Название | Lionel Forster, der Quarteron. Eine Geschichte aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg |
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Автор произведения | Sophie Wörrishöffer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788711487587 |
Hier war der Schrank, in dem die Kleider hingen; Manfreds heisse Fingerspitzen tasteten überall umher. Kein Geheimfach? Kein doppelter Boden?
Nichts, gar nichts.
Jetzt kam das Arbeitszimmer an die Reihe. Sämtliche Schlüssel hatten sich in den Taschen des Toten befunden, er öffnete den Schreibtisch und sah hinein. Da lag Geld in einer kupfernen Schale: Gold — Tausende, ausserdem Banknoten in Stapeln, ein Buch, in welchem der Stand des Vermögens genau verzeichnet war.
Es griff wie mit Krallen in das Herz des verbrecherischen Mannes. Wenn er das Testament nicht auffand, so war alles verloren, alles; ein Fremder, ein Sohn der verachteten Rasse, erhielt das kolossale Erbteil.
Die fieberheisse Hand suchte und suchte. Auch hier kein geheimes Versteck?
Doch — ja! Der kleinste Schlüssel am Ring passte in ein Schloss, das nur der Blick des genauesten Beobachters entdecken konnte. Ein Fach sprang auf, ein versiegeltes, umfangreiches Paket fiel in die Hände des Suchenden. „Mein Testament“ stand auf der Vorderseite.
Manfred Trevor riss das Siegel ab, er sah heissen Blickes hinein in das eng beschriebene Dokument. Zuerst eine Namenliste von stattlicher Länge, — Jimmy und Billy und Lizabeth und Mary, wie die Schwarzen alle hiessen: von Ralhp, dem Vertrauten des Gebieters, bis zum letzten Stalljungen waren sie alle durch notarielle Akte in Freiheit gesetzt. — Ein satanisches Lächeln umspielte Mr. Trevors Lippen. Nie sollte irgendeines Menschen Auge diese Liste sehen.
Er steckte das Blatt zu sich. Gegen zweimalhunderttausend Dollar! Wer verschenkt sie wie den Cent, den der Bettler am Wege erhält? — — Wahrlich, er nicht!
Das Testament erklärte Lionel zum Erben von Seven-Oaks. Für Philipp war ein Kapital ausgeworfen, für ihn selbst, den Vetter und Schwager des Verstorbenen, nur der Genuss einer lebenslänglichen Rente, während das Vermögen, aus welchem diese bezogen wurde, nach seinem Tode dem Haupterben wieder zufiel.
Mr. Trevor schnitt eine Grimasse. „Wahrhaftig, eine fabelhafte Grossmut!“ zischte er. „Tausend Dollar jährlich, indes der Bursche, der Lionel, das zwanzigfache dieser Summe erhalten soll. Es ist nötig, ein wenig Vorsehung zu spielen.“
Er ordnete im Pulte jeden Gegenstand, liess Geld und Banknoten unberührt an ihrem Platze liegen und verschloss das Möbel, um dann die Schlüssel in eine Kassette zu werfen. Zuerst trug er die Lampe in sein eigenes Zimmer, darauf löste er die dichte Verhüllung des Fensters. Ein vorsichtiger Rundblick überzeugte ihn, dass der frühere Zustand in allen Punkten genau wiederhergestellt sei. Freier atmend, schloss er leise die Tür, verbarg die Papiere in seiner Brieftasche und sank schwer in den Sessel, der vor seinem Bette stand.
Viertes Kapitel
Als Lionel erwachte, stand die Sonne schon hoch am Himmel. Ein unbestimmtes Erschrecken war das erste, was er empfand, dann kam blitzschnell die Erinnerung an das geschehene Unglück und liess sein Herz schneller schlagen.
Von draussen öffnete eine Hand die Tür, Philipp kam an seiner Krücke in das Zimmer gehinkt. Er setzte sich auf den Bettrand, mit leiser, liebevoller Stimme tröstete er den Freund, das bleiche, durchgeistigte Gesicht mit den schönen, milden Augen trug einen Ausdruck lebendiger Freundschaft und Treue. „Mein armer Lionel,“ sagte er. „du musst aufstehen und hinabgehen in das Empfangszimmer. Man verlangt dein Zeugnis.“
Lionel sah auf. „Ueber welchen Punkt?“ fragte er.
