Название | Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie |
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Автор произведения | Georg Ebers |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075836854 |
Dem klugen Rameri war dieses Augenspiel der Freundinnen nicht entgangen und lebhaft rief er; »Ihr kommt mit mir; ich seh' es euch an! Jeder Bettelbub wirft heute seine Blume in das Sammelgrab, welches die schwarze Mumie seines Vaters birgt, und des Ramses Kinder und seines Rosselenkers Weib sollten ausgeschlossen sein und ihren Verstorbenen keinen Kranz bringen dürfen?«
»Ich würde die Gruft durch meine Gegenwart beflecken,« sagte Bent-Anat erröthend.
»Du, Du!« rief der Prinz, umhalste seine Schwester und küßte sie. »Du liebes, großmüthiges Geschöpf, das nur lebt, um Schmerzen zu lindern und Thränen zu trocknen, Du schönes Ebenbild unseres Vaters, unrein! Eher glaub' ich, daß die Schwäne da unten schwarz sind wie die Krähen, und die Rosenranken hier am Altan lauter Schierlingsstauden. Bek en Chunsu hat Dir die Reinheit zurückgegeben, und wenn Ameni . . .«
»Ameni ist doch wohl in seinem Rechte,« sagte Bent-Anat freundlich, »und Du weißt, was wir uns gelobt haben. Ich will heute kein böses Wort über ihn hören.«
»Gut denn! Er hat sich gütig und gnädig gegen uns erwiesen,« spottete Rameri, indem er sich nach der Nekropole hin tief verneigte, »und Du bist unrein. So tritt meinetwegen nicht in die Gruft und den Tempel, sondern bleibe mit uns unter dem Volke. Die Wege da drüben sind nicht sehr empfindlich; ziehen doch täglich viel unreine Paraschiten und ihresgleichen auf ihnen hin und her. Sei verständig, Bent-Anat, und komme mit! Wir verkleiden uns, ich führe euch, ich lege die Kränze an ihren Platz, wir beten zusammen vor der Gruft, wir sehen den heiligen Auszug und die Werke der Wunderthäter und hören die Festrede. Denke nur, daß Pentaur, trotz Allem, was sie gegen ihn haben, sie halten darf. Das Setihaus will heute glänzen und Ameni weiß recht gut, daß Pentaur, wenn er den Mund aufthut, tiefer wirkt, als all' die weisen Herren, wenn sie zusammen im heiligen Chore singen! Komm' mit mir, Schwester!«
»Es sei denn!« sagte Bent-Anat schnell entschlossen.
Rameri erschrak über dieses rasche Wort, das ihn doch erfreute; Nefert aber schaute sie fragend an, um ihre großen Augen bald wieder niederzuschlagen. Sie wußte nun, wer ihrer Freundin Erwählter sei, und die bange Frage: Wie soll das enden? zog durch ihre Brust.
Dreizehntes Kapitel
Eine Stunde später fuhr eine schlanke, einfach gekleidete Bürgersfrau, zu deren jugendlichem Gesichte einige dunkle Falten auf ihrer Stirn und Wange wenig passen wollten, mit einem dunkel gefärbten Burschen und einem zarten Knaben über den Nil.
Es war schwer, in ihnen die stolze Bent-Anat, den hellfarbigen Rameri und die schöne Nefert, welche auch in dem langen weißen Gewande der Zöglinge einer Priesterschule reizend genug aussah, wieder zu erkennen.
Als sie das Land betreten hatten, folgten ihnen die beiden starken und treuen Vorsteher der Sänftenträger der Prinzessin, denen der Befehl ertheilt worden war, sich den Anschein zu geben, als stünden sie in keinem Zusammenhang mit ihrer Gebieterin und deren Begleitern.
Die Fahrt über den Nil hatte lange gedauert und das königliche Geschwisterpaar dabei zum ersten Mal erfahren, mit wie vielen Hindernissen gewöhnliche Sterbliche zu kämpfen haben, um zu einem Ziele zu gelangen, das den Kronenträgern gleichsam entgegenkommt.
Niemand bahnte ihnen den Weg, keine Barke wich der ihren aus, jeder war bestrebt, ihnen den Rang abzulaufen und vor ihnen am jenseitigen Ufer anzulangen.
Als sie endlich an der Landungstreppe ausstiegen, war die Prozession bereits bis zum Setihause vorgedrungen. Ameni war ihr mit seinen singenden Chören entgegengezogen und hatte am Ufer des Nil den Gott in Empfang genommen. Die Propheten der Nekropole stellten ihn mit eigenen Händen in die heilige, von Cedernholz und Silbergold kunstreich gearbeitete und mit Edelsteinen besetzte Sambarke 192 des Setihauses, dreißig Pastophoren nahmen das köstliche Fahrzeug auf ihre Schultern und trugen es durch die Sphinxallee, welche den Hafen mit dem Tempel verband, in das Sanktuarium des Setihauses, woselbst Amon verweilte, während die Festgesandten aus allen Gauen des Landes ihre Opfergaben in der Vorhalle des Heiligthums niederlegten. Auf dem Wege zu dem letzteren waren Kolchyten 193 dem Gotte vorausgeeilt und hatten nach alter Sitte Sand vor ihm hergestreut.
