Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane. Felix Dahn

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Название Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane
Автор произведения Felix Dahn
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027222049



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und lieber zermalmt, als das Gemeine, wer erkannt hat, daß eine dumpfe Notwendigkeit, welche Toren die weise Vorsehung Gottes nennen, die Welt und das Leben der Menschen beherrscht, der ist hinaus über Hilfe und Trost: er hört ewig, wenn er es einmal erlauscht, mit dem leisen Gehör der Verzweiflung den immer gleichen Taktschlag des fühllosen Rades im Mittelpunkt der Welt, das gleichgültig mit jeder Bewegung Leben zeugt und Leben tötet. Wer das einmal empfunden und erlebt, der entsagt einmal und für immer und allem: nichts wird ihn mehr erschrecken. Aber freilich – die Kunst des Lächelns hat er auch vergessen auf immerdar.»

      «Mir schaudert. Gott bewahre mich vor solchem Wahn! Wie kamst du so jung zu so fürchterlicher Weisheit?»

      «Freund, mit deinen Gedanken allein ergrübelst du die Wahrheit nicht, erleben mußt du sie. Und nur, wenn du des Mannes Leben kennst, begreifst du, was er denkt und wie er denkt. Und auf daß ich dir nicht länger erscheine wie ein irrer Träumer, wie ein Weichling, der sich gern in seinen Schmerzen wiegt – und damit ich dein Vertrauen und deine schöne Freundschaft ehre, vernimm –, höre ein kleines Stück meines Grams. Das größere, das unendlich größere behalt’ ich noch für mich», sagte er schmerzlich, die Hand auf die Brust drückend – «es kommt wohl noch die Stunde auch für dies. Vernimm heute nur, wie über meinem Haupte der Stern des Unheils schon leuchtete, da ich gezeugt ward. – Und von all den tausend Sternen da oben bleibt nur dieser Stern getreu. Du warst dabei – du erinnerst dich – wie der falsche Präfekt mich laut vor allen einen Bastard schalt und mir den Zweikampf weigerte: – ich mußte es dulden, ich bin noch Schlimmeres als ein Bastard. – –

      Mein Vater, Tagila, war ein tüchtiger Kriegsheld, aber kein Adaling, gemeinfrei und arm. Er liebte, schon seit der Bart ihm sproßte, Gisa seines Vaterbruders Tochter. Sie lebten draußen, weit an der äußersten Ostgrenze des Reichs, an dem kalten Ister, wo man stets im Kampfe liegt mit den Gepiden und den wilden, räuberischen Sarmaten und wenig Zeit hat, an die Kirche zu denken und die wechselnden Gebote, die ihre Konzilien erlassen. Lange konnte mein Vater seine Gisa nicht heimführen: er hatte nichts als Helm und Speer und konnte ihrem Mundwalt den Malschatz nicht zahlen und einem Weibe keinen Herd bereiten.

      Endlich lachte ihm das Glück. Im Krieg gegen einen Sarmatenkönig eroberte er dessen festen Schatzturm an der Alutha: und die reichen Schätze, welche die Sarmaten seit Jahrhunderten zusammengeplündert und hier aufgehäuft, wurden seine Beute. Zum Lohn seiner Tat ernannte ihn Theoderich zum Grafen und rief ihn nach Italien. Mein Vater nahm seine Schätze und Gisa, jetzt sein Weib, mit sich über die Alpen und kaufte sich weite schöne Güter in Tuscien zwischen Florentia und Luca. Aber nicht lange währte sein Glück.

      Kaum war ich geboren, da verklagte ein Elender, ein feiger Schurke, meine Eltern wegen Blutschande beim Bischof von Florentia. Sie waren katholisch – nicht Arianer – und Geschwisterkinder: ihre Ehe war nichtig nach dem Recht der Kirche und die Kirche gebot ihnen, sich zu trennen.

      Mein Vater drückte sein Weib an die Brust und lachte des Gebots. Aber der geheime Ankläger ruhte nicht –»

      – «Wer war der Neiding?»

      «Oh, wenn ich es wüßte, ich wollte ihn erreichen, und thront er in allen Schrecken des Vesuvius! Er ruhte nicht. Unablässig bedrängten die Priester meine arme Mutter und wollten ihre Seele mit Gewissensbissen schrecken.

      Umsonst: sie hielt sich an ihren Gott und ihren Gatten und trotzte dem Bischof und seinen Sendboten. Und mein Vater, wenn er einen der Pfaffen in seinem Gehöfte traf, begrüßte ihn, daß er nicht wiederkam.

      Aber wer kann mit denen kämpfen, die im Namen Gottes sprechen! Eine letzte Frist ward den Ungehorsamen gesteckt, hätten sie sich bis dahin nicht getrennt, so sollten sie dem Bann verfallen und ihr Hab und Gut der Kirche.

