Название | Randis Reise |
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Автор произведения | Simon Parke |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862567324 |
»Wirklich?«, fragte die Ratte.
»Nun, natürlich ist es persönlich gemeint, aber es stimmt auch, dass ich das nicht tue. Ich bin auf dem Weg zum Himmel und nicht ins La-la-Land, darum wird es keine Gespräche mit Tieren geben; nicht in einer Million Jahren.«
»Wir haben dir nichts zu bieten?«, fragte die Ratte. »Dann wär’s das, denke ich.«
Es entstand eine unbehagliche Pause, und wieder fühlte sich PILGERIN verpflichtet, sie zu füllen.
»Ich bin froh, dass du das auch so siehst«, bemerkte sie. »Wie ich schon sagte, das ist nicht persönlich gemeint. Ich bin ein Mensch, du bist ein Tier, und ich möchte dich gar nicht näher kennenlernen.«
»Gleichfalls«, sagte das Ungeziefer.
»Wie bitte?«
»Ich habe auch nicht den Wunsch, dich kennenzulernen«, erklärte die Ratte. »Ich wäre auch nicht gekommen, wenn ich nicht darum gebeten worden wäre.«
»Nun, ich habe dich nicht darum gebeten.«
»Wer sagt denn, dass du das warst? Aber du schuldest mir trotzdem was.« PILGERIN traute ihren Ohren kaum.
»Ich schulde dir was? Wenn du nicht gewesen wärst, dann hätte ich sicher an meiner Ranke gehangen!«
Die Ratte lächelte das Lächeln von jemandem, der gerade etwas ausgesprochen Lächerliches gehört hatte.
»Sicher an deiner Ranke? Das ist ein interessanter Blickwinkel. Bist du schon immer blind gewesen oder ist das erst neuerdings so?«
»Das war eine gute Ranke, und du hast sie zerstört.«
»Und wie genau sah dein Rettungsplan aus, als du an der Klippe zwischen zwei Tigern gehangen hast?«
PILGERIN hatte keine Lust, sich von einem Tier in eine sinnlose Debatte verwickeln zu lassen, und entschied sich für ein würdevolles Schweigen. Der andere Grund war, dass das Ungeziefer natürlich recht hatte. PILGERIN hatte keinen Plan gehabt.
»Es gab nur einen Weg, dich zu retten«, fuhr die Ratte fort. »Dich auf den Boden zu befördern und sich dann des Tigers anzunehmen, was ich, zum Glück für dich, tun konnte. Tiger haben schreckliche Angst vor Ratten, du verstehst.«
Das alles klang sehr glaubhaft, und PILGERIN, in die Defensive gedrängt, beschloss zurückzuschlagen und die Ratte zu verletzen:
»Linguistisch verstehe ich das so«, bemerkte sie beiläufig, »alle Ratten sind Schädlinge, aber nicht alle Schädlinge sind Ratten. Ist das korrekt?«
»Ich bin eine Dumbo-Ratte«, erwiderte die Ratte.
»Tatsächlich?«
»Wir unterscheiden uns durch unsere Ohren, die sich an der Seite unserer Köpfe befinden und manchmal etwas größer sind als normal.«
»Ohren, die dich ansehen!«
Man kann einen Witz nicht bewerten, aber PILGERIN freute sich ganz besonders über ihren.
»Meine Identität scheint dir ziemlich egal zu sein«, sagte die Ratte. »Wir können nur hoffen, dass dir deine nicht auch so egal ist.«
Was meinte die Ratte? PILGERIN wusste nur, dass etwas in ihr vor Schmerz schrie.
»Du verwechselst mich mit jemandem, den das interessiert!«, erwiderte sie, entschlossen, ihr würdevolles Schweigen beizubehalten. Aber die Ratte fuhr fort:
»Es gibt unterschiedliche Rattenarten, doch für dich sehen sie zweifellos alle gleich aus. Nicht?«
»Vielleicht.«
»Alle sind klein und pelzig, also wo ist der Unterschied? Du kommst dir zu wichtig vor, um dich für solche Dinge zu interessieren. In deiner kleinen Welt existieren wir nicht als eigenständige Wesen innerhalb der gleichen Gattung. Aber glaube mir, eine Dumbo-Ratte unterscheidet sich von der Zwergratte oder der Albinoratte.«
»Rede nur weiter, ich finde das ziemlich langweilig«, sagte PILGERIN. »Kann ich jetzt gehen?«
»Aber zum Glück für dich«, fuhr das kleine Wesen fort, das sich mittlerweile für das Thema erwärmte, »hat der Tiger auch keine Ahnung. Der Tiger ist groß, stark, und kennt sich in der Rattenszene nicht aus, genau wie du. Er denkt, er müsse vor uns Angst haben, was natürlich lächerlich ist, doch heute kam uns das sehr gelegen. Du bist noch am Leben!«
PILGERIN starrte großmütig in die Ferne, während ihr gleichzeitig vor Scham der Schweiß ausbrach.
