Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Ricarda Huch |
Жанр | Философия |
Серия | |
Издательство | Философия |
Год выпуска | 0 |
isbn | 4064066388829 |
Die schwäbischen Städte, unter denen Ulm durch Reichtum und unternehmenden Sinn sich hervortat, traten zum ersten Male im Jahre 1331 unter Ludwig dem Bayer zu einem Bündnis zusammen, dessen Regierung überhaupt den Städten förderlich war. Der Kaiser bediente sich der schwäbischen Städte im Interesse seiner Hausmacht, verwandelte aber den Städtebund nach einigen Jahren durch Aufnahme verschiedener Herren in einen Landfriedensbund, der nicht von Dauer war. Die Städte hielten den einmal hergestellten Zusammenhang fest und erneuerten die Einigung ausdrücklich für den Fall, daß ein neuer König ihre Rechte verkümmern sollte. Nachdem Karl IV. es zum Reichsgesetz erhoben hatte, daß keine anderen als Landfriedensbündnisse errichtet werden dürften, mußte der Bund der schwäbischen Städte aufgelöst werden; das änderte sich aber, als der König durch ein Bündnis seines unbequemen Schwiegersohnes, des Herzogs Rudolf von Österreich, mit dem Grafen Eberhard von Württemberg sich bedroht fühlte. Beide, Graf Eberhard und Rudolf der Stifter, gehörten zu den Fürsten, die rücksichtslos auf die Vergrößerung und Festigung ihrer Länder bedacht waren. Die württembergischen Grafen fanden herzhafte Gegner ihrer Politik in den zahllosen schwäbischen Reichsstädten, die die Grafen um so mehr fürchteten, als sie Landvögte in Schwaben waren und dadurch die Mittel hatten, die Selbständigkeit der Städte zu beeinträchtigen. Kaum hatte der Kaiser mit Hilfe der Städte den Grafen Eberhard besiegt, als er ihren Bund wieder auflöste. Als dann dreißig Städte dennoch zusammentraten, schritten die erbitterten Fürsten und Herren zu einer Gewalttat, indem sie den Grafen Ulrich den Älteren von Helfenstein, den die Städte als ihren Hauptmann angestellt hatten, überfielen und gefangennahmen. In einer Schlacht, durch die sie ihn zu befreien hofften, siegten sie zwar; aber der Bürgermeister von Ulm, Heinrich Besserer, der sie anführte, fiel, und den unglücklichen Helfensteiner fand man einige Wochen später in seinem Gefängnis mit durchschnittenem Halse tot. Uneingedenk des Beistandes, den sie ihm früher geleistet hatten, gab der Kaiser sie preis, zwang sie, einen unvorteilhaften Frieden mit dem Württemberger Grafen zu schließen. Mit der Anerkennung seines Sohnes Wenzel zum römischen König beschäftigt, wollte er die Fürsten durch Zugeständnisse auf Kosten anderer für diesen seinen Lieblingsplan gewinnen. Eberhard von Württemberg erhielt die Stadt Weil und die Schultheißenämter von Eßlingen und Gmünd als Pfandbesitz, außerdem die Vollmacht, alle Reichspfandschaften in Schwaben für sich einzulösen. Wieder war es Ulm, das sich nicht beugen ließ; es brachte 14 schwäbische Städte zu einem neuen Bund zusammen, die sich stolz und mutig weigerten, dem neuen König zu huldigen. Der Kaiser, der mit einem großen Heer Ulm belagerte, mußte, ohne etwas ausgerichtet zu haben, wieder abziehen. Als Eberhards Sohn Ulrich sich auf der Achalm festsetzte und von dort aus die Reichsstadt Reutlingen belästigte, entschlossen sich die Städte unter dem Einfluß Ulms zur Schlacht; bei Dettingen trugen sie einen vollständigen Sieg über Ulrich davon. Im selben Jahre legten die Ulmer den Grundstein zu ihrem Dom. Das Glück der Städte brachte den Kaiser auf ihre Seite, mit Leopold von Österreich trat er ihrem Bunde bei, ebenso die angesehenen Städte Regensburg und Nürnberg. Ein großer Aufschwung des Bündniswesens ging durch die Städte im ganzen Reich: im Jahre 1379 verbündeten sich die elsässischen Städte Hagenau, Kolmar, Schlettstadt, Weißenburg, Mülhausen und einige kleinere, 1381 die rheinischen, 1382 die norddeutschen Braunschweig, Göttingen, Goslar, Hildesheim, Lüneburg, Hannover, Helmstedt, Ülzen. Man meint, der Gedanke hätte ihnen kommen müssen, alle diese Teilbünde zu einem einzigen zu verschmelzen und die gesammelte Kraft zugunsten der Reichseinheit oder wenigstens der Städtefreiheit im Gegensatz zum Territorialfürstentum einzusetzen; aber so weit griff ihre Politik nicht. Im Gegenteil beschränkten sie sich bewußt; nicht leicht überschritten sie den Kreis ihrer nächsten Interessen, ließen sich nicht leicht auf Unternehmungen ein, deren Zweck und Ausführung nicht ganz in ihrer Hand gelegen hätte. Immerhin kam es dazu, daß die rheinischen sich mit den schwäbischen