Название | Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane |
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Автор произведения | Felix Dahn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027222049 |
Zu Ravenna in einem reich geschmückten Gemach standen Mutter und Tochter in ernstem, aber nicht vertraulichem Gespräch hierüber.
Mit hastigen Schritten, fremd ihrer sonstigen Ruhe, durchmaß die junonische Gestalt der Regentin den schmalen Raum, manchmal mit einem zornigen Blick das herrliche Geschöpf messend, welches ruhig und gesenkten Auges vor ihr stand, die linke Hand in die Hüfte, die Rechte auf die Platte des Marmortisches gestützt.
«Besinne dich wohl», rief Amalaswintha heftig, plötzlich stehen bleibend, «besinne dich anders. Ich gebe dir noch drei Tage Bedenkzeit.»
«Das ist umsonst: ich werde immer sprechen wie heute», sagte Mataswintha, die Augen nicht erhebend.
«So sage nur, was du an Graf Arahad auszusetzen hast.»
«Nichts, als daß ich ihn nicht liebe.»
Die Königin schien das gar nicht zu hören. «Es ist doch in diesem Fall ganz anders als damals, da du mit Cyprianus vermählt werden solltest. Er war alt und – was in deinen Augen vielleicht ein Nachteil» – fügte sie bitter hinzu – «ein Römer!»
«Und doch ward ich um meiner Weigerung willen nach Tarentum verbannt.»
«Ich hoffte, Strenge würde dich heilen. Mondelang halt’ ich dich ferne von meinem Hof, von meinem Mutterherzen» –
Mataswintha verzog die schöne Lippe zu einem herben Lächeln.
«Umsonst! Ich rufe dich zurück» –
«Du irrst. Mein Bruder Athalarich hat mich zurückgerufen.»
«Ein andrer Freier wird dir vorgeschlagen. Jung, blühend schön, ein Gote von edelstem Adel, sein Haus jetzt das zweite im Reich. Du weißt, du ahnst wenigstens, wie sehr mein rings bedrängter Thron der Stütze bedarf: er und sein kriegsgewalt’ger Bruder verheißen uns die Hilfe ihrer ganzen Macht: Graf Arahad liebt dich, und du – du schlägst ihn aus! Warum? Sage, warum?»
«Weil ich ihn nicht liebe.»
«Albernes Mädchengerede. Du bist eine Königstochter – du hast dich deinem Hause, deinem Reiche zu opfern.»
«Ich bin ein Weib», sagte Mataswintha, die blitzenden Augen aufschlagend, «und opfre mein Herz keiner Macht im Himmel und auf Erden.»
«Und so spricht meine Tochter! Sieh auf mich, törichtes Kind. Großes hab’ ich erstrebt und erreicht. Solange Menschen das Hohe bewundern, werden sie meinen Namen nennen. Ich habe alles gewonnen, was das Leben Herrlichstes bietet, und doch hab’ ich –»
«Nie geliebt. Ich weiß es», seufzte ihre Tochter.
«Du weißt es?»
«Ja, es war der Fluch meiner Kindheit. Wohl war ich noch ein Kind, als mein geliebter Vater starb: ich wußte es nicht zu sagen, aber ich konnte es empfinden, damals schon, daß seinem Herzen etwas fehlte, wenn er seufzend, mit schmerzlicher Liebe, Athalarich und mich umfing und küßte und wieder seufzte.
Und ich liebte ihn darum um so inniger, daß ich fühlte, er suchte Liebe, die ihm fehlte. Jetzt freilich weiß ich längst, was mich damals unerklärlich peinigte: du wardst unseres Vaters Weib, weil er nach Theoderich der nächste am Thron: aus Herrschsucht, nicht aus Liebe, wardst du sein, und nur kalten Stolz hattest du für sein warmes Herz.»
Überrascht blieb Amalaswintha stehen: «Du bist sehr kühn.»
«Ich bin deine Tochter.»
«Du redest von der Liebe so vertraut – du kennst sie besser, scheint’s, mit zwanzig als ich mit vierzig Jahren – du liebst!» rief sie schnell, «und daher dieser Starrsinn.»
Mataswintha errötete und schwieg.
«Rede», rief die erzürnte Mutter, «gesteh’ es oder leugne!»
Mataswintha senkte die Augen und schwieg: nie war sie so schön gewesen.
