Wenn ich groß bin, werd' ich auch ein Machu Picchu. Gabriela Urban

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Название Wenn ich groß bin, werd' ich auch ein Machu Picchu
Автор произведения Gabriela Urban
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783958893580



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heute, etwa vier Jahre später, kann ich mich an meine zitternden Beine von damals erinnern, als ich das Flugzeug betrat. Ich tat mich schwer damit, die Kontrolle abzugeben und nicht zu wissen, was uns alles erwarten würde. Nur gleichmäßig weiteratmen, versuchte ich mich zu beruhigen. Doch dieses beklemmende Gefühl in meiner Brust wurde immer heftiger und heftiger. Mein Puls pochte gewaltig gegen meine Schläfen. Hoffentlich würde ich nicht gleich von einer Panikattacke übermannt. Krampfhaft versuchte ich, ruhig weiterzuatmen. ›Hatte ich wirklich an alles gedacht?‹, grübelte ich. Wie gut, dass ich zu jenem Zeitpunkt nicht wusste, dass ich tatsächlich die Feuchttücher in meinem übergroßen Handgepäck vergessen hatte, ansonsten wäre ich mit großer Wahrscheinlichkeit schreiend umgekehrt und nicht mehr zurückgekommen.

      Eine Flugbegleiterin zerstreute meine karussellfahrenden Gedanken. Sie lächelte mich freundlich an, und beim Vorbeigehen kniff sie Dante liebevoll in sein kleines, zartes Füßchen. Sofort fing er an, vor Freude laut zu quieken. Er strahlte übers ganze Gesicht, und seine Wangen färbten sich verdächtig rot, als ob er sich gerade verliebt hätte. Ich musste schmunzeln. Kurz nachdem wir unseren Sitzplatz erreicht hatten, kam die Flugbegleiterin herbeigeeilt, reichte mir einen Loop Belt, mit dem ich meinen kleinen Reisebegleiter auf dem Schoß anschnallen konnte, und überschüttete meinen Sohn mit Geschenken. Dante war ganz aus dem Häuschen, biss sofort in seinen neuen flauschigen Spielgefährten hinein und inspizierte freudestrahlend die ungewohnte Umgebung.

      Meine anfängliche Aufregung legte sich tatsächlich. Irgendwo über den Wolken, zwischen dem trauten Heim und dem fernen Indonesien, war sie unbemerkt von mir abgefallen. Als wir dann auf Bali aus dem Flieger stiegen, konnte ich es kaum glauben. Wir hatten es gewagt. Trotz großer Müdigkeit – einem latenten Zustand, den ich von zu Hause her gut kannte – fühlte ich mich lebendig und voller Adrenalin. Vor uns lag eine intensive Familienzeit mitten in den Tropen, umgeben von meterhohen Palmen, hinduistischen Tempeln, blühenden Frangipani-Bäumen, brausenden Meereswellen und malerischen Reisfeldern. Einen besseren Ort hätten wir uns für unser erstes großes Reiseabenteuer als Familie nicht aussuchen können. Lars sah es genauso – und Dante sowieso. Er hatte den Großteil des Fluges mit Schlafen verbracht und war jetzt bereit, endlich ein wenig Reise-Action zu erleben.

       REDEN WIR ÜBERden ersten großen Schritt

      Rückblickend betrachtet, kann ich nach bestem Wissen und Gewissen sagen: Wie gut, dass wir nicht auf die anderen gehört haben! Wenn mein Mann und ich all den Kritikern um uns herum Folge geleistet hätten, dann hätten wir bis heute mit großer Wahrscheinlichkeit nur ein paarmal unsere eigenen vier Wände verlassen, um einen kurzen Urlaub an der Ostsee, in Dänemark oder im allerriskantesten Fall auf Mallorca zu machen.

      Doch wir Eltern kennen es ja aus dem Alltag. Sobald es um Erziehungsfragen oder das Wohl des eigenen Kindes geht, reden plötzlich alle Außenstehenden mit. Komischerweise auch die kinderlosen. Die einen schreien vehement: Auf jeden Fall stillen, denn Flaschenkinder erleiden langfristig physische und psychische Defizite, die sie nie wieder aufholen können! Die anderen entgegnen: Ja, Stillen ist wichtig, aber bloß nicht zu lange. Spätestens nach Vollendung des ersten Lebensjahres muss das Kind abgestillt sein, besser schon viel früher. Und dann gibt es wiederum Eltern, die sagen: Mein Baby hat sich auch mit Milchpulver prächtig entwickelt. Kita fördert die Entwicklung und das soziale Verhalten des Kindes. Nein, auf keinen Fall, das Kind soll so lange wie möglich mit der Mutter zu Hause bleiben. Am besten bis es eingeschult wird. Mütter sollen arbeiten gehen. Oh nein, diese bösen, egoistischen Rabenmütter, die nur ihre eigene Karriere im Kopf haben ... Auf jeden Fall impfen! Auf keinen Fall impfen!!! Egal wie wir Eltern es machen, wir können es nicht allen recht machen. Diese kleine bittere Wahrheit lernen zahlreiche Mütter und Väter bereits in den frühen Monaten. Und dann heißt es, unbeirrt seinen Weg finden, mit dem sich Eltern und Kind wohlfühlen und der zum eigenen Lebensstil passt.

