Autopsie. Viktor Paskow

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Название Autopsie
Автор произведения Viktor Paskow
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783943941555



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unerbittlich und niederschmetternd. Diese Welt und dieses Leben sind ein Traum unter Narkose. Ich bin ein Zombie.

      An jenem Abend saßen Ina und ich an der Bar, bis der Morgen dämmerte. Svetljo trat mir großmütig seinen Platz ab und verschwand irgendwo in der Menge. Auf dem Podium wechselten sich die Musiker ab. Nur die Buchtel war nicht von der Bühne zu bekommen, so als wollte er aus seiner Seele die ganze Musik hinausspielen, die sich dort in den langen, ekstasefreien Jahren in der luxuriösen Puderdose Dänemark angesammelt hatte. Irgendwann stiegen auch die Jungspunde zu ihm hinauf, und sie spielten wunderbar.

      Worüber wir sprachen, während wir den nachgemachten schottischen Whisky soffen? Ich kann mich nicht mehr erinnern. Über das wiedervereinigte Deutschland, was mich nur peripher interessierte, über das Leben am Theater, das ich nicht gegen drei wiedervereinigte Deutschlands eintauschen würde, über die absolut verrückte Situation in Bulgarien, die die Proleten und Demagogen »Demokratie« nannten, über ihre Arbeit bei irgendeiner Zeitung, wo sie Anzeigenverkäuferin war, und darüber, wie schwierig es war, die Mafiosi bei den Banken dazu zu bringen, ein paar Leva in Werbung zu investieren ...

      Aber wenn ich sie mir so ansah, wie sie mit diesem kurzen Rock auf dem Barhocker saß, der eher einem Lendenschurz der Papuas glich, wie zwischen ihren langen Schenkeln das Dreieck ihres Slips schwarze Funken sprühte, wie ihr das dichte, rote Haar in gleichmäßigen Wellen ins Gesicht fiel und über ihrem asiatisch anmutenden, mandelförmigen sattgrünen Auge mit stecknadelkopfgroßer Pupille zu liegen kam, wie sie es sich mit einer kalkulierten, eleganten Geste ihrer schmalen Hand wegstrich ... und diese winzigen, erotischen Sommersprossen rund um die provokative Stupsnase, unbekümmert verstreut über ihre Haut, die so weiß war wie der Bauch einer Forelle ... zum Teufel, es konnte wohl kaum so schwer sein, der Bankenmafia für ihr Schmierblättchen einen Haufen Kohle aus der Tasche zu leiern.

      Alle kannten Ina. Und alle kamen der Reihe nach an die Bar: Küsschen links, Küsschen rechts, Nasereiben, »Wie geht’s, Baby?« – und obwohl die meisten der alten Kollegen auch mich freundlich ausfragten, wie es mir denn so gehe im verfluchten Deutschland, fühlte ich, dass sie der eigentliche Anziehungspunkt war.

      Das war vielleicht seltsam, aber es bereitete mir Vergnügen. Ina war zu allen gleich nett. Ihre Stimme – tief, samtig und mit silbrigen Intonationen im oberen Register – erinnerte an den Klang eines Englischhorns, das eine langsame und gedehnte Melodie spielt. Diese Stimme umschlang meinen Körper und fiel weich und in zärtlichen Falten auf ihn wie Tüll, wie Sternbilder aus farbigen Bläschen, die im Mondlicht funkeln.

      Gegen vier Uhr morgens gelang es uns, uns (wie ich damals dachte) unbemerkt davonzumachen. Jetzt bin ich geneigt zu glauben, dass uns alle bemerkt hatten, aber weil das Teil des Programms war, hielt es niemand für notwendig, den Lauf der Dinge zu ändern.

      »Wohin?«, fragte ich energisch, als wir im Audi saßen.

      »Exarch-Josif-Straße, gleich neben der Kirche«, antwortete sie ebenso energisch.

      Das gefiel mir irgendwie. Es machte mich sentimental. Ich war in der Iskăr-Straße geboren, nur eine Querstraße von der Exarch-Josif-Straße entfernt, und hatte meine ganze Kindheit in diesem alten, staubigen Viertel verbracht. Ina war offensichtlich neu zugezogen, denn es wäre nicht möglich gewesen, dass ich nichts von ihr wusste. Jedes Haus und fast jeder Bewohner waren mir aus der Vergangenheit bekannt. Ich war ein Oldtimer.

      Es zeigte sich, dass sie im Haus von Mitko dem Schönen wohnte, nur dass seine Wohnung im ersten Stock war und ihre im vierten. Ina kannte Mitko nicht, wie nicht anders zu erwarten. Wir absolvierten seinerzeit zusammen das Gymnasium in der Stara-Planina-Straße, danach wurde Mitko Filmvorführer im Kino und verschwand nach Kanada, wo sich seine Spur verlor.

      Die Hälfte ihrer Einzimmerwohnung wurde von einem riesigen Bett eingenommen. Die Bettdecke war zurückgeschlagen, die weißen Laken leuchteten matt im Halbdunkel. Ansonsten ein Bücherregal, Telefon, in der Ecke ein Tisch mit drei Stühlen, Küchenbox, Bad.

