Abengs Entscheidung. Philomène Atyame

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Название Abengs Entscheidung
Автор произведения Philomène Atyame
Жанр Языкознание
Серия Literaturen und Kulturen Afrikas
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783898968249



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es von ganzem Herzen. Ich versuche es auch. Deswegen bin ich mit dir hier. Ich kann auch das Familienarrangement gleich brechen, wenn ich es will. Nur ein Anruf bei meinem Vater genügt. Er wird nichts dagegen tun. Er wird nur ein paar Tage schweigen, danach wird er wieder mit mir reden. Aber ich will nicht so brutal sein. Solch ein Anruf wäre brutal. Außerdem hat mich mein Vater niemals gezwungen, ihm zu sagen, daß ich diesen Meva’a, den Schullehrer, sehen will. Das muß ich dir genau erklären, damit du mich verstehst. Mein Opa hat den Mann für mich ausgesucht. Aber ich habe nein zu Opa gesagt. Ich habe mich gegen ihn gewehrt. Nach seinem Tod machte ich den größten Fehler aller Zeiten. Ich sagte zu meinem Vater, daß ich den Schullehrer sehen wollte. Er hält den Schullehrer für den erlösenden Prinzen, weil er fromm ist. Ich habe meinen Vater mit meinem Wunsch sogar überrascht. Er wußte längst, daß ich von einer Bi-Ehe träume. Jedesmal, wenn ich mich mit ihm über die schwarz-weiße Liebe unterhielt, war ich überzeugend. Aber er blieb mißtrauisch. Bis heute sagt er, daß junge Europäer nichts vom Glauben halten. Nur, mein Vater wird mich niemals zwingen, irgendeinen Typ zu heiraten. Er hat seine Wünsche und freut sich, wenn sie in Erfüllung gehen. Aber er zwingt niemanden, ihm zu gehorchen. Das einzige, was ihm nicht gefällt, ist, wenn jemand sein eigenes Wort nicht hält. Oft antwortet er mit Schweigen, und wenn er tief verletzt ist, schweigt er lange. Das versuche ich zu vermeiden. Bis heute habe ich ihn nicht zum Schweigen gebracht. Ich will nicht, daß mein Vater irgendwann aufhört, mit mir zu sprechen. Ich kann so etwas nicht aushalten. Deswegen will ich eine friedliche Lösung finden. Wichtig für mich ist, daß ich meinen Vater nicht verletze.«

      »Er wird dich verstehen. Er ist nicht dumm. Er weiß genau, daß jeder Mensch sich irren kann. Irren ist menschlich, nobody is perfect. Außerdem bist du volljährig. Er wird dein Alter ernst nehmen. Du bist kein Kind mehr.«

      »Das ist wahr, aber immerhin schulde ich ihm eine Erklärung. Deswegen will ich vorher mit ihm reden. Ach, das kannst du nicht gleich verstehen.«

      »Das werde ich auch nie verstehen. Vielleicht brauche ich eine kamerunische Taufe, um so etwas zu verstehen.«

      Manfred verstand das nicht. Er verstand Abengs Zurückhaltung nicht. Er verstand nicht, warum sie sich wie eine Gefangene verhielt. Er begriff die Familienbindung nicht, die sich in der jungen Frau gefestigt hatte. Er entschied, Abeng die rohe Wahrheit zu sagen, um sie auf ihre Gefangenschaft aufmerksam zu machen.

      »Aber wenn du deinen Vater nicht verletzen willst, warum hast du am Anfang den Schullehrer abgelehnt? Du wußtest genau, daß dein Vater ihn sehr schätzt. Und warum warst du immer mit Weißen im Kontchupé, obwohl du genau wußtest, daß dein Vater dagegen ist?«

      »Ich hätte meinen Vater mit einer schwarz-weißen Freundschaft nicht verletzt, sondern enttäuscht. Das sind zwei verschiedene Dinge. Ich werde meinen Vater verletzen, wenn ich ihm von dir erzähle, ohne vorher eine Erklärung zu geben. Und das ist ganz unabhängig davon, ob du schwarz oder weiß bist. Mir geht es darum, seriös zu sein.«

      »Bist du frei?«

      »Du hättest Jura studieren müssen. Echt, richten paßt zu dir!«

      »Ich bin nur neugierig. Deswegen komme ich auf meine Frage zurück. Ich kann sie auch gleich beantworten. Du bist nicht frei. Als ich dich draußen angesprochen habe, wolltest du dich nicht lange mit mir unterhalten. Warum? Weil du nach Hause gehen wolltest, wegen dieses Mannes, dieses Schullehrers, obwohl du mich liebst. Wegen dieses Schullehrers wolltest du mir aus dem Wege gehen. Kannst du etwas dagegen sagen?«

      Abeng schwieg. Sie wußte, daß sie die Gaststätte früher als üblich verließ, weil sie eine persönliche Begegnung mit Manfred fürchtete.

