Abengs Entscheidung. Philomène Atyame

Читать онлайн.
Название Abengs Entscheidung
Автор произведения Philomène Atyame
Жанр Языкознание
Серия Literaturen und Kulturen Afrikas
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783898968249



Скачать книгу

Pas français!«

      »You speak english?«

      »Yes, I speak english.«

      Abeng beruhigte sich, sie brauchte keine Angst mehr zu haben, sie hatte jemanden vor sich, den sie, zumindest vom Sehen, kannte. Es war Manfred, der vor ihr stand.

      Abeng fühlte sich nun erwischt und gab das Versteckspiel auf. Sie war bereit, mit Manfred zu reden. Sie wollte ehrlich zu ihm sein.

      Zuerst suchte sie die Sprache, in der sie sich mit ihm am besten verständigen konnte. Abeng liebte Deutsch, sprach es gern mit Deutschen, wollte es aber nicht gleich tun. Aber Abengs Englisch war nicht gut. Sie besuchte ein französisch-englisches Gymnasium und kannte die zweite Schulsprache besser in den Büchern als im Alltag. Sie erinnerte sich, wie oft ihr übel wurde, wenn sie Englisch in der Schulklasse oder woanders sprechen mußte. Mit dem Pidgin, das viele aus ihrem Bekanntenkreis sprachen, kam Abeng ebenfalls nicht zurecht. Aber selbst wenn sie es gekannt hätte, wäre es in dem Augenblick nutzlos gewesen. Denn Manfred kannte das verdrehte Englisch nicht nur, sondern er haßte es auch. Abeng sagte:

      »Sorry, my english is very bad.«

      »I can’t beleave it. All cameroonians I know say the same, although most of them speak a really good english. The only thing I don’t like is pidgin.«

      »I don’t know pidgin.«

      »But you speak a good english, you are doing it now.«

      »If I speak longer, you will beleave me«, sagte Abeng in gutem Englisch.

      Wie komisch alles! Wie paradox das Ganze! Es gab sie wirklich, die guten und die schlechten Tage, die guten und die schlechten Nächte. Manchmal floß einem eine kaum gelernte Fremdsprache wie Wasser aus dem Mund. Und manchmal fiel es dem Native Speaker schwer, die längst bekannte und beherrschte Mutterzunge zu bewegen.

      Es gab sie, die leichten Zungen. Es gab auch sie, die Redekünstler. Aber das Paradox gab es auch, und es war nicht einfach, dieses Paradox zu erklären. Dafür fanden einige keine weitere Erklärung als den reinen Zufall. Für andere hing es mit den äußeren Umständen und der inneren Verfassung der Sprechenden zusammen. Aber da die innere Verfassung der Sprechenden schwer zu erforschen war, überließ Abeng den Fachleuten die schwere Aufgabe, das ihr nun unangenehme, fast peinliche, aber gleichzeitig angenehme und wohltuende Paradox zu erklären. Schließlich hatte sie einen guten Background in Englisch. Abeng wollte es irgendwann richtig üben. Auch Manfred wollte sein Englisch üben. Aber er tat es nicht, sondern sagte: »I also have some difficulties in english. My mother tongue is german.«

      Abeng war nicht erstaunt, als sie dies hörte. Sie wußte längst, daß Manfred ein Deutscher war. Aber Manfred wußte noch nicht, daß Abeng gern Deutsch sprach. Von seinen Kollegen wußte er nur, daß sie ein französisch-englisches Gymnasium besuchte.

      Abengs Deutschkenntnisse waren ausreichend für eine Unterhaltung. Sie war in der Abiturklasse und hatte fünf Jahre Deutschunterricht hinter sich. Deutsch war ihr Wahlfach. Sie hat sich für die Sprache der Germanen entschieden, weil sie keine feine Speise schlucken wollte. Die meisten ihrer Klassenkameraden wählten Spanisch, diesen Brei, den man nicht zu kauen brauchte, weil er französisch schmeckte. Abeng wollte eine völlig fremde Sprache, fremd von den vielen Caesarensprachen.

      In »Goethes Stube« vertiefte sie sich in die Sprache von Faust. Die Zeit der ersten anstrengenden Übungen mit den Native Speakers war vorbei. Abeng hatte nur noch selten Hemmungen, wenn sie Deutsch sprach. Im Kontchupé unterhielt sie sich gern mit Deutschen. Abeng entschloß sich, mit dem Native Speaker Deutsch zu sprechen. Sie sagte:

      »Ich spreche Deutsch besser als Englisch.«

      Für eine Weile blieb Manfred stumm. Niemals wäre er darauf gekommen, seine Muttersprache aus dem schmalen Mund dieser Einheimischen wahrzunehmen. Er zeigte sich überrascht und fragte:

