Gesammelte Werke. Ricarda Huch

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Название Gesammelte Werke
Автор произведения Ricarda Huch
Жанр Философия
Серия
Издательство Философия
Год выпуска 0
isbn 4064066388829



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fügte er die Einschränkung hinzu, sie könnten nur gelten, solange die Rechte des Heiligen Reiches nicht dadurch beeinträchtigt würden. Rudolf war enttäuscht und verstimmt, daß sein Schwiegervater das Erzeugnis seiner Kanzlei beanstandete. Ihm zum Trotz fuhr er fort, sich Pfalzerzherzog, Reichsoberjägermeister und Fürst zu Schwaben und Elsaß zu nennen und ließ sich ein Siegel anfertigen, auf dem er mit geschlossener Bügelkrone dargestellt war, die ein Kreuz trug, während er doch nur auf den Herzogshut Anrecht hatte. Der Kaiser entzog ihm zwar die Landvogtei im Elsaß, ließ sich aber, vielleicht unter dem Einfluß seiner Tochter, immer wieder versöhnen und verstand sich dazu, den Herzog zu belehnen, wenn auch nicht auf österreichischem Gebiet, wie es das Privilegium majus verlangte. Rudolf begriff, daß die Vergrößerung und Erhebung Österreichs Schritt für Schritt erstritten werden müsse. Er wandte sich zuerst gegen den Patriarchen von Aglei.

      Jahrhunderte hindurch waren die Patriarchen von Aquileja oder Aglei Deutsche und in unentwegter Treue Anhänger der Kaiser gewesen, die sie begünstigten und bereicherten. Heinrich IV. verlieh Sieghart, einem Grafen von Plaien, der früher sein Kanzler gewesen war, die Grafschaft Friaul mit den davon abhängigen Lehen und allen herzoglichen und markgräflichen Rechten, dazu die Mark Krain und die Grafschaft Istrien. Die Patriarchen wurden dadurch Herzöge von Friaul und reichsunmittelbare Fürsten. Unter dem kriegerischen Ulrich I. aus dem Hause Eppenstein, einem Verwandten des Kaisers, wanderte viel deutscher Adel in Friaul ein und baute dort Burgen, Pilgrim I. aus dem Hause Sponheim erhielt von Friedrich I., den er immer begleitete, die Grafschaft Belluno. Zur Zeit Barbarossas war es auch, daß der jahrhundertealte Streit zwischen dem Patriarchen von Aquileja und dem von Grado in einer für Aquileja ehrenvollen und vorteilhaften Art ausgeglichen wurde. Einen merkwürdigen, bedeutenden Fürsten hatte das Patriarchat in der Person Wolfgers von Leubrechtskirch, der von 1204 bis 1218 regierte. Sein Pate, der große Rainald von Dassel, ließ ihn zuerst die Stiftsschule von Hildesheim, dann die medizinische Schule von Salerno besuchen. Im Jahre 1159 suchte er den Erzbischof in Mailand auf und begrüßte einige Jahre später den in Italien ankommenden Kaiser mit einem Gedicht; er war schon als Dichter rühmlich bekannt. Es scheint, daß er daran dachte, die Tochter des Grafen Otto von Andechs zu heiraten, die er in Liebesliedern feierte; man weiß nicht, was ihn bewog, Geistlicher zu werden. Nachdem er Erzieher der Söhne Barbarossas, Heinrich und Friedrich, gewesen war, wurde er Domherr von Aglei und schließlich Bischof von Passau. Er nahm in Worms das Kreuz und zog 1197 mit Friedrich von Österreich über Friaul und Aquileja nach Palästina. Das Epos über die Taten des Kaisers, das Rainald von Dassel zu schreiben ihn aufgefordert hatte, soll er vollendet haben; aber es ist nicht auf uns gekommen. Er war mit Walther von der Vogelweide bekannt und hat ihn auf einer seiner Burgen als Gast empfangen. Wolfger war der erste Patriarch, der behauptete, Fürst Italiens zu sein und als solcher auf den Hoftagen in Deutschland nicht erscheinen zu müssen.