      Abeng schien völlig zerrissen zu sein. Sie wußte, daß Manfred sie liebte. Sie wußte auch, daß sie etwas für Manfred fühlte. Mehrmals hatte sie ihn im Lokal angestarrt, sie malte ihn sogar. Dagegen fühlte sie nichts für den unbekannten Schullehrer. Aber Abeng zögerte, sich mit dieser Wahrheit auseinanderzusetzen. Sie wollte vorher ihrem Vater eine Erklärung geben. Sie suchte eine Erklärung, die Assam verstehen würde. Deshalb verdrängte sie ihre Gefühle zu Manfred.

      Aber die Liebesgefühle! Wer kannte sie? Sie waren wie ein Dschungel. Man stand mitten im Walde, man war von Lianen umgeben. Man sah keinen Pfad, obwohl es einen Pfad gab. Man brauchte eine Machete, um den Pfad frei zu schlagen. Man schlug auf wilde Gräser, man fällte Riesenbäume. Der alte Pfad wurde sichtbar. Ein Weg nach vorne, ein Weg nach hinten. Kaum bewegte man aber einen Fuß, wurde man gefesselt, von Lianen des Dschungels gefesselt. Sie banden einem die Beine. Man konnte nicht nach vorne, man konnte nicht nach hinten. Man stand bewegungslos inmitten des alten Pfades. Man brauchte eine Machete, um befreit zu werden. Manchmal schlug aber die Machete auf die Beine. Dann blieb man für ewig liegen, inmitten des Liebespfades. Der Tag wird kommen, an dem Abeng Manfred dies gestehen wird. Aber zuerst sagte sie:

      »Gib mir bitte Zeit!«

      Manfred wartete ungern, vor allem wenn es um die Liebe ging. Er wußte, was er wollte. Für ihn war Abengs Hin und Her ein Zeichen der Schwäche. Aus diesem Grund liebte er keine labilen Menschen. Er vermutete, daß Abeng ängstlich war. So gab er ihr seine Visitenkarte und sagte:

      »Ich gebe dir nicht viel Zeit.«

      Manfred begleitete Abeng nach Hause. Beide wohnten zufälligerweise im gleichen Stadtteil, in Akwa I. Spielte hier das Schicksal mit? In Akwa I. verabschiedete sich Manfred von Abeng. Er verschwand in einem weißen Wagen, begleitet von einem schlechten Bild: der Nord-Süd-Mauer. Sie stand fest vor seinen Augen.

      Es war schon zwei, als Abeng zu Hause ankam. Ihr Geist wurde trübe. Verwirrende Szenen beherrschten ihre Erinnerungen. Die ganze Nacht versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. Es schien ihr, als ob sie im Kino gewesen war. Im Schlafzimmer blieb Abeng eine Weile stehen, holte die Visitenkarte aus ihrer dunkelbraunen Handtasche und sah sechs Zahlen an. ›423460‹, sagte sie innerlich. Abeng hob den Kopf, ging an das noch weit geöffnete Fenster und schaute in den Himmel. Er war voller Sterne. Die Augen zum Gestirn gerichtet, hörte sie eine zweite Stimme in ihrem Innersten sprechen: ›Tochter, du hast eine weise Entscheidung getroffen. Mit Meva’a wirst du glücklich sein.‹ Abeng erkannte diese Stimme. Es war die Stimme ihres Vaters. Abeng senkte den Kopf und blickte wieder auf die Karte: ›423460‹. Und wieder schaute sie in den Himmel. Sie hob und senkte mehrmals den Kopf. ›Ich fürchte, es wird schwer sein, Manfred. Ich fürchte es.‹ Wenn Abeng in dem Augenblick gewußt hätte, daß das gute Recht vor jedem und in jedem Fall zu rechtfertigen war, hätte sie nichts gefürchtet.

      Abeng schloß das Fenster, drehte sich um und betrachtete die vier Wände des Schlafzimmers. Sie waren längst von bösen Mücken besetzt, die sich auf Abengs Blut freuten. Aber Abeng sah die Mücken nicht. Der Wirrwarr ihrer Gedanken quälte sie weiter. Sie erinnerte sich an die Beerdigung ihres Großvaters. Sie dachte: ›Wenn du nur an einer anderen Krankheit gestorben wärest, Opa! Warum bloß an einem Herzinfarkt? Warum bestrafst du mich auf eine so gemeine Weise? Die ganze Familie meint, daß deine Geschichte schwer genug war und mein Widerstand die Spitze des Eisbergs, der dein Herz zum Stillstand brachte. Ich wollte es nicht, Opa. Bitte, verzeih mir.‹

      Abeng weinte bitterlich. Sie dachte mehrmals an Manfred. Sie mochte ihn. Sie erinnerte sich an den Tag, an dem sie ihrem Vater gesagt hatte, daß sie Meva’a kennenlernen wollte. Abeng sah das Leben wie ein Drama voller Akte. Mit trüben Gedanken ging sie ins Bett. Erst um vier Uhr schlief sie ein.

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