Название | Das Anthropozän lernen und lehren |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Pädagogik für Niederösterreich |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783706560832 |
Argumente gegen diese „nur 2 %“-Ausrede gibt es viele12, darunter:
• Deutschland hat nur 1,1 % der Weltbevölkerung, aber 2,23 % des anthropozänen CO2-Ausstoßes, also mehr als das Doppelte. (Entsprechend hat Österreich nur 0,1 % der Weltbevölkerung, aber 0,24 % des globalen Ausstoßes, ebenfalls mehr als das Doppelte.)
• Der jährliche CO2-eq-Fußabdruck in Deutschland beträgt 9,15t/Kopf, in Österreich 8,16t/Kopf, in Indien 1,94t/Kopf, im Kongo 0,3t/Kopf.
• Deutschland steht auf Platz 6 der Länder mit dem höchsten aktuellen CO2-Ausstoß. Unter Berücksichtigung der historischen Verantwortung seit 1750 steht Deutschland sogar auf Platz 4 aller Länder bei CO2-Ausstoß.
• Alle Länder, die gleich viel oder weniger als Deutschland ausstoßen – also auch Österreich –, verursachen zusammen 36 % aller Treibhausgase.
• Im Schnitt stößt jedes der etwa 200 UN-Länder 0,5 % aller Treibhausgase aus, damit läge Deutschland schon ein Vierfaches über diesem Durchschnitt.
Nach diesem Muster kann so ziemlich alles „zerteilt“ werden, etwa der Treibhausgasausstoß im Flugverkehr, beim Autoverkehr, für die Internetnutzung und alle weiteren THG-relevanten Sektoren. Heruntergebrochen werden kann noch viel tiefer, etwa auf Bundesland, einen Landkreis, eine einzelne Stadt, bis hinunter zum einzelnen, so dass nach dieser Taktik letztendlich niemand verantwortlich ist.
Noch einfacher ist es natürlich, die Wissenschaften insgesamt zu diskreditieren und ihnen unlautere Absichten zu unterstellen. In einer weit verbreiteten Variante ist dies die Strohpuppenargumentation, also das Aufstellen von Behauptungen, die zwar für viele plausibel klingen mögen, aber keiner Überprüfung standhalten. Publikumswirksam lässt sich aber dann entlang dieser „Strohpuppe“ argumentieren. In einer Linie dazu, allerdings in einer extremeren Spielart, stehen die Verschwörungstheorien, bei denen ein ganzes Netz von in den Raum gestellten Behauptungen flankiert wird durch eine übergeordnete falsche Erzählung, dass das Establishment, bestimmte Wirtschaftszweige, die Medien, der ganze Staat oder gar alle Geheimdienste und Regierungen dieser Welt sich dazu verabredet hätten, dies alles geheim zu halten.
Im vorliegenden Beitrag kann nicht in der notwendigen Tiefe auf die Thematik eingegangen werden; es sei aber darauf verwiesen, dass gerade für das Thema des anthropogenen Klimawandels hervorragende Anleitungen zur Verfügung stehen, um Falschbehauptungen zu erkennen. Exemplarisch genannt seien etwa die „Klimalounge“ des Klimawissenschaftlers Stefan Rahmstorf, das Klimafakten-Portal, das SkepticalScience-Portal (auch mit vielen ins Deutsche übersetzten Artikeln), das Debunking Handbook und der Wissenschaftliche Leitfaden zur Klimaskepsis13. Obwohl speziell ans Klimathema angepasst, lassen sich die dort aufgezeigten Täuschungsmuster auch auf viele andere Bereiche der Wissenschaftsfeindlichkeit übertragen. Dies gilt insbesondere auch für das neue Poster „PLURV – Grundkurs Desinformation“ (wobei PLURV steht für: Pseudoexperten, Logik-Fehler, Unerfüllbare Erwartungen, Rosinenpickerei, Verschwörungsmythen)14.