«Willst du die Wahrheit verleugnen? Bist du feige, Amelungentochter?»
Stolz schlug das Mädchen die Augen auf:
«Ich bin nicht feige, und ich verleugne die Wahrheit nicht. Ja, ich liebe.»
«Und wen, Unselige?»
«Das wird mir kein Gott entreißen.»
Und so entschieden sah sie dabei aus, daß Amalaswintha keinen Versuch machte, es zu erfahren.
«Wohlan», sagte sie, «meine Tochter ist kein gewöhnlich Wesen. So fordere ich das Ungewöhnliche von dir: Dein Alles dem Höchsten zu opfern.»
«Ja, Mutter, ich trage im Herzen einen hohen Traum. Er ist mein Höchstes. Ihm will ich alles opfern.»
«Mataswintha», sprach die Regentin, «wie unköniglich! Sieh, dich hat Gott vor Tausenden gesegnet an Herrlichkeit des Leibes und der Seele: du bist zur Königin geboren.»
«Eine Königin der Liebe will ich werden. Sie preisen mich alle um meine Weibesschönheit: wohlan, ich hab’ mir’s vorgesteckt, liebend und geliebt, beglückend und beglückt, ein Weib zu sein.»
«Ein Weib! Ist das dein ganzer Ehrgeiz?»
«Mein ganzer. O wär’ es auch der deine gewesen!»
«Und der Enkelin Theoderichs gilt das Reich und die Krone nichts? Und nichts dein Volk, die Goten?»
«Nein, Mutter», sagte Mataswintha ernst: «es schmerzt mich beinahe, es beschämt mich, aber ich kann mich nicht zwingen zu dem, was ich nicht fühle: ich empfinde nichts bei dem Worte, ‹Goten›. Vielleicht ist es nicht meine Schuld: du hast von jeher die Goten verachtet, diese Barbaren gering geschätzt: das waren die ersten Eindrücke: sie sind geblieben. Und ich hasse diese Krone, dieses Gotenreich: es hat in deiner Brust dem Vater, dem Bruder, mir den Platz fortgenommen. Diese Gotenkrone, nichts ist sie mir von je gewesen und geblieben als eine verhaßte, feindliche Macht.»
«O mein Kind, weh mir, wenn ich das verschuldet hätte! Und tust du’s nicht um des Reiches, o tu’s um meinetwillen. Ich bin so gut wie verloren ohne die Wölsungen. Tu’s um meiner Liebe willen.»
Und sie faßte ihre Hand.
Mataswintha entzog sie mit bittrem Lächeln: «Mutter, entweihe den höchsten Namen nicht. Deine Liebe! Du hast mich nie geliebt. Nicht mich, nicht den Bruder, nicht den Vater.»
«Mein Kind! Was hätt’ ich geliebt, wenn nicht euch!»
«Die Krone, Mutter, und diese verhaßte Herrschaft. Wie oft hast du mich von dir gestoßen vor Athalarichs Geburt, weil ich ein Mädchen war und du einen Thronerben wolltest. Denke an meines Vaters Grab und an –»
«Laß ab», winkte Amalaswintha.
«Und Athalarich? Hast du ihn geliebt, oder vielmehr sein Recht auf den Thron? O wie oft haben wir armen Kinder geweint, wenn wir die Mutter suchten und die Königin fanden.»
«Du hast mir nie geklagt. Erst jetzt, da du mir Opfer bringen sollst.»
«Mutter, es gilt ja auch jetzt nicht dir, nur deiner Krone, deiner Herrschaft. Leg’ diese Krone ab, und du bist aller Sorgen frei. Die Krone hat dir und uns allen kein Glück, nur Schmerzen gebracht. Nicht du bist bedroht: dir wollt’ ich alles opfern – nur dein Thron, nur der goldne Reif des Gotenreichs, der Götze deines Herzens, der Fluch meines Lebens: nie werd’ ich dieser Krone meine Liebe opfern, nie, nie, nie!»
Und sie kreuzte die weißen Arme über ihrer Brust, als wollte sie die Liebe darin beschirmen.
«Ah», sagte die Königin zürnend, «selbstisches, herzloses Kind! Du gestehst, daß du kein Herz hast für dein Volk, für die Krone deiner großen Ahnen – du gehorchst nicht freiwillig