Der Kamin. Martina Schäfer

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Название Der Kamin
Автор произведения Martina Schäfer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783959593038



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      „Dein Name fiel für seinen Geschmack ein bisschen zu häufig heute aus Kerkbaums wütendem Mund! Ja – sie auch!“, wandte sie sich wieder an ihren unglücklichen Kollegen. „Und was machst du hier in meinen Räumen?“ Sie trat energisch vor und fasste nach den Fotografien, die auf den hellen Tisch gefallen waren.

      „Diese Zeitungsfraugeschichte ...“

      „Du auch?“ Sie sah Schmidtken fragend an.

      „Es ließ mir keine Ruhe! Irgendetwas stimmte nicht an diesen Bildern!“

      „An dem, was sie abbilden!“, führte ich ihn vorsichtig auf die Pfade ordentlicher Formulierungen zurück und Rosi brummte zustimmend. Er aber verdrehte schon wieder ungeduldig die Augen.

      „Ich weiß es auch nicht, was es ist, das Ganze wirkt irgendwie anders als die letzten Male!“

      Rosi beugte sich über die Fotografien und legte sie nebeneinander auf den Tisch. Man konnte heraus gerissene Schubladen erkennen, abgestürzte Zigarettenstangen, zerfledderte Zeitungen.

      „Hol` doch einmal ein paar Vergleichsfotos von den anderen Einbrüchen!“ Rosi wies auf einen der Karteischränke mit den großen Hängeschubladen und fügte hinzu: „Dritte Schublade, vierter, siebter und zehnter Hänger.“

      Schmidtken bewegte sich gehorsam in den dunklen Hintergrund hinein, ich hörte ihn Schubladen herausziehen und die Hänger klapperten wie altjüngferliche Stricknadeln. Er brachte die Fotografien an den Tisch zurück.

      Rosi ordnete die anderen Gruppen in drei parallelen Reihen darüber an und lehnte sich stirnrunzelnd über den Tisch.

      „Lasst uns das einmal nach Themen geordnet von oben nach unten aufreihen: Alle Bilder mit aufgebrochener Kasse links, dann vielleicht die Zigarettenstangen oder was von ihnen übrig ist und dann...“ Sie stockte und Schmidtkens Finger blieben in der untersten Reihe links stehen. Auch ich sah, was es gar nicht zu sehen gab: Kein Foto mit aufgebrochener Kasse, statt dessen eine kaum vorgezogene Schublade, in der wir eine wohl verschlossene Stahlkassette erkennen konnten. Rosi schaute Schmidtken fragend an und der nickte bestätigend.

      „Das Geld war unangetastet noch da. Die Tote ist ja über diese Schublade gebeugt vornüber gefallen. Anscheinend war es ihnen unheimlich, unter ihr nach der Kasse zu stöbern.“

      „Sehr seltsame Rücksichtsnahme!“ Rosi schüttelte verwundert den Kopf. „Dann haben die ja kaum etwas erbeutet?“

      Schmidtken nickte. „Die Zigarettenstangen und Zigarrenkisten waren auch alle noch da.“ Er deutete auf die Reihe mit den Zigarettenstangen aus den verschiedenen anderen Überfällen: „Kiosk Oberbergenbach: Zerfetztes Papier, fünf aufgerissene Kartons, zurück bleiben drei heraus gepurzelte Malboroughpäckchen und sieben Galloisstangen.“

      „Die raucht hier oben auch kein Schwein!“, murmelte Rosi. „Wären gar nicht rasch an den Mann zu bringen.“

      „Kiosk Familie Meier in der Weimarerstraße: Die führten gleich gar keine Gallois, aber eine Menge leichter Marken, da ist nämlich ein Gymnasium in der Nähe. Alle Stangen weg, die ausgepackten Päckchen nur teilweise aus den Regalen gerissen. Sah nach einer überstürzten Flucht aus, nicht mal richtig Zeit haben die sich gelassen, noch ein, zwei in die eigenen Hosentaschen für den Eigenverbrauch zu stopfen. Hier wurden die Ganoven übrigens das erste Mal auch beobachtet!“

      Er atmete aus und ich wagte mich einzumischen: „Meinen Sie, Gymnasiasten stecken dahinter?“

      Er zog seine Luft schnaufend wieder ein und warf mir einen Blick zu, als hätte ich ihn gefragt, ob grüngelbe Marsmännchen an den Überfällen beteiligt gewesen seien. „Gymnasiasten?“

      Undenkbar anscheinend für Schmidtkens reine Waldorfschülermentalität! Wir etwas allgemeiner beschulten Frauen aus den Niederungen staatlicher Institutionen grinsten uns über die Fotos hinweg an.