Nach einer Stunde trat die Prozession wiederum in's Freie, zog zunächst gen Süden, rastete zuerst im Riesentempel Amenophis III., vor welchem als Wächter die beiden höchsten Kolosse des Nilthales standen, sodann im Tempel des großen Thutmes noch weiter gen Mittag, kehrte dort um, hielt sich hart an dem gräberreichen Ostabhange des libyschen Gebirges, bestieg die Terrassen des Tempels der Hatasu, welchen wir kennen, hielt sich bei den Grüften der älteren Könige in seiner Nähe auf und gelangte, als die Sonne unterging, zu dem eigentlichen Festplatze, am Eingange des Thales, in welchem das Grab des Seti angelegt worden war und in dessen westlichem Ausläufer sich einige Grüfte der Pharaonen des entthronten Königshauses befanden.
Dieser Theil der Nekropole pflegte bei Lampenlicht und Fackelschein vor der Heimkehr des Gottes und vor den um Mitternacht beginnenden Festspielen auf dem heiligen See im äußersten Süden der Todtenstadt besucht zu werden.
Hinter dem Gotte wurde in einer Vase von durchsichtigen. Krystall, welche auf einer hohen Stange, allem Volk sichtbar, getragen ward, das heilige Widderherz einhergeführt.
Die Königskinder und Nefert schlossen sich, nachdem sie unerkannt ihren Kranz auf den reichen Opferaltar ihrer Ahnen niedergelegt hatten, in später Nachmittagsstunde dem der Prozession folgenden Volke an. Bei der Gruft der Vorfahren des Mena stiegen sie den östlichen Abhang des libyschen Gebirges hinan. Ein Prophet des Amon, Namens Neferhotep, der Urgroßvater des Mena, hatte sie anlegen lassen und ihre enge Pforte war von einer großen Volksmenge belagert, denn in der ersten der Felsenkammern, aus denen sie bestand, sang bei jedem Feste ein Harfner das Sterbelied des längst dahingegangenen Propheten und seiner Gattin und Schwester. Sein Haussänger hatte es erdacht, es war in den Stein des zweiten Gruftzimmers gemeißelt worden und Neferhotep hatte der Verwaltung der Todtenstadt ein Grundstück vermacht mit der Verpflichtung, seine Einkünfte zur Besoldung eines Harfners zu verwenden, welcher bei jedem Todtenfeste zum Saitenspiel zu singen verpflichtet war.
Der Rosselenker Mena kannte dieß Sterbelied seines Großvaters gar wohl und hatte es Nefert, die ihn mit der Laute begleiten konnte, oftmals vorgesungen, denn auch in den Stunden der Freude, und gerade in diesen, gedachten die Aegypter ihrer Todten.
Jetzt lauschte sie mit ihren Begleitern dem Harfner, welcher sang: 194
»Recht in Ruh' ist dieser Große;
Auf zur Uebung schöner Pflichten!
Dem Vergehen sind erlesen
Seit der Götterzeit die Menschen.
Alte weichen jungem Nachwuchs.
Eine neue Sonne zeigt sich
Jeden Morgen, wenn die alte
Ruhe fand im Schooß des Westens. 195 . . . . . . . . . . . . . . Feiere, mein Prophet, den Festtag; Duft'ges Salböl, Balsamharze Bieten wir, und Blumenkränze. Schlingen wir um Brust und Arme Deiner vielgeliebten Schwester, Wenn sie Dir zur Seite ruht. Lieder singen, Harfe schlagen Wollen wir vor Deinem Antlitz: Laß dahinten alle Sorgen Und sei eingedenk der Freuden, Bis uns naht der Tag der Reise, Da man landend Ruhe findet In dem Reich, das hold dem Schweigen.«
Als der Gesang verstummte, drängten sich mehrere Leute in die niedrige Grabkapelle, um ihrem Danke für das Lied durch eine auf dem Opferaltar des Propheten niedergelegte Blume Ausdruck zu geben. Auch Nefert und Rameri traten in das Grab und die Erstere legte, nachdem sie in einem langen stillen Gebete den verklärten Geist der Verstorbenen angefleht hatte, Mena zu schützen, ihren Kranz neben den Mumienschacht, in dem die Mutter ihres Gatten ruhte.
Manches Mitglied des Hofstaats zog dicht an den Königskindern vorüber, ohne sie zu erkennen. Eifrig strebten sie dem Festplatz zu, aber das Gedränge war