Название | Das brennende Meer |
---|---|
Автор произведения | Erik Eriksson |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783941895539 |
»Sind Sie in Paris gewesen, mein Herr?«, fragte Margareta.
»Es war mir vergönnt, die französische Hauptstadt zu besuchen«, antwortete der Mann.
»Jetzt werden wir jedoch auch unsere russischen Freunde besser kennen lernen«, sagte der größere Mann.
»Sind das denn unsere Freunde?«, wollte Margareta wissen.
»Tempora mutantur«, antwortete der Mann. »Die Zeiten ändern sich, das müssen wir begreifen, jetzt geht es um die Sicherheit des Reiches.«
»Und wir wissen ja nicht, ob wir uns auf England verlassen können«, sagte der andere Mann.
»Alles ändert sich«, sagte Margareta. »Der Meinung bin ich auch, wir stehen am Anfang einer neuen Zeit. Ich glaube, dass Bonaparte uns den Weg zeigen wird. Die Zeit der Unterdrückung ist in Europa vorüber, jetzt kommt eine neue Freiheit für alle, die nicht im Reichtum geboren sind.«
»Na ja«, murmelte der kleine Mann. »Die französischen Ideen sind schnell verflogen, sie sind wie trockenes Laub im Wind. Unser König schätzt Bonaparte nicht, und ich denke wie er.«
»Aber man muss doch zugeben, dass diese Gedanken trotzdem sehr zählebig sind«, antwortete Margareta. »Die Idee von Freiheit und Gleichheit scheint fortzuleben.«
»Das ist jetzt vorbei«, sagte der Mann, der in Paris gewesen war.
In dieser Nacht blieb Johanna in der Mägdekammer neben der Küche. In ihrem Abendgebet bat sie Gott, dass er sie ihren Vater bald wiedersehen lassen möge. Darum betete sie jeden Abend, und sie war immer noch davon überzeugt, dass der Vater lebte.
Am nächsten Morgen kam der Wagen und holte die drei Besucher ab. Johanna machte die Gästezimmer sauber, nahm neue Bettlaken heraus, machte die Betten, holte Holz. Nach der Mittagspause fegte sie den Boden des Speisezimmers. Margareta schaute herein, sie suchte ein Buch im Regal des Salons und hatte Johanna gehört, jetzt wollte sie nur guten Tag sagen.
»Du hast gestern Abend alles sehr gut gemacht«, sagte sie. »Es ist spät für dich geworden, die Herren hatten so viel zu erzählen. Sie sind draußen in der großen Welt gewesen und wollten, dass wir das auch ja begreifen.«
»Sind die Russen jetzt unsere Freunde?«, fragte Johanna.
»Im Augenblick scheint das so zu sein, aber das kann sich schnell ändern. Nichts ist wie früher, alles in Europa ist umgestürzt worden.«
»Gibt es hier in Schweden Krieg?«
»Man kann nichts voraussagen. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass wir einer ganz neuen Zeit entgegengehen.«
Der Signalist
In der ersten Dezemberwoche kam die Kälte. Früh morgens lag der Frost weiß und streng um den Hof Nygården herum, der Herbst war vorbei, das verschrumpelte Birkenlaub lag wie Fischschuppen zwischen den harten Erdklumpen und den mit Eis überzogenen, gefrorenen Steinen.
Auf einigen der Steine konnte man unter dem dünnen Film schwarze Striche, verwischte Buchstaben, einzelne Wörter erkennen. Es waren Lars‘ Schreibübungen, seine kleinen Botschaften, die er jeden Tag aufs Neue verfasste. Er schrieb sie, wenn niemand zusah, und nur Johanna las sie und versuchte, sie zu verstehen. Sie fragte Lars jedoch fast nie, was er damit meinte, sie deutete alles selbst, erkannte neue Steine und neue Wörter, die Lars mit Kohle dort aufgeschrieben hatte, vergaß das, was er wieder weggewischt hatte.
Als die Kälte und das Eis kamen, nahm Johanna zunächst an, dass er fürs Erste mit dem Schreiben aufhören würde. Aber sie irrte sich. Lars brachte kleinere Steine vom Strand mit, schrieb drinnen in der warmen Stube, legte die Steine draußen hin und ließ sie über Nacht dort liegen, sodass sie mit einer Eis- oder Frostschicht überzogen wurden.
