Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Ricarda Huch |
Жанр | Философия |
Серия | |
Издательство | Философия |
Год выпуска | 0 |
isbn | 4064066388829 |
Die großen Bürgermeister von Lübeck, Johann Pleskow, Heinrich Westhof, Heinrich Rapesulver, waren Männer ganz anderer Art. Sie ließen die Leidenschaften nicht über sich zusammenschlagen, sie berechneten ihre Kräfte und die Kräfte der anderen und handelten danach. Vor allem hatten sie die Fähigkeit, politische Gedanken zu fassen und durchzuführen. Die Lübecker Herren beherrschten andere, weil sie sich selbst beherrschten, sie machten so sehr den Eindruck von Überlegenheit, daß sich die Städte willig ihrer Leitung unterwarfen: Lübeck wurde das anerkannte Haupt der Hanse. Irgendeine Machtbefugnis wurde ihm nicht eingeräumt: sein persönliches Schwergewicht war seine Macht. Die tatenreiche Gemeinschaft der Hanse war auf den guten Willen ihrer Mitglieder angewiesen; keine Verfassung, keine Urkunde, kein Gesetz, nicht einmal eine gemeinsame Kasse hielten sie zusammen. Als im Jahre 1418 auf einem großen, von 55 Städten besuchten Hansetage ein zwölfjähriges Bündnis, eine sogenannte Tohopesate geschlossen wurde, glaubten die Städte selbst, es gebe eine Gründungsurkunde, die sich aber natürlich nicht fand. Das Entstehen der Hanse war eine Folge der Verbindungen der Kaufleute im Auslande, der im Mittelalter herrschenden Neigung zu genossenschaftlichen Bildungen, die die Neigung zur Bewahrung individueller Besonderheit und Selbständigkeit ergänzte. Alle Städte nahmen in Nöten die Hilfe benachbarter Städte in Anspruch, sprangen auch wohl notleidenden Städten hilfreich bei, aber sie haßten es, sich zu binden und den gemeinsamen Interessen regelmäßige Opfer zu bringen. Daß jeder sich selbst der Nächste sei, wurde als ein heiliger Grundsatz angesehen. »Es were unsir schade czu gros«, sagten einmal die preußischen Städte, »sulde wir unsir und unsir stete gut so grobelich in den gemeinen nutz usgeben.« Der gemeine Nutzen wird hier offenbar als ein verächtlicher Irrweg betrachtet. Auch Köln, das im Bewußtsein seiner rühmlichen Geschichte sich überhaupt zurückhaltend benahm, sagte gelegentlich, es sei unerhört, daß es um des gemeinen Besten willen auf Sonderrechte verzichten solle. Daß trotzdem große gemeinsame Leistungen vollbracht und gemeinsame Erfolge errungen wurden, kam daher, daß gemeinsame Interessen vorhanden waren, sich geltend machten und entsprechende Maßnahmen bewirkten, dann aber war es der Klugheit, Stetigkeit und Willenskraft Lübecks zu danken.
Eines der hansischen Kontore schrieb einmal an die Stadt Danzig: »Ihr Herren mögt euch merken, wenn der Kaufmann betroffen wird, dann verliert niemand mehr als ihr Herren von den Städten, denn ihr seid der Kaufmann!« So war es wirklich; wenn die Kaufmannschaft den Städten im ganzen Reich den Charakter gab, so war das ausdrücklich in den niederdeutschen Seestädten der Fall. Das Interesse des Handels einschließlich der Gewerbe, die dem Handel zugrunde lagen, beherrschte die Politik. Dementsprechend war der Grundsatz Lübecks, dessen Regenten Grundsätze aufstellten und befolgten, mit allen Mitteln den Frieden zu erhalten und das, was im Interesse des Handels zu fordern war, durch diplomatische Verhandlungen zu erreichen. Verfingen diese nicht, so wurde das Mittel der Handelssperre angewendet, das in der Mitte des 14. Jahrhunderts in Flandern so bald zum Erfolg führte. Zum Kriege entschloß man sich nur, wenn das Interesse des Handels auf keinem anderen Wege gewahrt werden konnte, dann aber wurde er energisch, mit Anspannung aller Kräfte betrieben. Ein solcher Fall trat ein, als im Jahre 1340 König Waldemar Atterdag in Dänemark zur Regierung kam. Es wiederholte sich mehrmals, daß die Könige des Nordens mit Hilfe der deutschen Seestädte ihren Thron eroberten und sich gegen sie wendeten, sobald sie sich sicher fühlten. Das lag in der Natur der Tatsachen, dem Kampfe