      Entsetzt eilte jetzt mein Vater an den Hof des Königs, Aufhebung des grausamen Spruches zu erflehen. Aber die Satzung des Konzils sprach zu klar, und Theoderich konnte es nicht wagen, das Recht der katholischen Kirche zu kränken. Als mein Vater zurückkehrte von Ravenna, mit Gisa zu flüchten, starrte er entsetzt auf die Stätte, wo sein Haus gestanden: der Termin war abgelaufen, und die Drohung erfüllt: sein Haus zerstört, sein Weib, sein Kind verschwunden.

      Rasend stürmte er durch ganz Italien, uns zu suchen. Endlich entdeckte er, als Priester verkleidet, seine Gisa in einem Kloster zu Ticinum: ihren Knaben hatte man ihr entrissen und nach Rom geschleppt. Mein Vater bereitet mit ihr alles zur Flucht: sie entkommen um Mitternacht über die Mauern des Klostergartens. Aber am Morgen fehlt die Büßerin bei der Hora: man vermißt sie, ihre Zelle ist leer. Die Klosterknechte folgen den Spuren des Rosses – sie werden eingeholt: grimmig fechtend fällt mein Vater: meine Mutter wird in ihre Zelle zurückgebracht. Und so furchtbar drücken die Macht des Schmerzes und die Zucht des Klosters auf die zermürbte Seele, daß sie in Wahnsinn fällt und stirbt. Das sind meine Eltern!»

      «Und du?»

      «Mich entdeckte in Rom der alte Hildebrand, ein Waffenfreund meines Großvaters und Vaters: – er entriß mich, mit des Königs Beistand, den Priestern und ließ mich mit seinen eigenen Enkeln in Regium erziehen.»

      «Und dein Gut, dein Erbe?»

      «Verfiel der Kirche, die es, halb geschenkt, an Theodahad überließ: er war meines Vaters Nachbar, er ist jetzt mein König!»

      «Mein armer Freund! Aber wie erging es dir später? Man weiß nur dunkles Gerede – du warst einmal in Griechenland gefangen… –»

      Teja stand auf. «Davon laß mich schweigen; vielleicht ein andermal. Ich war Tor genug, auch einmal an Glück zu glauben und an eines liebenden Gottes Güte. Ich hab’ es schwer gebüßt. Ich will’s nie wieder tun. Leb’ wohl, Witichis, und schilt nicht auf Teja, wenn er nicht ist wie andre.»

      Er drückte ihm die Hand und war rasch im dunklen Laubgang verschwunden.

      Witichis sah lange schweigend vor sich hin. Dann blickte er gen Himmel, in den hellen Sternen eine Widerlegung der finstern Gedanken zu finden, die des Freundes Worte in ihm geweckt. Er sehnte sich nach ihrem Licht voll Frieden und Klarheit. Aber während des Gesprächs war Nebelgewölk rasch aus den Lagunen aufgestiegen und hatte den Himmel überzogen: es war finster ringsum.

      Mit einem Seufzer stand Witichis auf und suchte in ernstem Sinnen sein einsames Lager.

      Drittes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Während unten in den Hallen des Palatiums Italier und Goten tafelten und zechten, ahnten sie nicht, daß über ihren Häuptern in dem Gemach des Königs eine Verhandlung gepflogen ward, die über ihr und ihres Reiches Schicksale entscheiden sollte.

      Unbeobachtet war dem König alsbald der Gesandte von Byzanz nachgefolgt, und lange und geheim sprachen und schrieben die beiden miteinander. Endlich schienen sie handelseinig geworden, und Petros wollte anheben, nochmal vorzulegen, was sie gemeinsam beschlossen und aufgezeichnet. Aber der König unterbrach ihn. «Halt!», flüsterte der kleine Mann, der in seinem weiten Purpurmantel verlorenzugehen drohte, «halt – noch eins!»

      Und er hob sich aus dem schön geschweiften Sitz, schlich durch das Gemach und hob den Vorhang, ob niemand lausche.

      Dann kehrte er beruhigt zurück und faßte den Byzantiner leise am Gewand.

      Das Licht der Bronzeampel spielte im Winde flackernd auf den gelben, vertrockneten Wangen des häßlichen Mannes, der die kleinen Augen zusammenkniff: «Noch dies. Wenn jene heilsamen Veränderungen eintreten sollen – auf daß sie eintreten können, wird es gut sein, ja notwendig, einige der trotzigsten meiner Barbaren unschädlich zu machen.» – «Daran hab’ ich bereits gedacht», nickte Petros. «Da ist der alte halbheidnische Waffenmeister, der grobe Hildebad, der nüchterne Witichis.» –

      «Du kennst deine Leute gut», grinste Theodahad, «du hast dich tüchtig umgesehen. Aber», raunte er ihm ins Ohr, «einer, den du nicht genannt hast, einer vor allen muß fort.»

      «Der ist?»

      «Graf