Gesammelte Werke. Ricarda Huch

Читать онлайн.
Название Gesammelte Werke
Автор произведения Ricarda Huch
Жанр Философия
Серия
Издательство Философия
Год выпуска 0
isbn 4064066388829



Скачать книгу

ihn um die Reform. Wir können jetzt nicht mehr soviel dabei tun wie in jener Zeit, als der päpstliche Stuhl erledigt war.« Ein trauriger Triumph, wie Siegmund deren oft zu verzeichnen hatte. Die Reformen, die gewährt wurden, betrafen die Verwaltung und wurden durch Konkordate festgesetzt, die der Papst mit den einzelnen Ländern auf mehrere Jahre abschloß. Von einer Hebung der sittlichen Zustände war keine Rede, ebensowenig wurde die übertriebene Zentralisation aufgehoben, die alle kirchlichen und weltlichen Angelegenheiten nach Rom zog und die Ursache der finanziellen Ausbeutung der Länder war. Nur das war erreicht, daß es wieder einen einzigen Papst in Rom gab, und daß der Papst sich in Übereinstimmung mit dem römischen König befand. Am 24. Januar 1418 erkannte der Papst den König feierlich an, reichte ihm die Hand und versprach ihm die Achtung und Rücksicht, die ihm als dem weltlichen Oberhaupt der Christenheit gebühre. Dem Gelöbnis schlössen sich die Kardinäle und übrigen Prälaten an. In Gegenwart Siegmunds ließ der Papst am Grünen Donnerstag die Exkommunikationsbulle gegen die Heiden, Häretiker, Schismatiker, Griechen, Juden, gegen den schismatischen Papst Benedikt XIII., der nicht abdanken wollte, gegen alle von der römischen Kirche Abgefallenen, gegen Falschmünzer und Verfälscher päpstlicher Bullen und Siegel verlesen. Es war eine förmliche, feierliche Restauration, die Grundzüge der mittelalterlichen Verfassung waren wiederum gesichert. War es das, was Siegmund gewollt hatte?

      Die Hanse

       Inhaltsverzeichnis

      Nähert man sich vom Meer her den Städten Rostock, Wismar, Stralsund, so sieht man ihre Kirchen wie schwimmende Burgen, von denen aus ein Geschlecht von Riesen das grenzenlose Reich beherrschte. Die Westfalen, Rheinländer, Friesen und Holländer, die ihre Heimat verließen, um sich im slawischen Lande, von slawischen Fürsten gerufen, anzusiedeln, besiegelten mit diesen Kolossen den Bund, den sie mit ihrem Gott geschlossen hatten, dem Gott, der sich mächtiger als die slawischen und nordischen Götter erwiesen hatte. Wie ein Urelement stehen sie da, die Sankt Marien und Sankt Nikolaus, alt und unvergänglich wie der Sturm und das Meer und die Nacht, triumphierend über die flüchtigen Menschen, deren Gräber in ihren Gewölben zerfallen. Und doch waren es diese heimatlosen Menschen, die sie bauten, damit sie das Heiligtum ihrer neuen Heimat würden.

      Außerordentlich schnell brachten die günstige Lage und die Tüchtigkeit der Einwanderer die Küstenstädte an der Ostsee zur Blüte; entstanden am Ende des 12. Jahrhunderts, waren sie schon nach fünfzig Jahren zu wohlhabenden, wirkungsvollen Gemeinwesen geworden, in deren Häfen eigene und fremde Schiffe vor Anker lagen. Denn Handel war es, der sie reich machte, Kaufleute waren es, die den Kern der Bevölkerung ausmachten und sie leiteten. Aus ihnen bildete sich ein Patriziat, das die stolzen Häuser am Markt, in der Nähe des Rathauses erstellte, während die Gewerbsleute in besonderen Quartieren um eine eigene Kirche herum bescheidenere Häuser bewohnten. Wie im Süden wuchsen auch im Norden die Städte zu Gruppen zusammen, je nachdem politische und wirtschaftliche Interessen sie verbanden. Sämtliche an der Ostsee oder nahe der See gelegene Städte vereinigte das Bedürfnis, das östliche Meer zu beherrschen und fremde Völker davon auszuschließen.