Dänemarks und der Städte um die Beherrschung des Baltischen Meeres. Der begabte und tatkräftige Waldemar, der die Städte verachtete und nach der Art der Territorialfürsten seiner Zeit die Kräfte des Landes in seiner Hand vereinigt hatte, unternahm es, den gesunkenen Einfluß Dänemarks wiederherzustellen. Nacheinander nahm er Helgoland, Schonen, Wisby. Durch die Besetzung Helgolands fühlte sich Hamburg bedroht, der Verlust der deutschen Niederlassungen auf Schonen, wo die Heringe, damals ein Volksnahrungsmittel, in Massen gefangen wurden, bedeutete eine unleidliche Einbuße. Die Eroberung des alten, mächtigen Wisby mit seinen 48 Türmen und 18 Kirchen, von denen die Marienkirche, die Kirche der Deutschen, noch vollständig erhalten ist, war ein eindrucksvolles Ereignis, das die Sage ausschmückte. Waldemars mit Beute beladene Schiffe soll ein Sturm im Meer versenkt haben; man glaubte die Karfunkelsteine, die, in die Fensterrosetten der Nikolaikirche eingelassen, den Schiffen als Leuchte gedient hatten, zuweilen aus der Tiefe des Meeres hervorglühen zu sehen. Obwohl der König die Freiheiten der berühmten Stadt nicht antastete und sie nach wie vor nicht als dänische, sondern als Hansestadt betrachtete, verlor sie seitdem an Bedeutung und wurde schließlich zu einem Stützpunkt für Seeräuber.
Als sich Waldemars Absicht, die Deutschen aus dem Baltischen Meere zu verdrängen, so klar gezeigt hatte, bestand Lübeck auf ernstlichem Zusammenschluß der Hansen und fand auch dafür Verständnis. In Greifswald kam es zu einem Bündnis der Städte Lübeck, Hamburg, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Anklam, Stettin, Kiel, Bremen, Kolberg mit den Königen von Schweden und Norwegen und zum Beschlüsse des Krieges gegen Dänemark. Zuerst erlitten die Verbündeten eine Niederlage sowohl in der Seeschlacht wie in der Diplomatie; denn Waldemar zog die beiden Könige auf seine Seite und vermählte sogar seine Tochter Margarethe mit Hakon von Norwegen. Ein anderer Fürst ersetzte sie, Albrecht von Mecklenburg, der Anspruch auf Schweden erhob und wohl wußte, daß er ihn ohne die Hilfe der Städte nicht durchsetzen konnte. Auf zwei großen Hansetagen in Lübeck und Köln 1366 und 1367 vereinigten sich die Städte zu energischem Handeln; die Bürgermeister von Lübeck und Stralsund, Jakob Pleskow und Bertram Wulflam, traten dabei am meisten hervor. Bald darauf war Dänemark in den Händen der Verbündeten, und während Waldemar, um Bundesgenossen zu werben, auf dem Festland herumreiste, mußte der dänische Reichsrat einen Frieden eingehen, durch den das Übergewicht der Hansestädte in der Ostsee nicht nur wiederhergestellt, sondern verstärkt wurde. Sie erhielten ein Verkehrsprivileg, das alle im Bunde befindlichen Städte umfaßte, und es wurden ihnen zur Sicherung der Bedingungen die vier wichtigsten Sundschlösser, nämlich Helsinborg, Skannör, Fälsterbo und Malmö, auf 15 Jahre übergeben. Außerdem wurde den Städten bei der Wahl von Waldemars Nachfolger eine entscheidende Stimme zugestanden. Dem König blieb nichts übrig, als den für ihn so unglücklichen Frieden zu bestätigen. Er starb fünf Jahre später auf dem Schloß Gurre am Meere, von dem noch geringes Gemäuer übriggeblieben ist. Er war der Letzte vom Stamme des Sven Esthridson, der im 11. Jahrhundert Freund Adalberts von Bremen war.
Es ist bezeichnend für die damalige Auffassung von Nationalität, daß der treueste Freund und Anhänger Waldemars der Herzog Erich von Sachsen war, der ihn auf allen seinen Feldzügen begleitete. Da Herzog Erich zugleich mit der Stadt Lübeck befreundet war, trafen sie ein Übereinkommen, wonach der Herzog Waldemar auf dem Meere unterstützen durfte, zu Lande aber Frieden mit Lübeck halten wolle. Auch der deutsche Adel auf Rügen, die Putbus, Moltke, von den Lanken, stand im Dienste Waldemars, seine sagenhafte Geliebte, die Tove Lille, soll eine Putbus gewesen sein; allerdings hatte der Herzog von Pommern erst kürzlich Rügen vom Kaiser