Название | Die Hexen von Kamen |
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Автор произведения | Roswitha Koert |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783942672313 |
„Wann wart ihr zu Hause?“
„Gegen 2.00 Uhr, genau weiß ich das nicht mehr. Sie ist sofort auf ihr Zimmer gegangen.“
„Vielleicht hat sie sich nur von dir verabschiedet und ist noch einmal allein losgegangen. Vielleicht, weil der Abend so mild war.“
„Nein, sie ist auf ihr Zimmer gegangen. Ich weiß es genau.“
„Du weißt es genau? Warst du dabei?“
„Ehhm, ja, ich war dabei. Aber bitte halt die Klappe. Regina braucht das nicht mitzubekommen.“
„Schon klar, Dirk, mach dir keine Sorgen. Aber irgendwann ist Angelika noch einmal herausgegangen. Hattet ihr vielleicht Streit?“
„Na, ja, sie machte gleich einen auf große Liebe und so. Ich habe ’ne Weile mitgespielt, aber dann wurde es mir zu viel. Ich hab ihr deutlich gesagt, dass nach dem Urlaub alles zu Ende sein muss. Und das Regina nichts erfahren darf.“
„Könntest du dir vorstellen, dass sie absichtlich ins Wattenmeer gelaufen ist, Dirk?“
„Ich weiß es nicht. Sie war eigentlich nicht der Typ für so etwas. Aber man weiß ja nie …“
Ich schlich leise aus dem Flur in die Küche. Dort stand das Frühstücksgeschirr noch herum. Ich begann, es in die Spülmaschine zu räumen und blickte erstaunt auf eine Träne, die aus meinen Augen in eine Kaffeetasse gefallen war.
Um wen weinte ich? Um Angelika, um Dirk, um mich?
Ich wusste es nicht, aber ich wollte es auch nicht wissen.
Angelikas Leiche wurde zwei Tage später auf Norderney angespült.
Eine Woche später, als alle gerichtsmedizinischen Untersuchungen und die Obduktion abgeschlossen waren, wurde sie in ihre Heimatstadt Emmerich überführt.
Ein Bruder war angereist und begleitete seine tote Schwester im Leichenwagen.
Torsten, mein Sohn, war heilfroh, als wir nach Kamen zurückzogen. Er hatte sich in Ostfriesland nie einleben können.
Und Dirk hatte er sowieso nicht gemocht.
Kapitel 7
„So eine Schweinerei!“ Anton Praetorius stand mit einem Eimer Wasser und einem Putzlumpen vor seinem Haus und betrachtete die Haustür. „Teufelsbuhle“ hatte jemand mit schwarzem Ruß an die Tür geschmiert. Energisch begann der Pfarrer, die Schmiererei mit einem Lappen und Wasser zu bearbeiten.
„Warte, ich bringe dir Seife. Nur mit Wasser kannst du dem Ruß nicht zu Leibe rücken.“ Maria reichte ihrem Mann ein großes Stück Seife und nickte ihm zu.
„Die ist doch viel zu kostbar, um sie für so eine Schweinerei zu vergeuden.“
„Kostbar oder nicht, Anton, du wirst es anders nicht abbekommen. Und ich will es weg haben. Schon viel zu viele Leute aus Kamen haben es gelesen.“
„Sollen sie es lesen! Ich werde meine Meinung nicht ändern. Und ich werde sie jeden Sonntag laut von der Kanzel aus verkünden. Solange man mich lässt!“
„Anton, ich habe Angst. ,Teufelsbuhle‘ bedeutet, dass du ein Freund der Hexen bist. Sie werden dich auf dem Scheiterhaufen verbrennen.“
„Das werden sie nicht wagen, Maria. Ich habe einflussreiche Freunde in Kamen. Und wenn es zu gefährlich wird, gehen wir weg von hier, Maria. In Worms hat man mir eine Stelle als lutherischer Diakon angeboten.“
„Dann lass uns nicht zu lange warten. Ein Umzug ist eine große Anstrengung für eine schwangere Frau.“
Anton nahm Maria in die Arme. Er wusste, dass sie Angst um ihr zweites Kind hatte, das im Herbst geboren werden würde. Es ging Maria nicht gut. Häufig hatte sie Blutungen und viel zu früh hatten sich erste Senkwehen eingestellt.
