Название | Vollgasfußball |
---|---|
Автор произведения | Martin Rafelt |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783730703076 |
Diese Disziplin beherrscht Klopp wie kaum ein anderer im Fußballgeschäft. Pep Guardiola beispielsweise hat trotz größerer Erfolge permanent mit Skepsis bezüglich seiner fußballerischen Idee zu kämpfen. Auch bei Klopp trat diese Skepsis bei Misserfolgen hier und da mal auf. Unter dem Strich weiß er aber nicht nur, sich zu erklären, sondern ihm gelang es sogar, breitflächig zu euphorisieren. Das gelang zu seinem Amtseinstieg in Dortmund wie auch in Liverpool; noch bevor er Erfolge vorzuweisen hatte also. Menschen vertrauen Klopp. Die Basis für diese Fähigkeit: Klopp ist emphatisch. Nicht nur im Fühlen, sondern auch im Denken. Er versteht, wie andere Leute Dinge aufnehmen und verarbeiten. Er fühlt, ob er etwas so erklärt, dass andere es verstehen, dass es andere überzeugt und sogar mitreißt. Das hilft ihm in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit wie auch in der Vermittlung seiner taktischen Inhalte.
So bleiben immer wieder bestimmte Aussagen von Klopp hängen, die die strategische oder taktische Herangehensweise an das Spiel griffig beschreiben und gleichzeitig neuartige Denkanstöße liefern. Zum Beispiel sagte Klopp vor Spielen gegen Bayern, dass man versuche, den Gegner „auf das eigene Niveau herunterzuholen“ – und beschrieb damit, wie man taktisch die gegnerische Spielstärke zerstören wollte. Seine These, das Gegenpressing sei der beste Spielmacher der Welt, wurde etliche Male zitiert. Klopp wirft also alte Denkmuster um, richtet den Fokus auf den taktischen Aspekt, aber er nutzt gleichzeitig auch ein bekanntes Konzept zur Verpackung und emotionalisiert durch die inbegriffene Wertung. Eine eierlegende Wollmilchsau der Didaktik und Rhetorik.
Der Menschenfänger
Mit dieser vielseitigen Rhetorik bringt Klopp die Leute hinter sich. Er schafft es, sich als intellektuell und kompetent zu profilieren, ohne dabei abgehoben zu wirken. Dass er scheinbare Gegensätze vereint, ist auch die Grundlage dafür, dass er als Charakter so mitreißend wirkt. Auf der einen Seite ist er freundlich, emphatisch, humorvoll und intellektuell, auf der anderen Seite kämpferisch, impulsiv, aggressiv und überzeugend, sprich: eine Führungsfigur. Dadurch kann er mögliche negative Aspekte einzelner Charakterzüge auffangen und sich flexibel Situationen anpassen.
Die Leute mögen Klopp und vertrauen ihm gewissermaßen. Weil er viel, viel grinst und lacht, und weil er entschlossen wirkt, wenn er es einmal nicht tut; weil er hemdsärmlig daherredet, weil er gute Pointen setzt, weil er energiegeladen und trotzdem locker ist, weil er durchdachte Dinge sagt, die man versteht. Wie viel von seiner Herzlichkeit dabei bewusste und vielleicht sogar aufgesetzte Show ist, können nur diejenigen seriös einschätzen, die ihn persönlich sehr gut kennen. Fakt ist: Die Menschen kaufen es ihm ab. Der Wert dieser Fähigkeit ist im Profifußball nicht zu unterschätzen. Gerade in Phasen, in denen es schlecht läuft, sorgt sie dafür, dass das Maß an Kritik im Rahmen bleibt. Sie schützt einen Trainer vor dem Einfluss der Öffentlichkeit. Dadurch kann dieser stringenter an seinen taktischen Ideen arbeiten, kann überzeugender auf die Mannschaft eingehen und muss keine Kompromisse eingehen.
Klopp, der Medienmann
In dieser Hinsicht ist auch Klopps Gespür für die Medien zu loben – ohnehin ein Faktor, auf den er besonderes Augenmerk legt. Ihm gelingt es in einmaliger Art und Weise, zündstoffhaltige Aussagen so zu formulieren, dass sie unverfänglich und trotzdem auf den Punkt gebracht sind. Gerade wenn er Kritik äußert oder zu einem kritischen Standpunkt befragt wird, erklärt er geschickt die Gründe für eine kritische Sichtweise, ohne sie zwingend noch einmal auszusprechen. Gleichzeitig ordnet er kritische Anmerkungen so in den Gesamtkontext ein, dass sie inhaltlich bestehen bleiben, aber an emotionaler Zugkraft verlieren. Klopps Kritik wirkt meist nicht wie unsouveränes Geätze, sondern sehr sachlich und zuweilen regelrecht bedauernd.