      »Willst du duschen?« Ihre Frage klang ganz natürlich, so als fragte sie mich, ob ich einen Kaffee und die Morgenzeitung wollte.

      Ebenso natürlich zog ich T-Shirt und Jeans aus, streifte die Unterhose ab und machte mich auf den Weg zur Dusche. Neben dem Spiegel stand ein Glas, aus dem noch verpackte Zahnbürsten ragten. Lange putzte ich mir die Zähne und spülte den Mund aus. Der gefälschte Whisky brodelte in meinem Magen. Ich fragte mich, ob ich ihn nicht davon befreien sollte, aber das Geräusch wäre im Zimmer zu hören gewesen.

      Ich entschied mich für Strafduschen und stand lange unter dem grausamen Strahl. Ich gab mir Mühe, nicht zu denken. Die Kadenz drang erneut in meinen Kopf ein. Ich stellte die Dusche genau bei jenem durchdringenden letzten Ton in der vierten Oktave ab. Ich fühlte mich richtig gut.

      Als ich das Zimmer betrat, räkelte sie sich in der Mitte des riesigen Bettes, ihr flammengleiches Haar lag über die Kissen verstreut, und die Decke war zu Boden geglitten. Sie hatte etwas wie einen weißen Arztkittel an, der bis ganz unten aufgeknöpft war. Sie verschränkte die Hände hinter ihrem Schwanenhals und spreizte die Beine. Ihre lockigen, rötlichen Härchen schimmerten durch den Netzslip, und ihre großen, birnenförmigen Brüste mit den rosa Warzen quollen zu drei Vierteln aus dem dünnen Band des schwarzen BHs hervor. Ihre vollen Lippen öffneten sich, und sie ließ ihre Zungenspitze über sie gleiten.

      »Komm«, raunte sie. »Langsam.«

      Ganz langsam beugte ich mich voll erigiert über sie. Ich hatte das Gefühl, als legte ich mich auf eine chinesische Vase. Genau in dem Augenblick, als sich unsere Körper berührten, drehte sie sich zur Seite und legte sich auf den Bauch. Ich fiel neben sie aufs Bett. Mein Herz schlug wie verrückt.

      Sie beugte sich über mich, steckte die Daumen in das Band ihres BHs und zog es hinunter. Ihre Brüste, die nach Honigmelone dufteten, schaukelten vor meinem Gesicht, und ihre harten Brustwarzen berührten meine Lippen. Ich hob die Hände, um sie zu umfassen, aber sie flüsterte:

      »Du wirst nichts tun. Du wirst dich nicht rühren. Du wirst mich nicht berühren. Wiederhole!«

      »Ich werde nichts tun ...«

      Ina legte sich auf mich und ließ ihre Zunge über meine Wimpern, meine Nase, meine Lippen und meinen Hals gleiten. Ihr Körper rutschte immer weiter nach unten. Er war feucht und klebrig. Sie begann, an meinen Brustwarzen zu saugen – zuerst an der linken, dann an der rechten, sie nahm sie zwischen die Zähne und biss leicht hinein. Ein Krampf ging durch meinen ganzen Körper. Ihre Zunge kreiste um die Vertiefung des Nabels, glitt hinein und wieder hinaus, und mein Penis, der inzwischen zu unglaublichen Ausmaßen angeschwollen war, rieb sich an ihren schaukelnden Brüsten und benetzte sie mit seinem klebrigen Sekret. Sie nahm die Eichel zärtlich mit ihrer Unterlippe auf, umfasste meinen Penis mit der Hand und leckte ihn ab. Danach umschloss sie ihn ganz mit den Lippen und begann, rhythmisch den Kopf zu drehen, wobei sie ihren Griff abwechselnd verstärkte und lockerte. Ich stöhnte auf und erzitterte.

      »Du wirst dich nicht rühren«, flüsterte sie für einen Augenblick und begann dann wieder, an ihm zu saugen. Diesmal nahm sie ihn bis zur Wurzel auf, und ich war verblüfft darüber, dass er ganz in ihren Mund passte und wie tief er in ihrem Hals eingedrungen war. Gleichzeitig schob sie mit zwei Fingern ihren Slip zur Seite und begann, ihre Klitoris zu massieren, sich die Finger einzuführen und sie wieder herauszuziehen mit jenem zärtlichen, schmatzenden Geräusch, das die Sinne vibrieren lässt und das Bewusstsein verfinstert. Sie legte sie auf meine Lippen, und ich leckte sie ab; sie hatten einen seltsamen, leicht süßlichen Geschmack von gekochten Kastanien. Sie saugte meinen Penis aus, gab ihn dann frei und begann, ihn mit der Hand zu massieren, indem sie zudrückte und den Griff wieder lockerte. Danach beugte sie sich herab und küsste mich, wobei sie mir ihre Zunge tief in den Hals steckte.

      »Du wirst nur zusehen«, flüsterte sie wieder, »und wirst nichts tun ... Wiederhole!«

      »Ich werde nichts tun ...«

      Ihr Flüstern machte mich schwindlig, und ich fühlte mich seltsam leicht und willenlos. Mein einziger Wunsch war es, endlich in sie