„Wir machen es anders, Maria. Wir warten, bis das Kind geboren ist und ziehen nach Worms, sobald es dir und dem Kind wieder gut geht.“
„Hoffentlich ist es dann nicht zu spät, Anton.“
Praetorius stellte scheppernd den Eimer zur Seite und ging ins Haus, ohne seine Arbeit zu beenden. Er mochte die Schwarzmalerei seiner Frau nicht. Immer sah sie von allen Seiten her Unheil nahen. Er war ein Kämpfer und das erwartete er auch von seiner Frau. Wie sollte er gegen Hexenwahn und Zauberei ankämpfen, wenn seine Frau vor Angst fast verging?
Heimlich hegte er den Verdacht, dass auch sie an die Existenz der Hexen glaubte.
Als kurz nach der Geburt ihres ersten Kindes sich nicht gleich wieder eine Schwangerschaft einstellte, hatte sie Agnes, die Magd von Richter Bodde, sofort in Verdacht.
„Sie hat mich auf dem Markt so seltsam angesehen, Anton, ich habe Angst vor ihr.“
„Unsinn!“, hatte er sie gescholten. Aber Maria mied von dem Tag an die Marktstände, an denen sie Agnes begegnen konnte.
Anton war immer noch ganz in Gedanken, als seine Frau hereinkam und in der Holzkiste neben dem Herd zu wühlen begann.
„Was suchst du?“, herrschte er sie unfreundlich an.
„Die Wurzelbürste. Mit dem Lappen ist es dir ja nicht gelungen, deinen Namen von der Tür zu entfernen.“
Mit der Bürste in der Hand lief sie wieder nach draußen.
„Maria“, rief Anton ihr hinterher, „du versündigst dich nicht nur an deinem Mann, sondern auch an Gott, wenn du so etwas sagst.“
Aber Maria schien ihren Mann nicht zu hören. Mit heftigen Bewegungen begann sie, die Rußschmierereien mit der Bürste zu bearbeiten.
Anton setzte sich derweil an den großen Holztisch und begann, die Predigt für den kommenden Sonntag vorzubereiten. Allein anhand der Bibel würde er alle Vorwürfe gegen Zauberei und Hexerei widerlegen können. Das Vergebungshandeln Christi musste auch für Angeklagte in Hexenprozessen gelten.
Anton blätterte in der Bibel, um nach geeigneten Stellen für seine Thesen zu suchen, als er ein lautes Krachen und gleich darauf einen schrillen Schrei seiner Frau hörte.
Er rannte nach draußen und fand Maria wimmernd auf dem Boden vor, beide Hände auf den Bauch gepresst.
„Ich bin über den Eimer gestolpert“, heulte sie, als Anton ihr vorsichtig hoch half. Einen Augenblick später erblickte Maria das schmale, dünne Blutrinnsal, das unter ihrem Rock auf den Boden lief.
„Nein!“, schrie sie gellend und krallte ihre Finger in Antons Arme.
Anton brachte seine Frau ins Haus, legte sie auf das Bett und nahm Mantel und Hut vom Haken.
„Ich hole die Hebamme, Maria. Vielleicht kann sie dir helfen.“
Er wartete nicht auf das Kopfschütteln seiner Frau, sondern eilte hinaus.
Als er nach kurzer Zeit mit der alten Wilma zurückkehrte, lag seine Frau wimmernd auf dem Bett. Sie hatte sich Kissen und Decken, die in erreichbarer Nähe waren, zwischen die Beine gestopft. Doch alles war bereits mit Blut durchtränkt.
„Raus“, herrschte die Hebamme ihn an und er eilte erschrocken zur Tür, um das Weite zu suchen. Hier hatte er nichts mehr verloren. Das ging nur noch die Frauen an.
Erst am Abend traute Anton sich wieder nach Hause. Seine Frau lag weiß wie eine Tote im Bett. Alles war wieder sauber und ordentlich. Wilma hatte die Schmutzwäsche bereits in einem großen Zuber eingeweicht.
„Sie schläft jetzt. Es geht ihr gut. Sie wird es schaffen. Und ihr beide seid noch jung. Ihr könnt noch viele Kinder haben.“
„Wirklich?“, Anton drückte der alten Wilma die Hand.