Название | Respekt! |
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Автор произведения | Per Jensen |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783866907713 |
Nutztiere und die menschliche Zivilisation
Der amerikanische Forscher Jared Diamond hat in mehreren Büchern und Artikeln die enorme Bedeutung der Nutztierhaltung für die Entwicklung des Menschen beschrieben. Er meint, dass die Schreib- und Rechenkunst auf die Domestizierung und den Einzug der Landwirtschaft zurückzuführen ist. Dieser historische Wandel machte es notwendig, Mein und Dein, Schulden sowie Forderungen und Regeln für die Verteilung dessen, was produziert wurde, im Blick zu behalten. Für nichts davon hatte es jemals zuvor in der Epoche der Jäger und Sammler eine Notwendigkeit gegeben. Auch ein Bedarf, zu schreiben, zu rechnen und zu dokumentieren, war bis dahin nicht vorhanden gewesen. Auf den beginnenden Ackerbau folgten neue Technologie und der regelmäßige Zugang zu Nahrung brachte einen explosionsartigen Bevölkerungszuwachs mit sich.
Viele der Seuchen, die zu unterschiedlichen Zeiten massenhaft Menschen hinweggerafft und die Weltkarten neu gezeichnet haben, hatten ihren Ursprung in unseren Haus- und Nutztieren. Masern, Tuberkulose und Influenza stehen beispielhaft für ansteckende, epidemische Krankheiten mit hoher Sterblichkeitsrate. In den dicht bevölkerten neuen bäuerlichen Gesellschaften breiteten sie sich schnell und unbarmherzig aus. Wer jedoch eine Infektion überlebte, hatte eine unschlagbare Waffe in Händen: Er war immun.
Als sich später in der Geschichte die Eroberungszüge über Länder und Kontinente ausdehnten, in denen noch keine Domestizierung stattgefunden hatte, wurden die epidemischen Krankheiten zu einer unerwarteten und effektiven Kriegswaffe. Die indigenen Bevölkerungen in Südamerika, Australien und dem südlichen Afrika mussten nicht mit Schwertern und Speeren bekämpft werden. Sie steckten sich an und starben in großer Zahl an den Viren, die von den bereits immunen Eindringlingen über deren Haus- und Nutztiere mitgebracht wurden. So verbreitete sich die bäuerliche Kultur schnell über die ganze Welt.
Unser Gespür für Tiere
Die Landwirtschaft hat uns Menschen in vielerlei Hinsicht verändert, nicht nur unsere Kultur und unsere Art zu leben. Unsere biologischen Funktionen haben sich schnell auf vielfältige Weise an das Zusammenleben mit Tieren angepasst. Beispielsweise haben Menschen eine genetisch bedingte Widerstandskraft gegen viele der Krankheiten, die ich oben beschrieben habe, entwickelt. Auch Gene, die es Erwachsenen ermöglichen, Milch zu trinken und sich von einer großen Menge an Kohlenhydraten und gesättigten Fetten zu ernähren, sind nahezu weltweit verbreitet. Unser Stoffwechsel unterscheidet sich tatsächlich radikal von dem unserer Vorfahren, der Jäger und Sammler.
Sogar unser Gespür für Tiere hat sich weiterentwickelt. Die Forschung hat sich vor allem dem Zusammenspiel zwischen Mensch und Hund, unserem ältesten Haustier, gewidmet. Man ließ beispielsweise verschiedene Personen aufgezeichneten Hundegeräuschen lauschen und bat sie einzuschätzen, was der entsprechende Hund fühle. Menschen sind durchweg gut darin. Sogar kleine Kinder, die selbst keinen Hund haben, können relativ einfach unterscheiden, ob sie da einen ängstlichen, einen einsamen oder einen wütenden Hund bellen hören. Das instinktive Gespür für die Gefühle dieser Tiere scheint angeboren zu sein.
Das lässt sich einfach begründen. Die Fähigkeit, Tiere und ihre Denkweise zu verstehen, stellte einen wichtigen Faktor in der menschlichen Evolution dar. Wer diese Fähigkeit am besten beherrschte, gab seine Gene in größerem Umfang weiter als andere. Damit sind wir alle Nachkommen von Menschen, die gut mit Tieren zurechtkamen.
Tatsächlich gibt es Studien dazu, wie die Auslese von Tierkennern vonstattengegangen sein könnte. Der amerikanische Forscher Jeremy Koster hat isolierte Bevölkerungsgruppen in Nicaragua besucht, die bis heute als Jäger und Sammler leben. Sie jagen mithilfe von Hunden, die im Wald freigelassen werden und ein Beutetier aufspüren. Mit ihrem Gebell »rufen« sie die jagenden Männer herbei, die dann die Beute töten können. Ein geschickter Jäger hört am Bellen der Hunde, welche Art von Beutetier sie gefunden haben, und kann so entscheiden, ob die Anstrengung die Mühe wert ist. Als Koster untersuchte, welche Männer in den Dörfern als potenzielle Ehemänner am attraktivsten waren, war das Ergebnis eindeutig: Als Vater für ihre Kinder wünschten sich die Frauen vor allem einen geschickten Jäger, einen, der sich gut auf seine Hunde verstand.