„Mehrere von den Schwarzen haben behauptet, dass ihr Entlassungsschein ausgeschrieben sei und dass du von der Sache wissest, — so Ralph und die alte Cassy.“
Lionel nickte. „Es ist ein Testament vorhanden, Philipp, ich weiss es. Die Neger sind samt und sonders freie Leute, sie können über ihre Personen verfügen wie du und ich.“
Philipps Gesicht glänzte vor Freude. „O, der gute Onkel Charles! — Und wo ist das Testament, Lionel?“
„Jedenfalls im Schreibtisch des Verstorbenen. Ich werde gleich nachsuchen.“
Sie gingen zusammen in den Parlor, wo schon mehrere Amtspersonen den Knaben erwarteten. Auch Mr. Manfred Trevor war zugegen; sein Gesicht zeigte eine tödliche Blässe, sonst aber keinerlei Aufregung oder Unruhe.
Im Schaukelstuhl sass der Friedensrichter und liess seine Daumen umeinanderkreisen. Er war ein wohlbeleibter, älterer Herr mit einem spöttischen Gesicht und fuchsrotem Haar, das wie ein Kranz die riesige Platte umgab. Auf seiner Farm blühte die Sklavenzucht in üppiger Ausdehnung, er versorgte alljährlich den Markt in der Stadt mit schwarzer Ware und galt als sehr strenger Gebieter.
„Komm einmal her, junger Herr,“ rief er Lionel zu. „Du bist ein Neffe des verstorbenen Mr. Trevor, nicht wahr, mein Sohn?“
„Ja, Sir!“
„Ein Schwestersohn wahrscheinlich?“
Lionels Herz klopfte schneller, eine seltsame Unruhe hatte ihn plötzlich überfallen. „Ich weiss es nicht, Sir,“ versetzte er, „aber — — aber, für so nahe halte ich die Verwandtschaft nicht.“
Hier mischte sich Manfred Trevor in das Gespräch. „Erlauben Sie, mein Herr, ich kenne die Art der vorhandenen Beziehungen. Dieser junge Mensch war meinem teuren verstorbenen Freunde ein ganz Fremder, es liegt keinerlei Blutsverwandtschaft vor.“
„Onkel Manfred!“ rief Lionel. „Um Gottes Willen, was sagst du da? Wer bin ich denn? Wer war mein Vater?“
„Das wirst du in allernächster Zeit erfahren. Jetzt handelt sich’s einzig und allein darum, dem Herrn Friedensrichter möglichst genaue Auskunft zu geben.“
Lionels hübsches Gesicht wurde bald rot, bald blass. „Ich stehe zu Diensten,“ stammelte er.
„Nun, mein Sohn, wer du bist und wie es um deine Verhältnisse steht,“ fuhr der Friedensrichter fort, „das kümmert uns heute noch nicht, du sollst nur eine Frage beantworten. Mehrere Neger, die zum Eigentum des Verstorbenen gehören, behaupten, von ihrem Gebieter freigelassen zu sein, und stützen sich dabei auf dein Zeugnis. Was weisst du von der Sache? Es ist alles Schwindel, nicht wahr? Die Kerle werden ausgepeitscht und damit basta!“
Lionel schüttelte entschieden den Kopf, seine Augen blitzten, seine ganze stattliche Gestalt hatte sich höher aufgerichtet. „Nein, Sir,“ rief er, „die Leute haben recht, Onkel Charles hat in seinem Testamente mich zum Erben von Seven-Oaks eingesetzt und allen seinen Sklaven die Freiheit geschenkt.“
„Was? Ueber zweihundert Sklaven sollten freie Leute sein?“ rief der Friedensrichter zornig. „Hunderttausende hätte Mr. Trevor auf die Strasse geworfen und das in einem Augenblick, wo das Vaterland leidet und darbt!? — Bis ich diese Verfügung schwarz auf weiss sehe, mag ich zu Ehren des Toten nicht daran glauben. Hast du das Testament in Händen, mein Sohn?“
Lionel sah ihn ruhig an. „Nein, Sir,“ versetzte er, „aber ich weiss, dass es vorhanden ist. Erlauben Sie mir, die Dokumente des Verstorbenen zu durchsuchen!“
Er wollte das Zimmer verlassen, aber Manfred Trevor hielt ihn auf. „Soll der junge Mensch allein gehen, Sir?“ fragte er den Friedensrichter.
„Natürlich nicht!“ klang es zurück. „Ich hoffe übrigens von ganzer Seele, dass ein Testament mit so wahnsinnigem Inhalte nimmer gefunden werden möge.“
„Welcher Notar hat es denn aufgesetzt, Bürschchen?“ fragte er, sich schwer aus dem Schaukelstuhl erhebend, „weisst du es?“
„Ja, Sir, der Advokat Mr. Mason!“
„Gilt bei der Armee als verschollen. Und die Zeugen?“
„Zwei Männer, die sich bei der Fahne befinden.“
Der Friedensrichter lächelte. „Nun,“ sagte er, „wir werden ja sehen, wie die Sache steht. Bei der Behörde ist keine letztwillige Verfügung niedergelegt.“
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