      „Die Zeitschriften!“ Rosis Finger deutete auf die dritte Vergleichsreihe und wieder neigten wir alle drei unsere Köpfe über den Tisch. Friedenspapa von Kerkbaum hätte die helle Freude an seinem „Sauerland Trio“ gehabt. Seit einer Viertelstunde wieder traut streitend vereint!

      „Wieso sind die hier überhaupt herausgerissen? Die sind doch für einen Überfall gar nichts wert?“ Ich deutete auf die durcheinander geworfenen Magazine, Tageszeitungen und Fernsehzeitschriften des Bahnhofkiosks.

      „Ist auch sonst nie der Fall. Hier, der Kiosk in der Neubausiedlung: Alle Zeitungen noch an ihrem Platz, Meiers auch, Oberbergenbach auch.“

      „Und ich erinnere mich gut“, Rosi schaute in ihre imaginäre Ferne, “dass es bei den vier anderen Fällen ebenso war.“

      „Dann hättet ihr also am Bahnhof ein ganz und gar untypisches Bild: Kein Geld geraubt, Zigaretten nur so pro forma herausgerissen, aber liegen gelassen, Zeitungen dagegen herumgefleddert?“

      „Und die tote Frau nicht zu vergessen, Frau Mertens, die Pächterin des Kiosks.“

      „Vera Mertens“, ergänzte Schmidtken und starrte nachdenklich weiter auf die Fotoreihen. „Vera Mertens, geboren am 15. Mai 1949 in Hamm.“

      „Kinder?“ Ich schaute ihn fragend an und er schüttelte den Kopf.

      “Nein, sie war ihr Leben lang ledig.“

      Ein typischer Schmidtkens-Schluss, Männerlosigkeit mit Kinderlosigkeit gleichzusetzen.

      „Das sollten wir trotzdem nachprüfen.“ Rosi schob die vier Fotografienreihen wieder zusammen. „Andere Verhältnisse?“

      „Eine alte Mutter im hiesigen Altenstift, ein verheirateter Bruder, Elektrikermeister mit halb erwachsenen Zwillingen in Bochum sowie eine verheiratete Schwester, eine Frauenskatrunde und irgendwelche weniger wichtigen, flüchtigen Kontakte. Das brachte sicherlich auch ihr Beruf so mit sich. Aber wir haben das heute noch gar nicht weiter verfolgt, Rosi, der Fall schien ja auf den ersten Blick hin ziemlich klar!“ Schmidtken stopfte seine Fäuste ein wenig trotzig in die Taschen der feinen Wildlederjacke. „Bisher!“

      „Immerhin ist dir das Gleiche aufgefallen wie mir!“ Rosi klopfte Schmidtken ermutigend auf den Rücken und grinste ihn an.

      „Na gut, wenn dieser Überfall tatsächlich nicht auf das Konto der Jugendlichen geht ...“

      Er drehte sich herum und verließ das Labor, Rosi räumte die Bilder wieder in ihre Hängevorrichtungen und schloss mit Schwung die Türen.

      „Eigentlich im Zeitalter von Digitalkamera und Computervernetzung ein ziemlich altbackenes System, das ich da führe. Aber wenn ich zwanzig Bilder nebeneinander auf dem Monitor haben will, sehe ich außer Pünktchen und Flecken nicht mehr sehr viel. Außerdem geht das Gefühl fort! Frau muss ihre Fotos anfassen und hochheben können, sie ins Licht kippen ...“

      „Daran riechen?“ Ich lächelte sie an und Rosi löschte die Lampe.

      „Irgendwie, nenne es riechen, fühlen. ... wie du willst.“

      „Wie hat man eigentlich die Frau getötet?“

      Schmidtken hatte im Flur auf uns gewartet und ging jetzt mit uns heraus. Ich trottete hinter den beiden Kripobeamten den nächtlichen Gang herunter und wunderte mich wieder einmal darüber, wie weit gefasst doch die charakterliche Spannbreite der deutschen Polizei war, verkörpert in diesen beiden Gestalten da vor mir im nächtlichen Flurlicht.

      Alle drei schlossen wir wieder zu einander auf, als es galt, die nächtens ungenutzten Büroräume der örtlichen Kripo von außen zu verschließen.

      „Ziemlich gemein und hinterlistig: Die Täter sind von vorne an den Kiosk herangetreten, haben die Frau irgendwie vorgezerrt, ihr auf den Kopf geschlagen und sie wieder zurück auf ihren Stuhl gestoßen. Danach erst sind sie durch die Seitentüre in den Kiosk eingedrungen.“

      „Also hat Vera Mertens sie gar nicht auf frischer Tat ertappt?“ Ich fragte geduldig die Rücken der beiden