Möglichkeiten für den Einbau dieses insbesondere auch Medienkompetenz fördernden Themas in den Unterricht gibt es viele:
• Vorstellbar wären etwa ein spielerisches „Sich selbst den Spiegel-Vorhalten“ (vgl. Abb. 5), etwa mit folgenden Fragen: Welche Ausreden lasse ich mir immer so einfallen? Welche glaube ich auch selbst, warum eigentlich? Warum gefällt mir dies oder jenes, habe ich das selbst entschieden? Habe ich für dies alles eigene Beispiele auch aus dem Umweltbereich?
• Auch können „Richtig-Falsch“-Lösungen kritisch hinterfragt werden, denn häufig dienen sie der populistischen Zuspitzung und lassen andere Lösungsmöglichkeiten oder Lösungsportfolios im Sinne von Mischungen nicht zu.
• Besonders gut können obige Aspekte auch in visuelles Arbeiten (z.B. via Cartoons und Comics, s.u.), künstlerisches Arbeiten (etwa Theaterspiel) und insbesondere Design-Thinking-basierte Projekte eingebracht werden (siehe Abschnitte 3.2 und 3.3).
3.1.2 Analyse und Diskussion des Präventions- bzw. Zukunftskrisen-Paradox
Wie schon im Einleitungskapitel angeführt, wird das Präventionsparadox15 in der SARSCoV-2-Krise wieder besonders virulent und zeigt auf, dass es auch in umgekehrter Weise, also als „Unsichtbare-Krisen-Paradox“ bzw. „Zukunftskrisen-Paradox“ gerade für Umweltkrisen eine spezielle Form von kognitiver Dissonanz darstellt. Vergleichbar zwischen beiden Spielarten, also Vorsorge- und Zukunftskrisen-Paradox, ist allerdings, dass sich die Aufmerksamkeit abwendet, je länger die vorhergesagte Krise nicht kommt bzw. nicht sichtbar oder anderweitig bemerkbar ist (siehe hierzu Hamann et al. 202016).
Mögliche Schulaktivitäten zum Zukunftskrisen-Paradox könnten umfassen:
• Erarbeitung einfacher augenfälliger Vergleiche zur Erklärung des Paradox (vgl. dazu Abschnitt 3.2.1). Als Anregung zwei Beispiele im Kontext der Corona-Krise: Bernhard Ulrich, Journalist bei DIE ZEIT; auf Twitter vom 7.5.2020: „Also jetzt mal ohne jede Polemik: wenn eine Therapie zum Erfolg geführt hat, zu behaupten, der Erfolg beweise, dass die Therapie überflüssig war, ist doch ein bisschen grenzdebil, oder?“
Werner Bartens, Gesundheitsjournalist, bei der TalkShow „Maischberger“ vom 20.5.2020 (leicht verkürzt von R. Leinfelder für Twitter, 21.5.2020):
„Es regnet stark – ich muss trotzdem raus.
• Im schulischen Kontext können weitere Metaphern und Geschichten zum Vorsorge- und Zukunftskrisen-Paradox für diverse Anthropozänthemen kreativ erarbeitet werden, dazu sollten auch die Fakten zur dargestellten Situation recherchiert werden: Eine mögliche Vorlage auch mit Bezug zu Verschwörungsaspekten (3.1.1) könnte beispielsweise folgende Meldung sein:
Aus handelsblatt.com vom 17.3.2015: „Es sei ‚ungewöhnlich kalt da draußen‘, erklärte der Senator [Jim Inhofe]) Anfang März triumphierend während einer Senatssitzung in Washington, den vermeintlichen, eisigen Beweis [mitgebrachten Schneeball] in die Höhe haltend. Und wer mehr wissen will, der kann in seinem Buch nachlesen. Es heißt: Der größte Betrug: Wie die Global-Warming-Verschwörung deine Zukunft gefährdet“17.
• Nach einem erarbeiteten Verständnis zum Zukunftskrisen-Paradox könnten Konzepte erstellt werden, wie weitgehend unsichtbare Zukunftskrisen, wie etwa die Klimakrise, auch über andere sichtbare Umweltaspekte beleuchtet werden kann, etwa durch das Thema Plastik