Die Stimme. Bernhard Richter

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Название Die Stimme
Автор произведения Bernhard Richter
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783894878207



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Frauen bei der Phonation gut beobachten, und die daraus resultierende tiefe Sprechstimme gut hören. Als prägnante Beispiele können Nachrichtenmoderatorinnen im Fernsehen wie Petra Gerster, Caren Miosga, Gundula Gause u. a. herangezogen werden. Die Tief- und Hochstellung des Larynx bewirken eine Verlängerung oder Verkürzung des Vokaltraktes und haben damit direkten Einfluss auf die Klangformung. Dieser Vorgang der Längenvariation wird auch zur Erzeugung der voix sombrée eingesetzt (vgl. Kap. 5, S. 112, u. Kap. 6, S. 141). Auch der Mechanismus des »Deckens« beim Registerübergang wird durch eine Tieferstellung des Kehlkopfes begünstigt (vgl. Kap. 6, S. 141). Weitere Muskeln wie M. sternohyoideus (vgl. Abb. 25 a/b, S. 44) und M. thyrohyoideus sowie die Mundbodenmuskulatur (vgl. Abb. 48, S. 58) können ebenfalls die Stellung des Kehlkopfes und damit die Klangeigenschaften der Resonanzräume modifizieren (Abb. 53 a/b). Es gibt in der Musik kein vergleichbares Instrument, welches sowohl den Durchmesser als auch die Länge der Resonanzräume so rasch und umfassend variieren kann.

      Abb. 52 a/b: Veränderungen der Vokaltraktlänge eines Tenors bei Phonation a) im Falsett, b) in der Bühnenstimme des Tenors; MRT-Aufnahmen

      Abb. 53 a/b: Variation der Kehlkopfhöhe bei Phonation: a) tiefgestellt, b) hochgestellt; MRT-Aufnahmen

      Abb. 54 a/b/c: Abhängigkeit der Zungenstellung bei unterschiedlichen Vokalen und verschiedenen Gesangsstilen:

      a) Klassik [a], b) Klassik [i], c) Musical [i]; MRT-Aufnahmen

      Der Begriff Vokaltrakt erscheint im Bedeutungszusammenhang besser gewählt, da in ihm durch sehr unterschiedliche Stellungen der Zunge tatsächlich die Vokale geformt werden wie in Abbildung 74, S. 83, zu sehen ist. Aus den Abbildungen 54 a/b/c, S. 60, wird auch deutlich, dass es Unterschiede in der Vokalformung bei den verschiedenen Gesangsstilen gibt. Jedoch greift auch dieser Begriff etwas zu kurz, da die Klangformung nicht nur die Vokale betrifft, sondern auch die stimmliche Tragfähigkeit entscheidend von den Verhältnissen dieser Räume abhängt.

      Der Begriff Resonanzräume ist ebenfalls missverständlich, da das eigentlich schwingende Element die Luftsäule ist und nicht die Wände des Vokaltraktes. Die Rolle dieser schleimhautausgekleideten Räume kann man nicht mit dem echten Mitschwingen des Holzes bei einer Geige vergleichen. Zum vollständigen Verständnis der resonatorischen Eigenschaften dieses Systems sind weitere Forschungsarbeiten notwendig. Seine grundlegenden akustischen Eigenschaften wie die Formanten (Vokal- und Sängerformanten) werden nach aktuellem Wissenstand in Kapitel 4, S. 82 ff. ausführlich beschrieben.

      Der im Kehlkopf gebildete Primärklang wird hinsichtlich seines Klangcharakters und seiner Tragfähigkeit entscheidend durch die resonatorischen Eigenschaften der Räume oberhalb der Stimmlippenebene geformt. Die an der Klangformung beteiligten Räume werden synonym als Vokaltrakt, Ansatzrohr oder Artikulations- und Resonanzräume bezeichnet. Sie werden anatomisch im Wesentlichen durch den Larynxeingang, den Pharynxschlauch, die Mundhöhle mit der Zunge und dem Gaumensegel sowie die Lippen begrenzt. In der physiologischen Klangformung sind die Begrenzungen der Resonanzräume beim Menschen durch die enorme Variabilität der Stellung der Zunge, des Gaumensegels, der Lippen, des Kehldeckels und der Position des Kehlkopfes äußerst flexibel.

      1 Im Gesangsstudium des Autors wurde diese Haltung von der Gesangsprofessorin Beata Heuer-Christen durch die bildliche Vorstellung »Breit den Rücken wie ein Rind« evoziert.

