Название | Respekt! |
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Автор произведения | Per Jensen |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783866907713 |
Als ich zum Wohnhaus hinauflief, um zu fragen, sah ich bereits vor mir, wie ich das Huhn füttern und mich darum kümmern würde. Ob es möglich wäre, es so zu zähmen, dass ich mit ihm spazieren gehen konnte? Könnte es vielleicht in einer Kiste in der Küche wohnen? Es waren die unrealistischen Träume eines Fünfjährigen, aber mein Glück war vollkommen, als meine Verwandte ohne Weiteres Ja sagte.
Umso größer war der Schock, als sie gleich darauf ein großes buntes Huhn einfing und ihm ohne Pardon vor meinen Augen den Hals umdrehte. Nach einer Weile wilden Flatterns wurde es in ihren Händen ganz ruhig und bewegte sich nicht mehr. Der jetzt schlaff herunterhängende Körper wurde Papa übergeben, der sich bedankte und erklärte, wie das Huhn zu einem schönen Sonntagsessen verarbeitet werden sollte.
All das geschah in bester Absicht, weder Papa noch unsere Verwandte konnten sich vorstellen, dass ich gehofft hatte, ein Huhn als Haustier zu bekommen. Für sie war ein lebendes Huhn nichts weiter als eine noch nicht zubereitete Mahlzeit. Doch in meiner kindlichen Welt war mir noch nicht ganz aufgegangen, dass die Tiere, die wir essen, kurz zuvor noch herumgerannt sind, Schabernack getrieben, gespielt und das Leben genossen haben.
Vielleicht wurde just in diesem Moment nach einem unbewussten Plan meine spätere berufliche Laufbahn festgelegt. Als Erwachsener habe ich jahrzehntelang erforscht, wie unsere Haus- und Nutztiere denken, fühlen und sich verhalten. Ich habe die internationale Forschung verfolgt, unzählige Stunden mit Kollegen verbracht, die sich mit denselben Themen beschäftigen, und noch mehr Zeit mit den Tieren selbst. Die Wissenschaft ist oft distanziert und emotionslos, man misst Hormone, wertet genetische Varianten aus und analysiert mit aufwendigen statistischen Methoden Verhaltensmuster. Aber ich habe auch einmal 24 Stunden mit einem freilaufenden Hausschwein im Wald zugebracht, das sein ganzes Herzblut darauf verwendete, ein Nest für seine Ferkel zu bauen, die es in Kürze zur Welt bringen sollte. Hat man das gesehen, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Gefühle dieses Schweins sich vielleicht gar nicht so sehr davon unterscheiden, was eine menschliche Mutter für ihr neugeborenes Kind empfindet.
Zweierlei Maß
Die meisten von uns kommen nie in Kontakt mit den Tieren, die wir essen, zumindest nicht, während sie noch am Leben sind. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass es so leichtfällt, ihr Gefühlsleben und ihre Gedankenwelt kleinzureden. Etwa 1 % der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig. Die übrigen 99 % der Schweden besuchen selten oder nie einen Bauernhof. Wenn man einem Schwein nie näher kommt als in Form eines in Plastik verpackten Koteletts an der Kühltheke und Hühner sich ausschließlich als gefrorene Hühnchenfilets präsentieren, kann es schwierig sein, den Bezug zum lebendigen, fühlenden und denkenden Lebewesen herzustellen, das den Ursprung der Produkte bildet. Das bedeutet aber nicht, dass es den Schweden an Kontakt mit Tieren mangelt. Mehr als 800.000 Hunde, über eine Million Katzen und etwa 400.000 Pferde leben in enger Beziehung mit ihren menschlichen Familien zusammen. Hunde und Katzen schlafen in unseren Betten und diktieren unseren Alltag. Ein ansehnlicher Anteil aller Tierbesitzer wählt Wohnsitz und Auto entsprechend der Bedürfnisse der Tiere.
Wer einen Hund oder eine Katze besitzt, hegt selten Zweifel daran, dass sie Gefühle haben, die den unseren ähneln. Die Forschung bestätigt dies. Selbstverständlich empfindet das Tier Angst, Hunger, Durst und Wut ebenso wie wir, aber das Gefühlsleben der Tiere umfasst darüber hinaus noch bedeutend mehr Facetten. Ich habe bereits in mehreren Büchern, z. B. in »Der missverstandene Hund«, von zahlreichen wissenschaftlichen Studien berichtet, die u. a. zeigen, dass Hunde Empathie gegenüber Menschen fühlen können – und Eifersucht, wenn sie sich übergangen fühlen. Sie haben ein gutes Zeitgefühl und können sich relativ einfach in die Empfindungen und die Gedankenwelt anderer hineinversetzen, was sie sich zunutze machen, um z. B. hinter dem Rücken ihrer Besitzer etwas anzustellen. Ein belegtes Brot verschwindet leicht vom Tisch, wenn niemand den Hund sieht, aber er würde es niemals nehmen, wenn er wüsste, dass er beobachtet wird.
