Respekt!. Per Jensen

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Название Respekt!
Автор произведения Per Jensen
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783866907713



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ist. Am deutlichsten ist dies an Hühnerfleisch zu sehen. Unter Berücksichtigung der Inflation kostet es heute weniger als ein Viertel seines Preises in den 60er-Jahren. Diejenigen von uns, die diese Zeit erlebt haben, erinnern sich, dass Huhn ein Luxus war, den die Familie sich vielleicht einmal im Monat leisten konnte. Heute werden die feinsten Stücke für so niedrige Preise verkauft, dass jedermann sie täglich auf den Tisch bringen kann, wenn er das möchte.

      Diese dramatische Preissenkung bei Fleisch hängt mit drei wichtigen Veränderungen innerhalb der Tieraufzucht und der Nahrungsmittelproduktion zusammen. Zunächst sind da die Großbetriebe. Die Anzahl der Tiere pro Hof ist in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch gestiegen, was die Kosten für Personal, Räumlichkeiten und Maschinen im Verhältnis gesenkt hat. In heutigen Schlachthühnerfarmen leben normalerweise zwischen 50.000 und 100.000 Tiere. Der Preis sinkt, aber der persönliche Kontakt mit jedem Tier geht verloren.

      Die zweite große Veränderung besteht in der Spezialisierung. Vor 50 bis 60 Jahren gab es auf einem Bauernhof üblicherweise ein paar Kühe, einige Schweine, eine Schar Hühner und dazu vielleicht noch ein paar Schafe. Heute ist man nicht nur auf bloß eine einzige Tierart spezialisiert, sondern darüber hinaus normalerweise auf eine einzelne Kategorie innerhalb dieser Art. Einige halten Säue, die Ferkel werfen, während andere die Jungschweine kaufen und sie aufziehen, bis sie im Alter von etwa sechs Monaten reif zum Schlachten sind. Die Züchter von Mastschweinen haben auf ihrem Hof kein einziges ausgewachsenes Schwein. Es gibt Bauern, die Hühner zum Eierlegen halten – die Küken, die das Fleisch bringen sollen, werden allerdings von ganz anderen Landwirten aufgezogen. Die Spezialisierung ermöglicht eine weitgehende Rationalisierung von Maschinen und Platz. Breit gefächertes Wissen über verschiedene Tierarten und deren unterschiedliche Bedürfnisse ist unter den heutigen Bauern jedoch selten geworden.

      Der dritte und vielleicht wichtigste Grund dafür, dass Fleisch so billig geworden ist, ist der Fortschritt innerhalb der Zucht. Durch zielgerichtete genetische Züchtung haben Aufzuchtunternehmen erreicht, dass die einzelnen Tiere im Durchschnitt doppelt so viel wie noch vor 50 Jahren produzieren. Schweine wachsen beinahe doppelt so schnell und Kühe geben beinahe doppelt so viel Milch, ohne deutlich mehr Futter zu benötigen. Sogar in dieser Hinsicht stechen Hühner heraus: Sie brauchen heute etwa 35 Tage, um von den 50 Gramm, die sie beim Schlüpfen wiegen, auf ihre zwei Kilogramm Schlachtgewicht zu kommen. Vor 50 Jahren dauerte das noch drei- bis viermal so lange.

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       KÜHE knüpfen oft besondere Freundschaftsbänder zu anderen Artgenossen. Sie grasen zusammen, liegen beieinander und halten sich in der Nähe des anderen auf, so viel sie können.

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       Das HUHN war 2004 das erste Nutztier, dessen Erbmasse vollständig erfasst wurde. Dabei fand man nicht nur heraus, dass Hühner eng mit Dinosauriern verwandt sind, sondern auch, dass sie über etwa ebenso viele Gene verfügen wie wir.

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       Neugeborene LÄMMER sind gut entwickelt und können ihrer Mutter direkt folgen. Während Kälber durch ihre Mütter einige Tage lang abseits der Herde versteckt werden, folgt das Lamm dem Mutterschaf überallhin.

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       Unter FISCHEN gibt es alle erdenklichen Varianten von Familienleben. Einige schützen ihre Brut, indem sie sie im Maul herumtragen. Bei den Seepferdchen dagegen sind es die Väter, die gebären und die Nachkommen versorgen.

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       Ein SCHWEIN kann zehn Jahre oder noch älter werden, wenn es ein ruhiges Leben führen darf. In der Landwirtschaft werden die Tiere, die zu Schweinefleischprodukten verarbeitet werden sollen, im Alter von sechs Monaten geschlachtet und Muttertiere werden nicht zuletzt aufgrund der Strapazen zahlreicher kurz aufeinanderfolgender Schwangerschaften selten älter als drei bis vier Jahre.

