammenfügung aus den Wörtern ›glykýs‹ = süß und ›rhiza‹ = Wurzel erwähnt. Das griechische Wort ›Glycyrrhiza‹ ist auch die Vorlage für die botanische Bezeichnung, die seit Dioskurides (1. Jh. n. Chr.) verwendet wird. Damit ist bereits der Name mit der stärksten Charaktereigenschaft der Wurzel verbunden, dem süßen Geschmack. Auch die Bezeichnung ›Lakritz‹ geht auf dieses Glycyrrhiza zurück und ist demnach nichts anderes als eine Abwandlung der griechischen Benennung für die Süßholzwurzel.
Angefangen hat die sprachliche Entwicklung des Wortes zu dem bekannten Lakritz durch eine Angleichung der Schreibweise von Glycyrrhiza. Über Glicoriza, Glycyridia, Gliquiricia führte sie in die spätlateinische Form ›Liquiritia‹. Diese Form setzte sich im 6. Jahrhundert n. Chr. durch und wurde in den Arzneibüchern weit über das 14. Jahrhundert hinaus beibehalten. Durch eine Konsonantenveränderung bzw. Konsonantenverschiebung aus der lateinischen Schreibweise ›Liquiritia‹ lassen sich ab dem Mittelalter dann Umformungen in den verschiedenen europäischen Sprachen verfolgen. Die kürzeste Form, Lykriz, benannte der 1244 verstorbene dänische Canonicus Henrik Harperstreng.1 Ab dem 14. Jahrhundert heißt es in Italien Liquirizia, Liquerizia, Rigritia oder Regolizia. In Frankreich ist es Legorizia, Leglisse, Réquelice, Récolice, Récalisse und schließlich Réglisse, verwandt mit dem spanischen Regaliz. In England entsteht aus ›Liquiritia‹ das englische Liquorice, aber auch Lyquericia, Lycorys und Lacris.
Im deutschen Sprachgebrauch verdeutlicht eine Aufzählung anhand des Glossarium Latino-Germanicum2, dass sich die Bezeichnung von Liq’ricz (1260), gefolgt von Liqueratis und Lacterie sowie Laquerisse in Vokabularien des 13./14. Jahrhunderts noch eindeutig auf ›Liquiritia‹ oder eine andere lateinische Abwandlung beziehen. Daneben bereichern die deutsche Sprache noch Versuche, dem fremden Wort einen zusätzlichen Sinn zu geben. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts beginnt ein Prozess der Eindeutschung des lateinischen Wortes, und es heißt Leckeritz (1394), Lekeitze (1399) und Leckervitz. Dies sind unverkennbare Anklänge an ›lecken‹, ›lecker‹ oder ›Leckerei‹, wobei solche Wörter zu jener Zeit noch den Unterton eines ›ungehörigen Verhaltens‹ beinhalten, der darin heute nicht mehr erkennbar ist.
Weitere Abwandlungen führen am Beginn des 15. Jahrhunderts zu Lackerisse oder Lackaricie (1420), Liquiricium – Ligiricze und Liquericium – Lichcricz (1421), bis 1429 zum ersten Mal Lacritz und Leckeritz erwähnt werden. Schließlich verfestigt sich der Sprachgebrauch mit dem Aufkommen des Buchdrucks, und ›Lakritze‹ setzt sich gegenüber den anderen Bezeichnungen durch. Doch noch lange hielten sich im Sprachschatz solch kuriose Abwandlungen wie die Kölner Variante Klaritz anstelle von Lakritz (1555).3
Darüber hinaus sind auch viele Varianten in der deutschen Mundart überliefert, die keinen direkten Bezug zu dem lateinischen Liquiritia haben. Wie eine Karte von 1932 zeigt4, gehören hierzu die Bezeichnungen ›Bärendreck‹, ›Bärenschiß‹ und ›Bärenzucker‹, die sich südlich der Mosel bis in die nördlichen Alpenländer durchgesetzt haben. Sie waren in Apotheken als arzneiliche Bezeichnung ebenso bekannt wie der Ausdruck ›Christensaft‹.5 Hervorzuheben sind auch die nördlichen Varianten ›Tropp‹, ›Schwarztropp‹ und ›Süßtröppel‹, die sich an die niederländische Bezeichnung ›Drop van zoethout‹ (der Tropfen von Süßholz) anlehnen und auf den Herstellungsprozess verweisen, bei dem der Saft ausgedrückt wird und abtröpfelt.6 An die Endform des aufgekochten Süßholzsaftes erinnern dann die Bezeichnungen ›Klitsch‹, ›Litsch‹, ›Kalitsch‹ und ›Kulitsch‹. Es sind Synonyme für Brei, Mus, Schleim und Kleister, die im niederrheinischen Sprachraum das Lakritz beschreiben. Besondere Erwähnung soll noch der Name ›Teufelsdreck‹ finden, der in zwei Eifeler Dörfern verwendet wurde.