Eines Morgens wachte Johanna wie schon so oft früh davon auf, dass Filip ächzend und schniefend aus dem Bett kroch. Als sie selbst kurze Zeit später nach draußen ging, sah sie, dass die Stelle, auf die Lars seine Steine gelegt hatte, gewissermaßen sauber gespült war, ein Stück Boden war frei vom Frost. Sie trat näher und sah, dass die Steine bepinkelt waren; da begriff sie, dass es Filip war, der das, was Lars geschrieben hatte, ausradiert hatte.
Das ging so weiter, solange sich in der feuchten Nachtluft Eiskristalle bildeten und solange noch kein Schnee lag. Lars schrieb, und sein des Lesens unkundiger Onkel pinkelte es weg. Jetzt begann Johanna, Lars zu ermuntern. Sie selbst las es, wie sonst auch, aber sie erzählte ihrem Bruder jetzt, dass sie es gesehen hatte, und sie fragte und wollte es genau wissen, sagte, wie sie es verstanden hatte, hatte oft recht, manchmal jedoch irrte sie sich auch.
Eines Tages schrieb sie selbst einige Wörter: DU WIRST GROSS.
Sie suchte drei trockene Steine aus, ordnete sie in einer Reihe an, wartete bis zum nächsten Tag, ob Lars antworten würde. Gerade an diesem Morgen war die Eisschicht etwas dicker. Filip hatte nicht alles löschen können. Sie erkannte die Linien, sie waren undeutlich, aber sie konnte die Antwort lesen, drei Wörter auf drei Steinen: NICHT WIE SIE.
Sie suchte zwei saubere Steine, nahm sie mit hinein, ließ sie trocknen und schrieb: ICH WEISS.
Mit dieser Nachricht an Lars endete der Austausch von Wörtern, Johanna wusste nicht, ob Lars ihre Antwort hatte lesen können. Filip war zuerst da gewesen, vielleicht war die Eisschicht dünner, oder er zielte besser, er hatte die Wörter verwischt, sie waren unleserlich geworden. Die Buchstaben flossen auseinander, hinterließen graue ausgefranste Schatten und gelbliche Ränder, Reste des verstummten Steingesprächs.
Filip schien gewonnen zu haben, Lars hatte aufgehört zu schreiben, Johanna hatte aufgegeben. Dann kam der Schnee und deckte eine dünne Schicht über die Steine, es wurde wärmer und dann wieder kälter, der Schnee verharschte.
Die Schlachtung des zweiten Ferkels wurde vorbereitet. Jetzt sollte Lars keine Gelegenheit mehr haben, dem zu entgehen. Filip nahm den Jungen mit zum Schweinepferch, wo sich die Sau mit ihren beiden noch lebenden Ferkeln aufhielt. Wenn der Frost den Boden richtig hart gemacht hatte, sollten alle Schweine in den Stall kommen, vorher nicht. Eine Zeitlang konnten sie jetzt noch die dünne Schneeschicht aufwühlen.
Das ausgewählte Ferkel lief schnell. Sie verloren es mehrere Male aus dem Griff, Filip schrie Lars an, er solle sich beeilen, nicht herumstehen wie eine alte Frau, er fluchte und krakeelte, schlug Lars mit der flachen Hand in den Nacken und stieß ihn um.
Filip musste das meiste selbst verrichten. Lars wollte das Ferkel nicht bei den Ohren packen, das Tier schrie vor Schmerz oder aus Wut. Plötzlich ließ Lars das Ferkel los, erhob sich und rannte schräg über die Weide in den gegenüberliegenden Wald. Filip blieb stehen.
»Verdammtes altes Weib«, schrie er Lars hinterher. »Aus dir wird nie ein Mann werden.«
Nach einer Weile kam Ruben, und sie schleppten das Ferkel auf die Schlachtbank. Sie schlugen es und ließen das Blut ab wie immer, das war nichts Besonderes. Filip verstand nicht, was mit dem Jungen los war.
Johanna war zuhause, um ihrer Mutter zu helfen. Die Mutter hatte Laura Bescheid gesagt, sie waren übereingekommen, dass Johanna an diesem Tag im Posthaus frei bekommen sollte. Johanna stand mit einem Tranchiermesser in der Hand da, als die Brüder ihrer Mutter in die Küche kamen, um etwas zu essen. Sie begannen mit einem Schnaps, warteten auf etwas Warmes, ein gebratenes Stück Fisch mit Brot vielleicht.
»Der Junge ist in den Wald gelaufen«, sagte Filip.
Maria sagte nichts.
»Aus dem wird niemals ein Mann«, sagte Filip. »Aber ich werde es ihm schon beibringen.«
»Vater hat über Lars zu bestimmen, nicht du«, sagte Johanna.
»Dein Vater ist tot«, antwortete Filip.
»Er kommt wieder.«
»Nein,