      Durch Otto I. war Aquileja mit Friaul und der Mark Verona vom Königreich Italien abgetrennt und in Verbindung mit Bayern dem deutschen Reiche untergeordnet worden, und dies Verhältnis war niemals förmlich aufgehoben worden. Wolfgers Nachfolger hielten an dem neuen Grundsatz fest. Unter seinem Nachfolger Berthold von Andechs, einem Bruder der heiligen Hedwig und Oheim der heiligen Elisabeth, erreichte das Patriarchat höchstes Ansehen. Als er im Jahre 1250 in Rom war, diente ihm der Herzog von Österreich und Kärnten als Mundschenk und Truchseß; der Papst bemerkte einmal mit Beziehung auf den Glanz, mit dem er sich umgab, daß er ein zweiter Papst sein wolle. In den furchtbaren Kämpfen Friedrichs II. mit den Päpsten verstand Berthold anfangs Anhänger des Kaisers zu sein, ohne Feind des Papstes zu werden, aber im Jahre 1245 fiel er ab; es war das erstemal, daß ein Patriarch von Aglei den Kaiser verließ, um zum Papst überzugehen. Damit begann der Niedergang dieser in uralter Heiligkeit und Würde schimmernden Macht, der freilich ohnehin hätte erfolgen müssen; denn nur ein starkes Kaisertum hätte das Patriarchat zwischen den mächtiger um sich greifenden Nachbarn Venedig und Görz halten können. Wie ein Anzeichen der unglücklichen Veränderung war es, daß der Patriarch im Jahre 1258 sich entschloß, die Residenz von Aquileja, das durch Versumpfung ein ungesunder Aufenthalt geworden war, nach Udine zu verlegen, das neben dem alten von Cäsar gegründeten Cividale die bedeutendste Stadt Friauls war. Im Dome von Cividale wurden noch bis in die neue Zeit Gesänge langobardischen Ursprungs gesungen. Nach dem Tode des Patriarchen Berthold, des letzten seines Geschlechtes, kam die Patriarchenwürde für längere Zeit an Italiener, besonders an die Familie della Torre, die zur Zeit der Visconti nach Friaul geflüchtet war und sich unter dem Namen von Thurm nach Deutschland verbreitet hat. Ihre Regierung war mit Kriegen gegen die Grafen von Görz erfüllt.