Für viele ist ein lebendiges Huhn nichts weiter als eine noch nicht zubereitete Mahlzeit. Doch es treibt auch Schabernack, spielt und genießt das Leben.
Wenn man bedenkt, wie leicht es uns fällt zu akzeptieren, dass Hund, Katze und Pferd ähnlich wie wir selbst empfinden, ist es merkwürdig, wie anders viele von uns das Schwein oder die Kuh sehen. Sie sind ja auch Säugetiere, die in Herden leben, und es gibt keinen Grund zu glauben, dass ihre Gedankenwelt und ihr Gefühlsleben sich maßgeblich von denen eines Hundes unterscheiden sollten.
Wie alles begann
Das Leben der Menschen war schon immer ganz eng mit Tieren verknüpft. 30.000 Jahre alte Höhlenzeichnungen sind die ältesten »Dokumente«, die unsere Vorväter hinterlassen haben. Sie alle zeigen ein und dasselbe Motiv: Tiere.
Sie waren eine Voraussetzung für das Überleben. Die Menschen waren Jäger und Sammler, ohne das lebenswichtige Fleisch konnte man die Familie, den Clan und die Kinder nicht versorgen. Die geschicktesten Jäger waren solche, die das Verhalten der Beutetiere am besten deuten konnten. Sie wussten, wann diese von einem Gebiet ins nächste weiterzogen, was sie am liebsten fraßen, ob sie mit anderen zusammenlebten, wann sie Junge bekamen und wie man sie am besten überlisten konnte. Unsere Vorväter wussten viel über die Gefühle der Tiere, ihre Art zu denken und zu planen und darüber, woran sie sich erinnern.
Aber das Leben auf der Erde schlug schon bald eine andere Richtung ein. Eine neue Ära naher Beziehungen zu Tieren wurde eingeläutet, als die Domestizierung – die Zähmung zu Haus- und Nutztieren – ihren Anfang nahm. Zunächst trat der Hund in unser Leben. Das geschah vor etwa 15.000 Jahren, als die Menschen einige der Wölfe zähmten, die bereits lange Zeit in der Nähe der menschlichen Behausungen gelebt hatten.
Weitere 5.000 Jahre später begann man mit dem Ackerbau, und nun waren einige andere Tiere an der Reihe, domestiziert zu werden. Die wilden Schafe, Ziegen und Schweine, die bereits rund um die neuen Anbauflächen herum lebten, wurden selbstverständliche Ziele für die frühe Zähmung. Kurz darauf kamen Rinder dazu, die Milch, Fleisch und Arbeitskraft boten.
Noch etwas später wurden hunderte von Kilometern nördlich der frühen bäuerlichen Gesellschaft an der östlichen Mittelmeerküste wilde Pferde domestiziert. Hengste mit ihrem starken Willen und ihrer Muskelkraft waren besonders schwer zu zähmen, deshalb war es wichtig, diejenigen, bei denen es geklappt hatte, überallhin mitzunehmen, wohin die Menschen zogen. Stuten waren etwas sanfter, weswegen man neue Stuten zähmen konnte, wo immer man auf sie stieß. Aus diesem Grund sind bis heute alle domestizierten Hengste weltweit Nachfahren der wenigen Exemplare, die zu Beginn gezähmt wurden, wohingegen Stuten von deutlich weitläufigerer Herkunft sind. Möglicherweise war zu Beginn die Milch der Stuten am wichtigsten, doch bald wurde das Pferd auch als vielseitige Arbeitskraft unentbehrlich.
Weiter östlich, im heutigen Nordindien, zog ein ganz anderes Tier die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich. Das schöne und bunt gefiederte Bankivahuhn, auch Rotes Dschungelhuhn genannt, legte seine Eier zwar in gut versteckte Nester, aber geschickte Jäger und Sammler entdeckten sie doch. Die Eier stellten einen wertvollen Beitrag zur Ernährung dar. Irgendwann fand man heraus, dass es relativ einfach war, sie auszubrüten, indem man sie drei Wochen lang nah am eigenen Körper warm hielt, und dass die kleinen Küken nach dem Schlüpfen einfach zu handhaben waren. Sie wurden direkt auf den Menschen geprägt, der die Eier getragen hatte, fanden ihre Nahrung selbst und ließen sich schnell in den Dörfern ansiedeln. Die Milliarden von zahmen Hühnern, die es heute gibt, stammen alle von den Nutztieren dieser frühen Eiersammler ab.
In Anbetracht dieser frühen Erfolgsgeschichte könnte man leicht dem Glauben verfallen, dass es einfach genauso weiterging, dass Art für Art zu neuen Haus- und Nutztieren wurde. Doch der Domestikationseifer nahm vor etwa 8.000 Jahren wieder ab. Die knapp tausend Säugetiere und weniger als ein Dutzend Vögel, die während dieser ersten Welle in der frühen bäuerlichen Gesellschaft domestiziert wurden, sind weitestgehend dieselben Tiere, die uns auch heute noch mit