Название | Das Anthropozän lernen und lehren |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Pädagogik für Niederösterreich |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783706560832 |
Beispiel 4: Stoffgeschichten als Comic. Kurz erwähnt sei das bemerkenswerte Comic-Projekt der Universität Augsburg Stoffgeschichten – Flatscreen & Co. mit dem innovativen Webcomic High Five (Anderle et al. 2019)31. Der von Martyna Zalalyte illustrierte Comic erzählt die Geschichte der 13-jährigen Toni, deren Smartphone auf den Boden fällt und zerbricht. Beim Versuch es aufzuheben, schrumpft sie plötzlich und wird ins Innere des Smartphones gesogen. Auf ihrer Suche nach einem Ausgang trifft sie auf fünf chemische Elemente: Gold, Palladium, Indium, Europium und Neodym. Sie geben Toni einen spannenden Einblick in ihre eigene Geschichte. Gleichzeitig erhält sie umfangreiche Einblicke in die Stoffkreisläufe der Elemente, ein wesentliches Thema im Anthropozän (op cit.). Dieser Sachcomic, der stark auf fiktive Elemente setzt, verwendet ein neues Format, das des Webcomics, der kontinuierlich scrollbar ist, dabei teils linear, teils vertikal, so dass nun Erzählstränge betont sind und Spannung gut aufgebaut werden kann. Der lange Erzählstrang ist aber auch in Einzelcomics zerlegbar, die dann als pdf verfügbar sind. Der Webcomic erlaubt damit sowohl einen guten Einstieg in weiteren Unterricht rund um das Thema nicht nachwachsende Ressourcen, kann aber auch direkt zentral im Unterricht, etwa als Recherchegrundlage, verwendet werden. Alternativ könnten ähnliche Projekte auch selbst analog generiert werden, etwa auf langen Papierrollen, welche horizontal und/oder an einer Wand befestigt werden.
Beispiel 5: Scribble-Comics als Imaginationsauslöser: Ein häufiger Einwand gegen Verwendung graphischer Formate, gar Cartoons oder Comics lautet „Ich kann nicht so gut zeichnen“. Die eigene Erfahrung mit Seminaren in der Hochschullehre und in Schulprojekten ist, dass viel zeichnerisches Potenzial vorhanden ist. Aber auch mit einfachsten Strichfiguren und Scribbles ist sehr vieles machbar. Eine Websuchabfrage nach „Strichmännchen“, „Strichmännchen-Comics“, „Sketchnotes“ oder „Comics zeichnen“ ergibt eine Fülle von Beispielen und jede Menge Anleitungen. Der Verfasser dieses Artikels erstellte gemeinsam mit einer Graphic-Recorderin und graphischen Moderationsspezialistin die Visualisierung eines Konzeptes für das Futurium (vormals Haus der Zukunft) in Berlin für die Öffentlichkeit (Leinfelder & Föhr 2015). Einige Beispiele sind auch in den vorliegenden Beitrag eingestreut (siehe Abb. 13, 14). Auch der Verfasser selbst scribbelt Abbildungen für Vorträge oder Vorlesungen und zwischenzeitlich sogar für Publikationen (etwa Abb. 2, 8, 9 in diesem Beitrag). Zuerst aus Zeitnot geboren, wurde durch Publikumsreaktionen schnell klar, dass diese Form der Darstellung Vorteile gerade auch bei Zukunftsfragen hat. Die Visualisierung möglicher „Zukünfte“ in Form einfacher Strich- oder Aquarellgraphiken erscheint nicht mehr so autoritativ abgeschlossen, sondern viel offener und dadurch auch weniger fremd. Solch einfache Graphiken visualisieren weniger, sondern dienen eher als Anregung für eigene, aktive und kreative Imagination.
Abbildung 11: Comic-Darstellung von Phosphatabbau und Transport zur Küste in Marokko, Westsahara. (Grafik Zineb Benjelloun, Aus Die Anthropozän-Küche [Marokko-Kapitel], Leinfelder et al. 2016, S. 48)
Als Anregung für den möglichen Einsatz von Comics für Anthropozän-relevante Themen im Schulunterricht böten sich damit etwa folgende Formate an:
• Komplexe Anthropozän-Themen anhand vorhandener Sachcomics erarbeiten (siehe dazu auch Abschnitt 3.3);
• Sachcomics zum Anthropozän analysieren, Faktencheck durchführen, Evaluation, evtl. in Form von Umfragen zur Verständlichkeit, zum Erhalt der Komplexität, zur Motivation des Arbeitens damit erstellen;
• aus erlerntem oder selbst recherchiertem Stoff oder auch aus eigenen Beobachtungen zu Anthropozän-Themen selbst Comics erstellen, ggf. auch in Kooperation verschiedener Fächer mit dem Kunstunterricht;
• Graphic Recordings zu einzelnen Schulstunden erstellen (alternativer „Mitschrieb“).32
Eigene Ausstellungen zum Anthropozän lassen sich im Unterricht konzipieren und ggf. dort oder auch andernorts umsetzen. Die Themen sollten zuvor im Unterricht behandelt worden sein. Mögliche Formate und Themen könnten Folgendes beinhalten:
• Kunstprojekte: Ausstellungen aus selbstgesammeltem Plastikmüll33, aus selbsterstellten Upcycling-Produkten34, zu Slow Fashion35, aus selbstgehäkelten36 oder selbstgebastelten Objekten, aus selbst erstellten Sachcomics u.v.m.
• Fotoausstellungen zum Anthropozän mit selbst erstellten Fotos37;
• komplette Erstellung eigener wissenschaftlicher Ausstellungen (am besten in Kooperation mit den Wissenschaften)38.
Selbstverständlich sind auch weitere Formate geeignet, um Anthropozän-Themen adäquat zu viualisieren, dies könnte das Planen, ggf. auch Anlegen von Wanderwegen mit Anthropozän-Objekten und graphischen Tafeln umfassen, aber auch Videoprojekte39 oder Video-podcasts40.
3.3 Partizipation und Design Thinking im Anthropozän
Partizipationsprojekte, insbesondere in der Form von Citizen Science, sind heute gut etabliert und umfassen eine enorme Bandbreite von Inhalten und Formaten (Finke 2014). Ursprünglich als Unterstützung von Wissenschaften in der Datengewinnung gedacht, finden sich partizipative Tätigkeiten überwiegend, aber nicht ausschließlich in naturwissenschaftlich-technischen Bereichen (ehrenamtliches Museumspersonal, Vogel- und Schmetterlingsmonitoring durch Privatpersonen und vieles mehr). Moderne Citizen Science-Projekte haben teilweise erheblichen Umfang und technische Unterstützung durch Smartphone-Apps. Ohne ehrenamtliche Unterstützung wären viele wissenschaftliche Projekte gar nicht leistbar, exemplarisch genannte seien das Mückenatlas-Projekt41 oder das seit 1996 laufende weltweite Reefcheck-Projekt42, ohne welches die Riffwissenschaften nicht über die starke globale Gefährdung der Korallenriffe erfahren hätten und bis heute nicht