Mit großer Wahrscheinlichkeit war dies in der gesamten Menschheitsgeschichte ähnlich. Das Verständnis dafür, wie Tiere denken und funktionieren, war eine Voraussetzung für den Nahrungserwerb, seit es Menschen gibt. Während der vergangenen 10.000 Jahre zeigte sich darin der Unterschied zwischen einem erfolgreichen und einem erfolglosen Bauern. Wer gestresste Kühe oder Schweine identifizieren konnte und zu beruhigen vermochte, wer mit Pferd oder Hund kommunizieren konnte und die Bedürfnisse des Huhns erkannte, konnte am Ende mit mehr Nahrung für seine Familie rechnen. Die Gene solcher Menschen tragen wir daher noch heute in uns.
Hat unser Essen Gefühle?
Die vergangenen Jahrzehnte haben eine Veränderung unserer Lebensweise mit sich gebracht, die in ihren Konsequenzen absolut vergleichbar mit der landwirtschaftlichen Revolution vor 10.000 Jahren ist. Für den Großteil der Bevölkerung wird das weitervererbte Gespür für Tiere in unserer modernen Gesellschaft nicht mehr täglich trainiert. Wir pflegen die Nähe zu Tieren, indem wir unsere beinahe zwei Millionen Hunde und Katzen verwöhnen und Zeit mit Reitpferden verbringen. Aber die Beziehung der meisten Menschen zu landwirtschaftlichen Nutztieren endet an der Kühltheke des Supermarktes. Dort gibt es sie bereits fertig zerteilt und abgepackt. Selten verschwendet man einen Gedanken daran, was diese Tiere auf den Höfen gefühlt, wahrgenommen und gedacht haben, bevor sie zu Nahrungsmitteln wurden.
Stellen Sie sich vor, wie einfach es wäre, wenn das Leben der Tiere aus nichts weiter als Reiz und Reaktion bestünde – ohne Gefühle und Reflexionen. Wenn Schweine, Hühner und Kühe nur Eiweiß-Umwandler ohne Denkvermögen wären. Wie einfach wäre dann die Art und Weise zu rechtfertigen, wie wir sie aufziehen und beschließen, ihnen das Leben zu nehmen, um sie zu essen.
So ist es aber nun einmal nicht. Die Forschung hat mit Nachdruck gezeigt, dass zwischen unserer eigenen Erlebniswelt und derjenigen, die wir bei Tieren finden, keine scharfe Trennlinie verläuft – und dass dies nicht nur für Hunde und Katzen gilt. Möglicherweise überlegen und planen sie weniger und nehmen in ihrer Umgebung andere Dinge wahr als wir, doch ihr grundlegendes Gefühlsleben ähnelt dem unseren sehr stark. Genau wie ein Hund empfindet ein Schwein nicht nur Hunger und Durst, sondern auch Wut und Angst. Hühner können gelangweilt sein, Schafe empfinden Zusammengehörigkeit mit anderen in der Herde und Kühe können sich nach dem Kalb sehnen, das ihnen direkt nach der Geburt weggenommen wurde.
Welche Folgen hat dies für unsere Sicht darauf, wie Nutztiere behandelt werden, ehe sie zu Lebensmitteln werden? Das ist die große moralische Frage für alle, die Nahrung zu sich nehmen. Manche entscheiden sich gegen alle Produkte tierischen Ursprungs, andere wiederum versuchen vielleicht, Fleisch zu bekommen, das von Tieren stammt, die ein erträgliches Leben hatten. Unabhängig davon, welche Schlüsse man für sich zieht, ist es wichtig, die Fakten zu kennen. Es ist niemandem gedient, wenn wir wichtige moralische Entscheidungen treffen, die auf falschen Informationen beruhen. Wer glaubt, dass Schweine nur gefühllose unverarbeitete Würstchen sind, ist im Unrecht, aber das gilt auch für diejenigen, die sich vorstellen, dass Schweine über eine ganz und gar menschliche Gedankenwelt verfügen. Deshalb ist es wichtig herauszufinden, was die Forschung über das Seelenleben der Tiere zu sagen hat.
Das billige Fleisch
Wir essen mehr Fleisch als jemals zuvor. In einem Zeitraum von 25 Jahren ist der Verbrauch um beinahe 40 % gestiegen, wir Schweden verzehren im Jahr durchschnittlich nahezu 90 Kilogramm pro Person (in Deutschland liegt der Pro-Kopf-Verzehr