      Im 11. Jahrhundert, während die Eppensteiner das am oberen Isonzo sich ausbreitende Land innehatten, wurden die Grafen von Görz Schutzvögte von Aquileja, ein fast immer für das bevogtete Land gefährliches Verhältnis. Unter den Lurngauer Grafen, an die Görz nach dem Aussterben der Eppensteiner fiel, erhoben sich Meinhard III. und Meinhard IV. zu einer über die Grafschaft hinausgehenden Bedeutung. Meinhard III. wurde der reichste Graf im Reich, da er als Gatte der Tochter des letzten Grafen von Tirol diesen und noch dazu die aussterbenden Grafen von Andechs beerbte. Er begleitete Ottokar von Böhmen auf seinem Kreuzzuge gegen die Preußen und tat sich dort sowohl durch Tapferkeit wie durch Aufwand hervor. Meinhard IV. vermehrte ebenfalls das Ansehen, das der Reichtum verleiht, durch die Tapferkeit, die er namentlich in der denkwürdigen Schlacht auf dem Marchfelde an der Seite Rudolfs bewährte, und außerdem durch Charakter und Einsicht. König Rudolf, dessen treuer Anhänger und Freund er blieb, ernannte ihn zum Fürsten des Reiches, verlieh ihm das Herzogtum Kärnten und verheiratete seinen Sohn Albrecht mit Meinhards Tochter Elisabeth. Meinhard selbst war mit der Witwe Konrads IV., Elisabeth von Bayern, verheiratet und gründete mit ihr, nachdem sie den Tod Konradins erfahren hatten, die Abtei Stams als Familiengruft. Die höchste Blüte brachte der gefürsteten Grafschaft Görz Heinrich II., der sich den Ruhm erwarb, Vater seiner Untertanen genannt zu werden. Wie verehrt er war, geht daraus hervor, daß die Stadt Triest ihn zum Podestà wählte, daß die Stadt Padova sich ihm ergab, daß er General-Reichsvikar der Mark Treviso wurde. Er starb im Jahre 1327 in Görz. Wie er ein treuer Anhänger Friedrichs des Schönen von Österreich gewesen war, so blieben auch in der Folge die Fürsten von Görz mit Österreich verbunden und schlossen mit den Herzögen eine Erbverbrüderung. Als nun der Patriarch von Aquileja, Luigi della Torre, Miene machte, die seinem Lande durch Österreich entfremdeten Gebiete zurückzuerobern, hatte Rudolf den Grafen von Görz auf seiner Seite und gewann durch geschickte Beeinflussung auch Kaiser und Papst. Mit seinen Verbündeten besiegte Österreich den Patriarchen, er mußte sich mit zwölf Geiseln aus den edelsten Familien Friauls nach Wien begeben und beim Friedensschluß alle seine Lehen in Steiermark, Kärnten und Krain Rudolf überlassen. Gleichzeitig trat ein für die beteiligten Fürsten aufregendes Ereignis ein, nämlich der Tod Ludwigs von Brandenburg, des Mannes der Margarethe Maultasch, Erbin von Tirol. Rudolfs Vater Albrecht hatte die Erwerbung dieses Landes vorbereitet, indem er Ludwig unterstützte und den Papst bewog, seine widerrechtlich mit Margarethe geschlossene Ehe anzuerkennen. Dieses Bündnis erneuerte Rudolf in so bindender Form, daß es sich sogar gegen den Kaiser richten konnte. Dankbar eröffnete ihm Margarethe Aussicht auf Tirol für den Fall, daß sie ohne Erben sterben sollte; aber nach dem Tode ihres Mannes geriet die Haltlose unter den Einfluß des Tiroler Adels und ließ sich Schenkungen abdrängen, während auf der anderen Seite der Herzog von Niederbayern ihren Sohn gefangennahm, um durch ihn die Hand auf Tirol legen zu können. Da entschloß sich Rudolf zu schnellem Handeln: mitten im Winter überschritt er heimlich, nur von seinem Kanzler begleitet, unter unsäglichen Mühen, oft kriechend, die Tauern und kam wohlbehalten in Brixen an. Seine Kühnheit war erfolgreich, Margarethe, deren Sohn inzwischen gestorben war, übergab ihm ihr Land. Bozen, Meran, Sterzing, Innsbruck, Hall huldigten, auch der Bischof von Brixen anerkannte die Oberherrschaft Österreichs in seinem Gebiet, das bald dem Herzogtum völlig einverleibt wurde. Auf einem Fürstentage in Brünn belehnte Karl IV. seinen Schwiegersohn mit Tirol.

      Rudolf entfaltete in seinen Ländern eine rege Tätigkeit und wurde von Städten und Bauern geliebt. Er unterstützte sie, indem er die Steuerfreiheit der Geistlichen auf den Umfang der Kirchen und Klöster beschränkte, für ihre Besitzungen außerhalb derselben sie aufhob. Abgaben an Kirchen, ob sie von Grundrechten, Rentenkauf oder Vermächtnissen herrührten, erklärte er für ablösbar. Entgegen dem Geiste seiner Zeit und dem Wunsch der Zünfte zwang er den Städten Gewerbefreiheit auf, in der Hoffnung, dadurch