      Die Kölner, die Wein nach England brachten und Wolle von England ausführten, gründeten schon im 12. Jahrhundert eine Niederlage in London, welche die Gildehalle genannt wurde und sich bedeutender Privilegien von Seiten der englischen Regierung zu erfreuen hatte. Die homines imperatoris, Leute des Kaisers oder die Männer von der deutschen Hanse, wie sie später genannt wurden, brachten, wie alle Deutschen, ihr heimisches Recht mit ins Ausland und regierten und verwalteten sich danach; an ihrer Spitze standen zwei Aldermänner, von denen der eine ein Deutscher, der andere ein Engländer sein mußte. Sie hatten die Verpflichtung, ein Tor der Mauer, das Bischofstor, zu bewachen, ein Beweis, wieviel Vertrauen man ihnen schenkte. Noch älter war die Vereinigung deutscher Kaufleute auf der Insel Gotland; ihr Einfluß war so groß, daß der Rat der Stadt Wisby aus Goten und Deutschen bestehen mußte. Sie führten im Jahre 1229 ein eigenes Siegel. Im 12. Jahrhundert traten sie an die Stelle der Gotländer in Nowgorod, wo diese hundert Jahre früher eine Niederlage gegründet hatten; es war der östlichste Punkt des hansischen Handelsgebietes. Dazu kam ein Kontor in Brügge, das im 13. Jahrhundert und eins in Bergen, das im 14. Jahrhundert entstand. Namentlich in den skandinavischen Ländern spielte das deutsche Element eine bedeutende Rolle. König Magnus von Schweden erließ ein Gesetz, wonach die Deutschen in den schwedischen Städten dieselben Rechte genießen sollten wie die Eingeborenen; die Hälfte der Bürgermeister und Ratsherren sollten Deutsche sein. Stockholm war überwiegend deutsch, betrachtete sich als Hansestadt. Norwegen war von den Getreidelieferungen aus Deutschland abhängig, das Gewerbe war in allen skandinavischen Ländern so unentwickelt, daß sie der Einführung deutscher Waren durchaus bedurften. Außer den dreißig Höfen deutscher Kaufleute am Hafen, der sogenannten Deutschen Brücke, gab es in Bergen eine große Anzahl deutscher Handwerker, deutsche Schuhmacher genannt, weil diese überwogen. In diesem Bezirk war Raub und Mord nichts Seltenes, woran zum Teil die Rauflust der Deutschen schuld war und der Hochmut, mit dem sie auf die Nordleute herabsahen.

      Je mehr sich die Rats Verfassungen in den Städten ausbildeten, was etwa um 1300 vollendet war, desto mehr strebten die Städte danach, die auswärtigen Kontore der Kaufleute sich unterzuordnen. Im Jahre 1356 erschienen Vertreter von Lübeck, Hamburg, Stralsund, Dortmund, Soest, Thorn, Elbing, Wisby und den livländischen Städten in Brügge, geführt vom Bürgermeister Heinrich Pleskow von Lübeck, und faßten einen darauf bezüglichen Beschluß. Bald danach hieß es nicht mehr die Männer von der deutschen Hanse, sondern die Städte von der deutschen Hanse; das Wort, das ursprünglich sich auf die deutschen Kaufleute bezogen hatte, die im Ausland Handel trieben, wurde zu einer Bezeichnung für die handeltreibenden Städte des deutschen Nordens. Dieser Wechsel war für die Kaufleute ein Gewinn, insofern sie einen stärkeren Rückhalt bekamen; aber sie wurden auch mehr in die Verwicklungen ihrer Städte mit dem Ausland hineingezogen.

      Es kann in Erstaunen setzen, daß die Städte die Nord- und Ostsee beherrschen konnten, wenn man bedenkt, daß das staatliche Leben in England bereits hoch entwickelt war. Auch wurden unter Eduard III. Bemühungen zur Hebung des englischen Kaufmanns angestellt, die sich natürlich gegen die Hanse richteten; aber sie zu entbehren war doch noch nicht möglich. Noch war England vom Kapital der deutschen Kaufmannschaft so abhängig, daß die englische Königskrone längere Zeit an Dortmunder Kaufleute versetzt war. Ferner war der englische Handel durch Englands hundertjährigen Krieg mit Frankreich gelähmt. Es zeigte sich, wie günstig für die deutschen Städte die lockere Verfassung des Reiches war, die den einzelnen Gliedern eine selbständige Entfaltung ermöglichte, indem sie nicht gezwungen waren, an allen Schicksalen eines Gesamtstaates teilzunehmen. Obwohl unter den Hansestädten, abgesehen von Mühlhausen und Nordhausen, die wenig in Betracht kamen, nur eine, nämlich Lübeck, Reichsstadt war, so waren die niederdeutschen Seestädte doch, wenn auch Fürsten Untertan, Republiken. Den Schutz, den ein mächtiger Staat verleihen kann, entbehrten sie. Umgeben von Feinden und Nebenbuhlern, hatten sie keinen Freund als etwa irgendeinen Fürsten, der mit einem anderen in Fehde geraten war und deshalb den Bund mit den Städtern suchte. Sie wußten, daß das nur vorübergehend sein konnte; denn während die Streitfälle zwischen den Fürsten ausgeglichen werden konnten und wurden, blieb der Gegensatz zwischen den Fürsten und Städten bestehen. Es ist bewundernswert, daß sie in einer so gefährdeten Lage ungefähr 200 Jahre lang die Vorherrschaft auf der Ostsee halten konnten. Sie verdankten diesen Sieg teils der Schwäche ihrer Gegner, mehr noch ihrer Umsicht und Tüchtigkeit auf allen Gebieten.

      Am reinsten ist das hansische Genie in Lübeck zur Entfaltung gekommen. Die Ursache davon ist vielleicht, daß Lübeck Reichsstadt und Bischofsstadt war, daß es von den edlen Säften einer mannigfaltigen Kultur gespeist war. Die Bevölkerung von Rostock, Wismar, Stralsund, Greifswald war in der Hauptsache westfälisch wie die Lübecks, wenn auch vielleicht mehr gemischt. Daß sie so verschieden von Lübeck waren, ist nicht aus dem Stammescharakter zu erklären, selbst wenn man annimmt, daß ein Zuschuß wendischen Blutes namentlich in die Handwerkerkreise der östlichen Städte eingedrungen sei. Sie waren mehr als Lübeck Kolonialstädte, schnell aus dem feuchten slawischen Boden aufgeschossen, angesichts des Meeres, nur der Meereshantierung zugewendet. Es kamen Jahre, wo sich Stralsund neben Lübeck als Haupt