Название | Deutsche Indianer |
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Автор произведения | Denise Wheeler |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783864082283 |
1738 ließ sich ein Herrnhuter namens Christian Rauch in der Indianersiedlung Shekomeko in New York bei den Mahicans nieder, die bei Loskiel Mohikaner heißen. Ein Jahr später gab es bereits zehn, und zwei Jahre später sogar sechzig bekehrte Mohikaner. Das weckte große Hoffnungen bei den Herrnhutern, besonders bei Zinzendorf selbst. Die Siedler in der Nachbarschaft hingegen befürchteten, dass die in ihren Augen merkwürdigen Herrnhuter mit den Franzosen paktierten, und dass sie die Indianer gegen die Engländer aufrüsten und stärken wollten. Daher wurde 1744 das Missionieren in New York verboten. Daraufhin zogen die christlichen Mohikaner mit ihrem Missionar nach Pennsylvania. Einige Kilometer außerhalb Bethlehems wurde für sie eine Siedlung gebaut, die den Namen Friedenshütten erhielt. Etwas später entstand eine zweite Indianersiedlung namens Gnadenhütten, in die im Laufe der Zeit mehr und mehr Delawaren aus der Umgebung und Angehörige anderer Stämme zogen. 1750 waren bereits 500 Indianer getauft.
Die Herrnhuter bauten zusammen mit den Indianern Blockhütten und legten Gärten und Felder an, um die Selbstversorgung der Siedlung sicherzustellen. Eine Kirche und eine Schule wurden errichtet, ebenso eine Mühle, eine Schmiede und eine Bäckerei. Die Missionare hielten die Indianer dazu an, sich europäisch zu kleiden, oder wenigstens nicht nackt herumzulaufen, und mit ihnen auf den Feldern zu arbeiten. Sie legten großen Wert auf die Einhaltung der christlichen Gebote, ebenso auf Ordnung und Fleiß. Wer die Regeln nicht befolgte oder sich nicht an den Arbeiten beteiligte, musste den Ort verlassen. Händler, die den Indianern in der Regel Alkohol ausschenkten, durften Gnadenhütten nicht betreten.
Auch wenn die meisten Delawaren nichts von den Herrnhutern wissen wollten, so war diese Mission doch im Vergleich zu anderen Missionen, wie etwa die der Puritaner in Neuengland, recht erfolgreich. Es war ja niemals ein Anliegen der Herrnhuter gewesen, ganze Völker zu bekehren. Ihnen ging es um jede einzelne „Heidenseele“. Mit jedem Kandidaten führten die Missionare oder ihre indianischen Helfer individuelle Gespräche, vor allem darüber, welch große Gnade es für die Menschen bedeutete, dass Gott seinen einzigen Sohn, Jesus Christus, für ihre Sünden hatte sterben lassen. Selbst als Heide konnte man an dieser Gnade Gottes teilhaben. Die erste „Heidenseele“, welche die Herrnhuter „gerettet“ haben, gehörte einem Mohikaner aus Shekomeko mit dem Namen Chingachgook (die große Schlange), der auch Tschoop genannt wurde. Er sollte das Vorbild für die berühmteste Indianerfigur der Weltliteratur werden, für James Fenimore Coopers Der letzte der Mohikaner. In Loskiels Buch findet sich ein Brief, den Tschoop diktiert haben soll und in dem er die Brüder und Schwestern in Bethlehem darum bittet, getauft zu werden:
„Ich bin ein armer wilder Heide gewesen, der 40 Jahre lang nicht mehr gewußt hat, als ein Hund. Ich war der größte Säufer, der willigste Sklave des Teufels unter den Wilden; und weil ich nichts von dem Heilande gewußt habe, so habe ich nichtigen Göttern gedient, die ich jetzt ins Feuer wünsche. Das habe ich mit vielen Thränen bereuet. Als ich hörte, daß er auch der Heiden Heiland wäre, und ich ihm mein Herz noch schuldig sey, so fühlte ich in meinem Herzen einen Zug zu ihm.[…] Der Feind hat mich oft wollen untreu machen, was ich aber zuvor noch lieb hatte, wird mir täglich mehr und mehr zu Koth. Ich bin der arme wilde Tschoop.“6
Chingachgook war ein sogenannter „Erstling“, der nach seiner Taufe (und nachdem er aufgehört hatte, Alkohol zu trinken) auf ideale Weise verkörperte, wie sich die Herrnhuter einen „neuen Christen“ vorstellten. Er war ein einflussreicher Mann und deshalb folgten viele seiner indianischen Bekannten seinem Vorbild und konvertierten ebenfalls.
Loskiel schildert, dass die Indianer während der Bekehrung oft anfingen zu zittern, zu stammeln und hemmungslos zu weinen. Nach solchen Zeichen emotionaler Ergriffenheit hielten die Missionare Ausschau. Das war der Beweis, dass Christus in das Herz des Wilden eingekehrt war und dass er bereit war, getauft zu werden. Am Ende eines längeren Reifeprozesses durften die Indianer schließlich am Abendmahl teilnehmen und wurden als vollwertige Mitglieder in die Gemeinde aufgenommen. In Bethlehem, wo auch einige der Konvertiten lebten, hatten die Indianer den gleichen Status wie die deutschen Brüder und Schwestern. Sie wohnten in den gleichen Häusern und Räumen, bekleideten Ämter und wurden auf dem Friedhof der Gemeinde begraben. Einige Missionare haben sogar Indianerinnen geheiratet.