       Die Tiere zahlen den Preis

      Diese Entwicklung ist besorgniserregend. Unsere Nutztiere zahlen den Preis für unsere billigen Nahrungsmittel. Sogenannte produktionsbedingte Krankheiten sind unter allen Nutztierarten häufiger geworden. Bei Milchkühen sorgen Euterentzündungen und Klauenkrankheiten zunehmend für Kummer und ein nicht geringer Anteil der Hühner leidet unter Knochen- und Gelenkproblemen, die ihnen das Gehen erschweren.

      Obwohl die Anzahl an Tieren auf schwedischen Bauernhöfen insgesamt im Zuge von Spezialisierung, Großbetrieben und Weiterentwicklung der Züchtungen gesunken ist, ist es doch immer noch eine ansehnliche Menge, aus der unser Essen produziert wird. Rund eineinhalb Millionen Rinder (Kühe und Kälber) und ebenso viele Schweine (Mutter- und Jungtiere) wurden im Juni 2017 im ganzen Land gezählt. Beinahe 100 Millionen Hühner werden jedes Jahr in Schweden geschlachtet, um unsere Nachfrage zu bedienen, und darüber hinaus wird eine große Anzahl für noch preisgünstigeren Konsum importiert. Man vergisst leicht, dass sich hinter diesen Zahlen Individuen mit Gefühlen und Empfindungen verbergen.

      Die meisten Tiere, die für den Verzehr vorgesehen sind, haben, wenn sie ausreichend gewachsen sind, eine lange Reise vor sich. Immer weniger Schlachthöfe sind für eine immer größere Anzahl Tiere zuständig – deshalb müssen Schweine, Rinder und Hühner immer weiter transportiert werden, um getötet und in Lebensmittel verwandelt zu werden. Fast ein Drittel aller Schweine in Schweden wird in Kristianstad geschlachtet, nahezu ein Fünftel aller Rinder in Linköping. Um sie zu transportieren, legen Lastwagen voller Tiere jährlich etwa 40 Millionen Kilometer zurück – und darin sind die Transporte von Hühnern und Küken noch gar nicht enthalten.

      Um Tiere vor Verhältnissen zu schützen, die die Gesellschaft als nicht akzeptabel ansieht, haben wir ein Tierschutzgesetz, das die Minimalanforderungen festlegt, an die ein Tierzüchter sich zu halten hat. Darunter findet sich auch ein sogenannter »Portalparagraf«, der die detaillierteren Bestimmungen enthält. So ist vorgeschrieben, dass Tiere in einer Art und Weise gehalten werden müssen, die ihre Gesundheit fördert und ihnen die Möglichkeit gibt, sich natürlich zu verhalten. Man stellt schnell fest, dass die übrigen staatlichen Regelungen nicht immer mit diesem Gesetz in Einklang sind. Wie soll ein Schwein sich auf einer Fläche von etwa einem Quadratmeter, wie das Landwirtschaftsministerium es vorschreibt, natürlich verhalten? Wie soll ein Küken lernen, sich natürlich zu verhalten, wenn es schlüpft und heranwächst, ohne je seine Mutter gesehen zu haben?

      Offenbar werden die Forderungen der Produzenten nach einer machbaren Versorgung und die Wünsche der Konsumenten nach preiswertigen Nahrungsmitteln in vielen Fällen als wichtiger angesehen als die Grundidee der Tierschutzgesetzgebung. Die schwedische Tierhaltung ist in vielerlei Hinsicht tierfreundlicher als das, was wir in anderen Ländern beobachten. Schweine und Hühner haben etwas mehr Platz, um sich bewegen zu können. Mutterschweine dürfen nicht angebunden oder im sogenannten Kastenstand fixiert werden, wie es in vielen anderen Ländern geschieht. Doch die Diskrepanz zwischen den großen Ambitionen des »Portalparagrafen« und der Wirklichkeit, wie wir sie in den Betrieben antreffen, ist immer noch beträchtlich.

      Manche begnügen sich nicht mit den Minimalansprüchen der Tierschutzgesetze, sondern haben eine Tierhaltung im Sinn, die dem Ideal der Ermöglichung eines natürlichen Verhaltens näherkommt. Das schwedische Siegel KRAV zertifiziert eine Aufzucht und Schlachtung, die bedeutend weiter geht. Damit ein Kotelett KRAV-zertifiziert werden kann, muss das Schwein in Freilandhaltung gelebt, gewühlt und gefressen haben und es darf nicht so früh von der Mutter getrennt worden sein wie in der konventionellen Zucht. Wieder andere begnügen sich nicht mit den KRAV-Regelungen, sondern züchten in kleinerem Umfang und schlachten teilweise direkt auf dem Hof. Je geringer die produzierten Mengen und je weniger intensiv die Landwirtschaft, desto höher wird natürlich letzten Endes der Preis. Doch dieser Umstand muss in Relation dazu gesetzt werden, was ich einleitend gesagt habe: Der Fleischpreis ist in den letzten