Städten vereinigten, obwohl Straßburg warnend den vorsichtigen Grundsatz entgegenhielt, keinen Bund über den Rhein zu machen. Ebenso widersetzten sich die Waldstädte, konnten aber Luzern nicht zurückhalten, da Bern, Zürich, Zug, Konstanz und Solothurn sich anschlossen. Wie hoch die Schweizer Städte gewertet wurden, sieht man daraus, daß ihnen besonders günstige Bedingungen zugestanden wurden. Die Fürsten und Ritter begegneten der städtischen Bewegung, indem sie ihrerseits Verbindungen abschlossen und sich auf den Landfrieden beriefen, den die Städte als eine fürstliche Parteisache ansahen. Die Stimmung war so gespannt, daß ein Ausbruch der Feindseligkeit erwartet wurde. Als Luzern durch Zerstörung des österreichischen Rotenburg den Herzog Leopold zum Angriff reizte und den glorreichen Sieg bei Sempach erfocht, wäre es zum allgemeinen Kriege gekommen, wenn nicht Straßburg vermittelt hätte. Ein Streit des Bischofs Pilgrim von Passau mit den Herzögen von Bayern, die den Bischof veranlaßten, dem Städtebunde beizutreten, gab im Jahre 1388 den Anlaß zum kriegerischen Zusammenstoß. Der Bürgermeister von Ulm, der Stadt, die die Seele des Bundes von Anfang an gewesen war, wieder ein Besserer, fiel in der unglücklichen Schlacht bei Döffingen, die dem Grafen Eberhard von Württemberg die durch den Tod seines Sohnes Ulrich teuer erkaufte Rache brachte. Den rheinischen Städten brachte Ruprecht von der Pfalz bei Worms eine Niederlage bei. Wenzel, inzwischen Nachfolger seines Vaters geworden, der kurz vorher, da er gerade mit den Fürsten im Streite war, sich den Städten zugewendet hatte, verließ sie mit dem Glück. Auf dem Reichstage zu Eger mußten sie auf ihr Sonderbündnis verzichten und dem Landfrieden beitreten, wie es dem Reichsgesetz entsprach. »Der Kaiser wollte nicht einsehen, daß die Städte Gottes Recht führten«, sagte ein städtischer Chronist. »Gott gebe dem heiligen Reich und der heiligen Christenheit eines Tages ein rechtes Haupt.«
Trotz dieses schweren Schlages verloren die Städte den Mut nicht. Sieben Städte am Bodensee, deren Haupt Konstanz war, traten trotz kaiserlichen Gebotes dem Landfrieden nicht bei. Grade um diese Zeit erwarben sich zwei Städte, Regensburg und Dortmund, weithin leuchtenden Ruhm durch die Unbeugsamkeit, mit der sie ihren Feinden widerstanden. Die mächtigen Feinde Regensburgs waren die bayrischen Herzöge; der geringeren, die Fehde ansagten, waren so viele, daß zwei Rollen kaum ihre Namen faßten. Die vergebliche Belagerung wurde zu einem Triumph, dessen Gedächtnis noch jahrelang gefeiert wurde. Während die Belagerung Regensburgs nur drei Monate dauerte, widerstand Dortmund zwei Jahre lang. Dortmunds Feinde waren der Erzbischof von Köln und der Herzog von der Mark, dazu sagten im Namen Kölns 540, im Namen des Herzogs 649 Ritter und eine Reihe erzbischöflicher und märkischer Städte Fehde an. Tapfer verteidigte sich auch Straßburg gegen seinen Bischof, gegen den Markgrafen Bernhard von Baden und Eberhard den Milden von Württemberg. Schon zwei Jahre nach der Niederlage von Döffingen brachte das kühne Ulm wieder einen Bund schwäbischer Städte zustande. Vollends im Norden hatten die Städte soeben eine solche Stellung erkämpft, daß sie sich an Macht und Ansehen neben Heinrich den Löwen, an Weisheit über ihn stellen konnten.
Das Konzil zu Konstanz
Je feiner und verwickelter ein Organismus ist, desto mehr ist er Schädigungen ausgesetzt, desto schwieriger ist seine Erhaltung. Die mittelalterliche Verfassung, wenn man von einer solchen überhaupt sprechen kann, mit der Menge ihrer einzelnen Glieder, der vielfachen Abstufung derselben, dem daraus sich ergebenden Reichtum an Beziehungen, denn sie bestand ja eigentlich aus persönlichen Beziehungen, mit der großen, durch Papst und Kaiser vertretenen Idee des Ganzen, dieser zugleich großartig einfache und labyrinthische Bau hatte wie kein anderer den Vorzug alles durchdringender Beseeltheit. Wie aber auch im Leben des einzelnen die Phantasie und Lust am Spiel allmählich vor nüchterner Berechnung des Erfolges und dem Zweckmäßigen zurücktreten muß, so gingen die meisten Länder zu Formen über, die rasches Handeln und gründliches Ausnützen aller Mittel ermöglichten. In Frankreich wurde nach und nach die Vielfalt des Individuellen von einem Mittelpunkte aufgesogen, in England bildete sich eine gegliederte Vertretung des einzelnen innerhalb der Zentralgewalt aus. In Deutschland erhielt sich die Idee