      3. Methoden zur Darstellung, Analyse und Beurteilung von Stimmen

      Bernhard Richter

      Es gibt unterschiedliche Sinnes-Kanäle, mit denen wir die Qualitäten der Stimme wahrnehmen und beurteilen können: den Hör-, Seh- und Tastsinn sowie das Fühlen und Spüren von Körpersensationen (die sog. Propriozeption). Darüber hinaus können wir mit unterschiedlichen technischen Messinstrumenten vielfältige Merkmale der Stimme aufzeichnen und analysieren.

      Dem »Instrument Stimme« kann man sich außerdem aus ganz unterschiedlichen Perspektiven nähern, die unterschiedliche Grundvoraussetzungen bedingen:

      • Produziert man die Stimme selbst?

      • Hört man einer fremden Stimme zu?

      • Wird »just for fun« gehört?

      • Wird eine bewertende Perspektive eingenommen?

      Eine wertende Perspektive kann wiederum von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgehen, je nachdem, ob die Beurteilung eines Schülers durch einen Lehrer, die eines Künstlers durch einen Kritiker, oder diejenige eines Stimmpatienten durch einen Stimmarzt bzw. -therapeuten erfolgt. Im Idealfall ziehen alle Beteiligten die gleichen Kriterien zur Beurteilung heran und kommen zu einer einheitlichen Wertung – dies ist jedoch leider nicht immer der Fall.

      Meist wird die primäre Beurteilung einer Stimme hörend, also mit den Ohren, erfolgen. Menschen, die nicht selbst stimmlich geschult sind, haben zumeist einen wertfreien Zugang zu Stimmen. Mit zunehmender Schulung des analytischen Gehörs wird der Höreindruck jedoch – fast zwangsläufig – bewertend. Bei Sängern und Schauspielern müssen in der Hörbeurteilung spezifische Fähigkeiten der Stimme erfasst werden, die im Grenzbereich zwischen wissenschaftlicher Abbildbarkeit und subjektiver künstlerischer Einschätzung angesiedelt sind.

      Heute ist eine komplexe Beschreibung der Stimmfunktion anhand wissenschaftlich abgesicherter Verfahren möglich, die sich multidimensionaler Kriterien bedient. Dabei können methodisch sehr unterschiedliche Verfahren wie die auditive Klangbeurteilung des Zuhörers bzw. des Stimmproduzenten selbst, die Visualisierung der Stimmlippenschwingungen sowie die akustische Klang- und Schallanalyse zu einer Gesamteinschätzung zusammengefasst werden.

      Im Folgenden werden die wichtigsten Methoden und Möglichkeiten vorgestellt, mit denen eine Stimme dargestellt, analysiert und beurteilt werden kann. Der Fokus liegt dabei vornehmlich auf der Betrachtung und Beschreibung einer ungestörten, gesunden Stimmfunktion.

      Eine über das vorliegende Kapitel hinausgehende anschauliche und umfassende Darstellung weiterer diagnostischer Möglichkeiten, auch im Hinblick auf den Einsatz in der Beurteilung gestörter Stimmen, findet sich bei Nawka und Wirth S. 139 ff. (Nawka u. Wirth 2007).

      Der Hörsinn ist der wichtigste Sinn bei der Stimmbeurteilung. Er ist der einzige der im vorliegenden Kapitel beschriebenen Sinneskanäle, der für die Beurteilung einer Stimme immer vorhanden sein muss. Die anderen Qualitäten lassen sich zum Teil hörend erschließen.

      Das Ohr vereint in sich sowohl den Hörsinn als auch den Gleichgewichtssinn. Im Folgenden sollen – unter Aussparung des Gleichgewichts – einige wenige anatomische und physiologische Aspekte des Hörens zur Darstellung kommen, die für das Verständnis des Hörvorgangs beim Sprechen und Singen wesentlich sind. Für weiterführende und detailliertere Erläuterungen werden die Monografien von Hellbrück und Ellermeier »Hören: Physiologie, Psychologie und Pathologie« (Hellbrück u. Ellermeier 2004) oder Lehnhardt und Laszig »Praxis der Audiometrie« (Lehnhardt u. Laszig 2009) empfohlen.

      Anatomisch zeigt das Hörorgan einen dreiteiligen Aufbau (Abb. 55). Man unterscheidet a) das Außenohr mit Ohrmuschel und äußerem Gehörgang, b) das Mittelohr mit dem Trommelfell,