Abb. 1 Mundartkarte mit Bezeichnungen für Lakritz (1932).
Alle diese Nomina beziehen sich auf den getrockneten Süßholzsaft – den Succus-Liquiritiae – und alle daraus hergestellten Produkte, d. h. ›naturreines‹ oder ›echtes‹ Lakritz als Brot (Blocklakritz), Stangen, Pastillen und Pulver oder dem ›unechten Weichlakritz‹ in Form von Konfekt und Dragées. Diesem ›unechten‹ Lakritz werden außer dem Succus noch Mehl, Zucker und andere Stoffe zugefügt.
Den Rohstoff für Lakritz, die Pflanze und ihre Wurzeln, hat in einprägsamer Form der französische Apotheker Louis Hariot (1817-1900) in seiner Abhandlung über die 64 nützlichsten Pflanzen beschrieben.7 Sie sei schwierig, eigenwillig und besitzergreifend, sie vagabundiere und sei umtriebig, so Louis Hariot. Der Enzyklopädist Johann Georg Krünitz (1728-1796) warnte ebenfalls vor der ungemeinen Vermehrung der Glycyrrhiza. Weshalb sie nur an solchen Plätzen anzupflanzen sei, wo sie einigermaßen beschränkt würde, und sich nicht zu weit in den Beeten ausbreiten könne. Er empfahl deshalb die Aussaat in einem eigens eingerichteten Behälter, wie er in dem Herzoglichen Garten zu Weimar stand.8
Mehr verraten die Beschreibungen in der botanischen und medizinischen Fachliteratur.9 Die Glycyrrhiza ist eine Staudenpflanze aus der Familie der Hülsenfrüchtler (Leguminosa) und zählt hier zu der Unterfamilie der Schmetterlingsblütler (Fabaceae oder Papilionaceae). Die frühesten schriftlichen Überlieferungen stammen aus Mesopotamien. Hier wächst das Süßholz zwischen den Flussläufen des Tigris und Euphrat, dem Land, das als Garten Eden bezeichnet wird. Schließlich verweist sein lieblicher Geschmack auf diesen paradiesischen Ursprung. Die Pflanze ist aber auch in anderen Regionen der Welt zu finden. Ihre natürlichen Populationen sind auf der nördlichen Halbkugel zwischen dem 35. und 45. Breitengrad verbreitet. Von Europa über Asien nach Amerika zieht sich hier ein Band, das die Erde wie einen Gürtel umschließt.
Die begrenzte, natürliche Population ist einerseits mit dem gemäßigten Klima erklärbar. Obwohl die Glycyrrhiza bei Temperaturen bis zu -15° C überleben kann, ist sie frostempfindlich und bevorzugt Temperaturen zwischen 3 und 28° C. Andererseits benötigt die Pflanze einen besonderen Boden. Natürliche Standorte sind entweder ausgesprochen trockene Stellen, in Gebüschen oder zwischen Zwergsträuchern, sowie Sand- und Lehmböden. Dabei handelt es sich meist um Alluvionen (lat. alluvio = ›Anschwemmung‹), also Schwemmböden, bei denen Partikel aus Gestein und Schlamm durch die Strömung eines Gewässers mitgerissen und an strömungsärmeren Stellen wie zum Beispiel den Mündungsdeltas von Flüssen abgelagert werden. Solche Böden sind durch einen hohen Anteil an organischen Verbindungen sehr nährstoffreich.
Heute werden bis zu 30 Arten der Pflanze unterschieden. Der schwedische Botaniker Carl von Linné (1707-1778) führte in seinem Werk ›Species Plantarum‹ drei Arten auf: Glycyrrhiza glabra L., Glycyrrhiza echinata L. und Glycyrrhiza hirsuta L.10 Als Heilkraut