      »Wie kommt das?«

      »Ich habe Deutsch als Wahlfach in der Schule. Außerdem besuche ich Sprachkurse im Goethe-Institut. Ich mag Ihre Muttersprache.«

      »Das höre ich zum ersten Mal, seitdem ich hier bin. Die meisten Ihrer Landsleute finden Deutsch zu schwer.«

      »Deswegen mag ich es.«

      Manfred war verblüfft. Für einen Augenblick kam ihm Abeng wie eine Trugerscheinung vor. Er war in Rio dos Cameroes und auf der Straße nie jemandem begegnet, der seine Muttersprache fast hemmungslos sprach, sie dazu hochpries, weil sie schwierig war. Zwar wußte er von seinen Kollegen, daß Abeng in der Abiturklasse war. Aber Manfred war schon in der Küstenstadt einigen Abiturienten begegnet, die gern seine Muttersprache sprachen, die er aber kaum verstand.

      Manfred wußte, daß Abeng seit langem mit Deutschen in Berührung war. Jetzt, wo ihr Deutsch es bestätigte, vermutete er, daß er vielleicht zu spät auf sie gekommen war. Und wenn das, was ihm sein Kollege und Freund Uwe im Kontchupé gesagt hatte, wahr war, so war anzunehmen, daß Abeng keinen neuen Fremden mehr kennenlernen wollte. Manfred zweifelte. Zweifelnd gab er Abeng die Hand und stellte sich vor:

      »Manfred heiße ich.«

      »Ich heiße Abeng.«

      »Ich muß Ihnen ehrlich sagen, daß ich bisher in Ihrem Lande niemanden getroffen habe, der so gut Deutsch spricht wie Sie.«

      »Danke! Ich habe, ehrlich gesagt, auch manchmal Schwierigkeiten. Ihre Muttersprache ist eine der schwersten Sprachen der Welt. Aber ich komme schon mit ihr zurecht.«

      »Sie sprechen wirklich gut.«

      Abeng fühlte sich geschmeichelt, aber gleichzeitig vor der Nacht gewarnt, weil, wie man sagte, die Nacht eine gewisse Verderbtheit mit sich brachte. So war Abeng nun der Ansicht, daß die späte Zeit gegen sie war. ›Jedes Mädchen, das man mitten in der Nacht mit einem Weißen sieht, nennt man ohne weiteres Hure‹, dachte sie.

      Aber sie sah in diesen mittleren Nachtstunden nicht nur ›eine gewisse Verderbtheit‹, sondern auch unheimliche Bilder. Sie erinnerte sich an die Beerdigung ihres Großvaters. Es war, als ob Abeng sie zum zweiten Mal erlebte. Sie zuckte, dann dachte sie an den Mann, an den Unbekannten, den ihr Großvater für sie ausgesucht hatte. Abeng hatte diesen Mann noch nicht gesehen, ihr Vater aber schon. Und wie gefiel er Assam!

      Abeng machte einen verstörten Eindruck, versuchte, ihre innere Ruhe wieder zu bekommen.

      »Danke! Ich fühle mich geschmeichelt«, sagte sie, während sie Manfred in die Augen sah.

      »Ich habe Sie drin, auf dem Balkon, malen sehen. Meine Freunde, die Sie schon kennen, haben mir einiges über Sie gesagt, unter anderem, daß Sie das Lycée Bilingue in Jaunde besuchen und deswegen nur als Hobby malen. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, die Malerei als einen Beruf zu betreiben, ich meine als einen Hauptberuf?«

      »Nein, malen wird für mich immer ein Hobby sein. Im Beruf möchte ich etwas anderes machen.«

      »Was?«

      »Literatur unterrichten.«

      »Interessant!«

      »Und Sie?«

      »Ich arbeite schon. Ich bin Telefontechniker bei Siemens.«

      Abeng wußte es längst. Sie hatte die Frage gestellt, weil sie irgendeine Frage stellen wollte. Aber jetzt stand sie sprachlos vor Manfred, wußte nicht mehr, was sie sagen sollte, wagte nicht, das zu sagen, was ihr am Herzen lag. Sie glaubte, daß sie noch nicht dazu fähig war, mit Manfred über ihre innere Verwirrung zu reden. Abeng schaute auf ihre Uhr: es war elf. Sie entschied, mit Manfred ein neues Rendezvous zu verabreden.

      »Ich werde gleich nach Hause gehen. Es ist schon elf.«

      »Sie wollen nach Hause, wenn die Nacht anfängt? Wir können, so lange wir wollen, im Kontchupé bleiben. Am Samstag hat das Lokal bis zur Dämmerung auf. Danach bringe ich Sie nach Hause. Ich habe einen Wagen. Wollen Sie?«

      »Das können wir ein anderes Mal machen. Ich will nach Hause gehen, um die Entwürfe fertig zu malen.«

      »Sie