      Genauso verhält es sich beim kontroversen Thema ›Reisen mit Kindern‹. Sobald man nur den Gedanken ausspricht, dass man in Erwägung zieht, mit der Familie in die Ferne zu reisen, wird der Aufschrei in den eigenen Reihen unüberhörbar. Das war bei uns nicht anders – und ich fühlte mich sofort als Rabenmutter abgestempelt, die aus egoistischen Beweggründen ihrem kleinen Kind ein untragbares Leid aufbürden möchte. Auch andere Eltern werden mit dieser Kritik heftig vor den Kopf gestoßen. Viele wollen, auf Teufel komm raus, diese Eltern von ihrem irrwitzigen Vorhaben abbringen. Und das, obwohl sie eigentlich niemand so richtig nach ihrer Meinung gefragt hat und obwohl sie nie selbst mit einem Kind in die Ferne gereist sind.

      Macht es nicht mehr Sinn, diejenigen zu fragen, die weitreichende Erfahrungen gemacht haben und genau wissen, wovon sie sprechen? Was einen erwartet? Wie es vor Ort wirklich ist? Und mit welchen Hürden und Herausforderungen man zu rechnen hat?

      Wenn man sich auf die Suche nach Eltern begibt, die tatsächlich mit ihrem Nachwuchs das große Reiseabenteuer gewagt haben, weichen die Meinungen plötzlich von den vielen Kritikerstimmen ab: »Die Reise war viel entspannter, als wir zuvor gedacht hatten, und wir haben uns im Vorfeld viel zu viele überflüssige Gedanken gemacht.« »Reisen mit Kindern ist wirklich kein Hexenwerk, und unsere Reise war eine besondere und unvergessliche Zeit.« »Kaum zu Hause angekommen, haben wir sofort überlegt, wohin unsere nächste Reise gehen soll.«

      Also doch! Wir sind nicht die einzigen wagemutigen Exoten, die so etwas unternehmen wollen. Reisen mit Kindern ist möglich – und geht sogar wunderbar. Man muss es sich nur trauen.

       Gemeinsame Elternzeit – die perfekte Gelegenheit

      Gemeinsame Elternzeit wird in unserer Gesellschaft immer salonfähiger. Zum Glück! Mehr und mehr Väter entscheiden sich, ihren Job für eine befristete Zeit gegen Windeln, Babyrassel und Kinderlieder einzutauschen, um die eigene Beziehung zum Kind zu intensivieren und ihm beim Wachsen zuzuschauen. Ein wunderbares Geschenk an die Familie, das uns der deutsche Staat ermöglicht.

      Selbstverständlich kann man die gemeinsame Elternzeit zu Hause bleiben. Doch es spricht nichts dagegen, diese Gelegenheit aktiv zu nutzen, um einen anderen Ort zu erleben. Im Gegenteil, mir fallen zahlreiche Gründe ein, das unbedingt zu tun:

      1 Die Möglichkeit, ohne nennenswerte Hürden so viel Urlaub am Stück zu bekommen, ist einmalig (zumindest mit einem Kind). Während andere Menschen hierfür ihren Job kündigen oder sich ein Sabbatical erkämpfen, müssen Mütter und Väter ihren Arbeitgeber nur rechtzeitig informieren, dass sie in Elternzeit gehen. Dank der Gesetzeslage in Deutschland sind sie noch nicht mal verpflichtet zu fragen.

      2 So niedlich und herzerwärmend die kleinen Geschöpfe auch sind, der Familienalltag kann kräftezehrend und nervenaufreibend sein. Und gerade nach den ersten Monaten im Leben des neuen Erdenbewohners tut allen Familienmitgliedern eine Erholung gut, weit entfernt von den nervigen Verpflichtungen im Haushalt und Alltag. Warum also nicht gemeinsam mit der Familie den Blick übers Meer schweifen lassen, statt daheim auf die liegengebliebene Steuererklärung zu starren? Beim gleichmäßigen Rauschen der Wellen lässt sich die Familienzeit viel besser genießen, als wenn sie jeden Augenblick vom Piepsen der fertigen Waschmaschine unterbrochen würde.

      3 So günstig wird das Reisen nie wieder! Denn Kinder bis zwei Jahre reisen quasi kostenlos mit. Im Flugzeug benötigen sie keinen Extrasitzplatz, der das Reisebudget strapaziert. Das gilt auch für andere Transportmittel wie Züge oder Boote – und im Hotel wird auf die Rechnung kein zusätzliches Bett draufgeschlagen, da sie ja eh im Elternbett schlafen oder ihr eigenes Reisebett mitbringen. Und wenn erst das gemeine Wort »Schulferien« das Familienleben beherrscht, wird es leider so richtig teuer und unflexibel. Dann heißt es: bye-bye, du preiswerte Nebensaison.

      4 Kleine Kinder sind um einiges anpassungsfähiger, als viele Menschen annehmen. Sie fühlen sich vor allem wohl, wenn ihre Eltern um sie herum sind. Und wenn Mama und Papa entspannt und relaxt sind, steigt ihr Stimmungsbarometer in der Regel ebenfalls an. Ob es nun im eigenen Kinderzimmer oder unter der tropischen Sonne Balis ist, ist dem kleinen Nachwuchs schnurzegal. Außerdem will er noch nicht das Urlaubsprogramm bestimmen. Das kommt erst später, wenn das Museum »sooo langweilig« ist.

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