Zudem betreibt Klopp im Umgang mit Medienvertretern eine Art „Zuckerbrot und Peitsche“. Er ist viel verfügbar, gibt viele Interviews und ist dabei immer interessant und unterhaltsam. Auf Pressekonferenzen entstehen immer wieder humoristische Highlights. Es gibt Youtube-Zusammenschnitte seiner witzigsten PK-Momente. Seine Rhetorik sorgt immer wieder für gute Zitate. Auf gute Fragen bietet er interessante Einsichten und Erklärungen. Im Tagesgeschäft eines Fußballjournalisten gibt es wohl kaum etwas Leichteres, als über Aussagen von Klopp zu schreiben. Auf der anderen Seite findet er aber auch klare Worte gegenüber Journalismus, der ihm nicht passt. Auf undurchdachte kritische Fragen reagiert er zuweilen sogar patzig. Dabei wirkt er aber nicht hysterisch, sondern behält eine gewisse Sachlichkeit und Klarheit bei, die ihm Autorität verleiht.
Mit dieser Strategie hat er auch Einfluss darauf, wie er in den Medien rezipiert wird; speziell dadurch, dass er mit seinen Reaktionen inhaltlich fokussierte, sachliche und auch positive Berichterstattung belohnt. Im Grunde motiviert er Journalisten damit, kein dummes Zeug über ihn zu schreiben – und möglichst auch kein negatives.
Fehleranalyse
In diesem Zusammenhang ist wichtig, wie Klopp der Öffentlichkeit Spiele beschreibt. Er fokussiert sich bei Gegentoren auf die taktischen Aspekte und erklärt die Partien häufig nicht so sehr über die Zeitpunkte der Tore, sondern eher durch die Dominanzverhältnisse. Wann war meine Mannschaft gut im Spiel, wann hatten wir keinen Zugriff? Vor allem: Warum war das so? Dabei ist er sehr konkret. Welche Abläufe haben funktioniert, welche waren weshalb nicht passend? Auch legt er das Geschehen auf dem Feld immer wieder neben den Plan, mit dem seine Mannschaft ins Spiel ging.
Letzteres bezieht sich dann meist auch auf die Eigenheiten des Gegners, womit er die taktische Vorbereitung auf das Spiel unterstreicht. Generell beziehen sich seine Punkte häufig nicht nur auf Aspekte der eigenen Mannschaft, sondern auf die Wechselwirkungen mit dem Gegner. Hier erkennt man erneut Klopps Kompetenz, das Spiel als Ganzes zu begreifen und analysieren zu können. Es ist auch nicht zu unterschätzen, wie viel Disziplin dies erfordert: Da man als Trainer die ganze Woche lang nur am Spiel der eigenen Mannschaft werkelt und nur darauf unmittelbaren Einfluss hat, neigt man stark dazu, sich auch während des Spiels zu sehr darauf zu fokussieren. Das Augenmerk auf das gegnerische Spiel vernachlässigt man dann leicht. Elf zusammengehörige Referenzpunkte lassen sich auch leichter überblicken als 22 Referenzpunkte, die gegeneinander agieren. Deshalb neigen viele Trainer dazu, Erklärungsansätze innerhalb des eigenen Teams zu suchen, ohne die Gesamtstruktur des Spiels ausreichend zu berücksichtigen.
Das alles heißt erst einmal, dass er nicht in die Defensive geht und sich für negative Ergebnisse entschuldigt oder für positive Ergebnisse feiert. Stattdessen strebt er nach der Deutungshoheit über das Spiel und unterstreicht seine inhaltliche Autorität. Andere begründen das Ergebnis aus ihrer subjektiven Rolle als Beteiligter heraus, Klopp erklärt das Spiel von einem objektiveren Standpunkt aus. Zu Zufällen bewahrt Klopp meistens eine kühle Distanz. Er nutzt Fehler des Schiedsrichters oder unglückliche Situationen nicht in großem Maße als Erklärung oder Entschuldigung für die Leistung seiner Mannschaft. Er nennt solche Aspekte zwar meist kurz, ohne aber näher darauf einzugehen, und betont dann vielmehr die mannschaftliche Leistung. Zuweilen spielt er die Zufälle sogar herunter, um die Mannschaftsleistung hervorzuheben.
„Our play was shit, so the linesman couldn’t believe our goal.“
Klopp nach einer Niederlage mit Liverpool gegen Newcastle, bei der der Ausgleichstreffer fälschlicherweise wegen Abseits aberkannt wurde
Die Einordnung der taktischen Leistung ist der wesentlichste Aspekt der Klopp’schen