Loskiels Buch brachte die Delawaren ins Bewusstsein eines großen Lesepublikums. Vieles, was später in Deutschland zu den Charakteristiken des Indianers gezählt wurde, stammt aus den Berichten der Herrnhuter. Hiernach sind die Indianer, auch wenn sie vorher sehr wild und unbeherrscht waren, meist sehr ergriffen von Gottes Wort und von der christlichen Botschaft der Versöhnung. Sie seien bildungsfähig und fügsam. Sie hätten Gemüt und sie lieben Musik. Wenn Karl Mays Winnetou beschloss, ein Christ zu werden, nachdem er ein Kirchenlied gehört hat, das Old Shatterhand komponiert hatte, so folgte er der Herrnhuter Tradition. Bei den Pietisten spielten in der Tat das Singen von Hymnen und die Musik, die sich so vortrefflich dazu eignete, das Herz zu ergreifen, eine wichtige Rolle.
Des Weiteren führt Loskiel in unzähligen Anekdoten vor, wie aufrichtig, ja geradezu kindlich naiv die Indianer an das Wort Gottes glaubten. Er gibt Gespräche meist in direkter Rede wieder. Dabei klingt das, was die Indianer sagen, oft wie eine Weisheit aus Kindermund: einfach, unverstellt und offen. Es kommt direkt von Herzen. Die Delawaren sind bei Loskiel voller Gottvertrauen, und beschämen damit die gebildeten Europäer. Den Pietisten, die gegen Zweifel und Zynismus ankämpften, war das ein Ideal. Der naive Wilde wurde so zum Sinnbild für einen sittlichen Menschen. David Zeisberger, der als Missionar 60 Jahre unter den Delawaren lebte und auf dessen Aufzeichnungen Loskiel sich stützte, behauptete, dass sie gar nicht in der Lage seien, zu lügen oder zu betrügen. Ihre Sprache erlaube das nicht, da sie so präzise sei. Wo im Deutschen viele Umstandsbeschreibungen nötig seien, um einen Sachverhalt auszudrücken, komme der Indianer mit einem Wort aus. Die Delawaren hätten zum Beispiel ein Dutzend Wörter für den Begriff des Fischens, je nachdem, ob sie angeln, Fische mit einem Speer oder einer Harpune erlegen oder mit einem Netz fangen wollten. Wenn der Indianer etwas sagt, dann nur, wenn es wichtig ist, nicht etwa um sich über Nichtigkeiten auszutauschen. Auch das begegnet den Lesern späterer Indianerromane wieder.
Vor allem aber zeigte Loskiel, dass die Indianer ein besonders inniges Verhältnis zu den deutschen Missionaren hatten und zwar deshalb, weil die Herrnhuter wirklich vorlebten, was sie predigten. Auch sie waren Exilanten in der Fremde und wurden wegen ihrer pazifistischen Haltung und ihrer fundamental-christlichen Lebensweise von anderen Amerikanern angefeindet. In den Missionsdörfern teilten sie ihren Alltag mit den Indianern: Sie gingen mit auf's Feld, unterrichteten die Kinder, hielten Gottesdienste ab und besorgten den eigenen Haushalt. Meist lebten sie kaum besser als die Indianer.
Der Versuch, die christianisierten Indianer vor den schlechten Einflüssen „der Welt“ zu schützen und sie zu isolieren, erregte allerdings den Argwohn der Siedler, die in der Nähe der Missionsdörfer lebten und die am Land der Indianer interessiert waren. So kam es immer wieder zu tätlichen Übergriffen. Im Jahre 1750 mussten die Herrnhuter Indianer zum ersten Mal ihre Siedlungen aufgeben und weiter westwärts neu aufbauen. Was nun folgte, war eine lange Geschichte von Vertreibung, Neuanfang und erneuter Vertreibung, die Loskiel detailliert beschreibt. Den Schutz, den sich die Indianer von den Herrnhutern vermutlich erhofft hatten, konnten diese ihnen letztlich nicht geben. Obwohl sie versuchten, sich aus den Konflikten des Pontiac Krieges und später des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges herauszuhalten, wurden die christlichen Delawaren, die in den USA Moravian Indians genannt werden, immer wieder Opfer von militärischen Aktionen, aber auch von Angriffen feindlicher Indianer. Einer der traurigen Höhepunkte ihrer Verfolgung war das Gnadenhütten-Massaker. Am 7. März 1782 ermordete eine pennsylvanische Militäreinheit im Missionsort Gnadenhütten am Sandusky Fluss in Ohio auf brutale Weise 96 Männer, Frauen und Kinder. Die Delawaren hatten sich freiwillig entwaffnen und gefangen nehmen lassen, in