»Du scheinst der Wahrheit plötzlich ziemlich nahe zu sein«, bemerkte die Ratte.
»Nein – ich bin nur dir nahe.«
»Hast du Angst vor mir?«
»Ich soll Angst vor einem dummen Tier haben? Wie lächerlich!«
»Es wäre klüger, Angst vor deinem Stolz zu haben, meine Freundin. Du kannst nicht akzeptieren, dass du diese Ranke loslassen musstest, und dass ich dir zu dieser Erkenntnis verholfen habe.«
»Das hat damit gar nichts zu tun«, log PILGERIN.
»Aber das ist es doch: Erkenntnis ist nicht möglich, wenn wir uns an Dinge klammern, sondern nur, wenn wir sie loslassen. Es gibt so vieles, was man loslassen muss!«
PILGERIN bemerkte eine kreisende Gegenwart am Himmel. Das war derselbe Vogel, den sie bereits gesehen hatte, als sie ihr Heim verließ, aber in einem hatte sie sich geirrt: Das war kein Habicht, sondern ein Adler, der hoch oben in den Lüften seine Kreise zog und beobachtete, nach unten auf sie zuschoss und wieder aufstieg, hoch hinauf in den weiten, blauen Himmel. Etwas golden Glänzendes hing an seinem Hals, das im Licht funkelte.
»Ein großer Vogel«, meinte PILGERIN.
»Mach dir keine Gedanken um den Adler«, sagte die Ratte, die sie beobachtete.
»Ich mache mir keine Sorgen«, erwiderte PILGERIN.
»Du wirkst beunruhigt.«
»Ganz und gar nicht. Der Adler ist weder hier noch da, soweit es mich betrifft. Mit einem einzigen Schlag könnte ich ihm den Hals brechen.«
Zum ersten Mal in ihrem Leben führte PILGERIN den Karateschlag in der Luft vor.
»Keine gute Idee«, meinte die Ratte.
»Ich sage ja nur. Wie auch immer, eigentlich solltest du Angst haben, nicht ich. Adler fressen Ungeziefer.«
»Ich heiße übrigens Veronica«, stellte die Ratte sich vor. »Und du?«
»PILGERIN«, erklärte PILGERIN. »Aber mir ist unklar, warum du wissen willst, wie ich heiße; es ist ja nicht so, als würden wir uns wieder treffen.«
Wie viele von PILGERINS Annahmen sollte sich diese als falsch herausstellen. Es gab so vieles, was sie nicht wusste. Wenn es niedergeschrieben würde, würde sich der Text von hier bis zum Mars erstrecken und noch darüber hinaus.
Die dritte Station
Wo bin ich?«, fragte sich PILGERIN, das Gesicht an einen Felsen gepresst, auf dem ein Käfer fröhlich in der Sonne saß. Wo immer sie sich befand, sie fühlte sich gut. Sie hatte tiefer geschlafen als zu Hause, wo ihr Schlaf nicht immer ruhig war.
Langsam kamen ihr die jüngsten Ereignisse wieder in Erinnerung. Da waren die Tiger gewesen, das Drama auf der Klippe und eine seltsame Begegnung mit einer Ratte namens Veronica. Ach ja, und davor war sie ziemlich unhöflich zu GERNRAT SENFGEB und TUSSI FLITTER gewesen. Und davor hatte sie alles, was ihr vertraut war, zurückgelassen und sich auf eine hirnverbrannte Reise zum Himmel begeben. Was war nur in sie gefahren?
Erst kürzlich, so erinnerte sie sich, hatte sie zu der Ratte gesagt, sie sei müde und brauche Schlaf, und die Ratte hatte erwidert, das sei eine gute Idee. Aber jetzt war sie hellwach und nahm seltsame