Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Название Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie
Автор произведения Georg Ebers
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075836854



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Lampen beleuchtete Prozession vor dem im Dunkel verschwindenden Hause des Paraschiten anhielt und ein Bürger dem andern zurief: »Das heilige Widderherz kommt!« schrak der Alte zusammen und richtete sich auf. Seine Augen starrten unverwandt auf das strahlende Heiligthum in seinem kristallenen Gefäße. Langsam, am ganzen Körper bebend und mit weit vorgestrecktem Kopfe, richtete er sich auf.

      Der Herold begann sein Lob des Wunders.

      Da, während noch das Volk in Andacht versunken, regungslos den Worten des laut Rufenden lauschte, stürzte, bevor er geendet, der Paraschit aus der Thür seines Hauses hervor, schlug seine Stirn mit Fäusten und brach dabei gegenüber dem heiligen Herzen in ein wahnsinniges, weithin schallendes, von den nackten Felsen des Thales wiederhabendes Hohngelächter aus.

      Entsetzen ergriff die sich jählings von den Knieen erhebende Menge.

      Auch der dicht hinter dem Herzen wandelnde Ameni erschrak und wandte sich um nach dem furchtbaren Lacher.

      Er hatte den Paraschiten niemals gesehen, aber er gewahrte das durch Staub und Dunkel trübe schimmernde kleine Feuer in seinem Hofe, er wußte, daß der Leicheneröffner an dieser Stelle wohne, und schnell gefaßt flüsterte er einem der Offiziere, welche mit ihren Leuten zu beiden Seiten des Zuges marschirten, einige nur diesem verständliche Worte zu, dann gab er ein Zeichen und die Prozession bewegte sich weiter, als wäre nichts geschehen.

      Der Alte versuchte es, immer lauter und unheimlicher lachend, auf das Herz loszustürzen, aber die Menge stieß ihn zurück. Während die letzten Gruppen des Festzuges an ihm vorüber wallten, schleppte er sich, schwer gemißhandelt, bis an das Thor seiner Hütte. Dort brach er zusammen und Uarda stürzte sich über den Greis, der im Staub und Dunkel kaum erkennbar am Boden lag.

      »Zertretet den Spötter!«

      »Reißt ihn in Stücke!«

      »Verbrennt das unreine Nest!«

      »Werft ihn und die Dirne in's Feuer!« brüllte das in seiner Andacht gestörte Volk mit wildem Ingrimm.

      Zwei alte Weiber rissen die Laternen von den Stöcken und schlugen auf den Unglücklichen los, während ein äthiopischer Soldat Uarda in die Haare faßte und sie von ihrem Großvater fortriß.

      In diesem Augenblick erschien die Frau des Paraschiten und mit ihr Pentaur.

      Die Greisin hatte Nebsecht nicht gefunden, wohl aber den Dichter, welcher nach seiner Rede in das Setihaus zurückgekehrt war. Ihm erzählte sie von den Dämonen, 196 die ihren Mann überfallen hatten, und flehte ihn an, mit ihr zu kommen. Pentaur folgte ihr ungesäumt im Arbeitskleide, wie er ging und stand, ohne das weiße, ihm bei diesem Gange unerwünschte Priestergewand anzulegen.

      In der Nähe der Paraschitenhütte angelangt, vernahm er das Gebrüll des Volkes und, dieses übertönend, Uarda's helles Angstgeschrei.

      Er eilte vorwärts, er sah, von dem spärlichen Herdfeuer und dem bunten Laternenlichte trüb erleuchtet, die Hand des schwarzen Soldaten im Haare des hülflosen Kindes und schnell wie der Gedanke hatte er den Hals des Kriegers mit seinen eisernen Händen umklammert. Dann faßte er ihn um den Leib, schwang ihn aufwärts und warf ihn wie einen Felsstein in den Hof des Paraschiten.

      Wuthentbrannt stürzte die Menge auf ihn ein; ihn aber hatte eine ihm bis dahin fremde Kampflust erfaßt. Mit einem Ruck riß er den Pfahl von schwerem äthiopischen Holze, welcher das Zeltdach stützte, das der sorgsame Großvater für seine kranke Enkelin aufgerichtet hatte, aus der Erde, schwang ihn wie einen Rohrstab in raschen Kreisen über seinem Haupte hin, jagte die Menge zurück und rief Uarda zu, sich an ihm zu halten.

      »Der ist ein Kind des Todes,« schrie er, »der das Mädchen berührt. Schande über euch, die ihr schwache Greise und hülflose Kinder überfallt am heiligen Feste!«

      Einen Augenblick schwieg die Menge; aber gleich darauf drängte sie von Neuem vor und wilder erklang das Geheul. »Zerreißt die Unreinen! Die Flamme in das Haus!«

      Einige Handwerker aus Theben drangen auf den durch nichts als Priester erkennbaren Dichter ein; dieser aber brauchte seinen Pfahl, der sie fällte, ehe ihre Fäuste und Stöcke ihn zu berühren vermochten. Wohin das schwere Holz traf, fiel ein Mann. Aber lange konnte der Kampf nicht dauern, denn einige Bursche übersprangen den Zaun, um ihm in den Rücken zu fallen. Pentaur ward nun von tageshellem Licht umflossen, denn Feuerbrände waren auf die trockenen Palmenzweige des Hüttendaches hinter ihm geschleudert worden und knisternde Flammen lohten auf zum nächtlichen Himmel.

      Der Dichter hörte in seinem Rücken die Rasenden, breitete seine Linke über das Haupt des sich bebend an ihn schmiegenden Mädchens und schwang in dem Gefühle, daß sie Beide verloren seien, daß er aber die Unschuld und das Leben dieses lieblichen Geschöpfes bis zum letzten Athemzuge vertheidigen müsse, seinen Pfahl.

      Zum letzten Mal, denn es gelang zwei Männern, das furchtbare Holz zu ergreifen, Andere standen ihnen bei und entwanden dem Kämpfer seine Waffe, während sich von der Seite her wüthende, aber unbewaffnete und die unbändige Kraft ihres Gegners fürchtende Feinde zaghaft näherten.

      Mit fliegendem Athem und bebend wie eine geängstigte Antilope hielt sich Uarda an ihrem Beschützer fest.

      Dumpf stöhnte Pentaur auf, als er sich entwaffnet fühlte. Da sprang, als habe er sich aus dem Boden erhoben, ein Jüngling ihm an die Seite, reichte ihm das Schwert des gefallenen Soldaten, welches zu seinen Füßen gelegen hatte, und lehnte seinen Rücken an den des Dichters. Im selben Augenblicke richtete Pentaur sich auf, stieß einen Schlachtruf aus wie ein Held auf der letzten freien Schanze seiner bestürmten Festung und schwang seine neue Waffe.

      Mit flammenden Augen wie ein Löwe, der die Meute von dem Wilde verjagen will, das er fällte, stand er da und einen Augenblick wichen seine Gegner zurück, denn auch sein Bundesgenosse, der junge Rameri, hatte drohend sein Beil erhoben.

      »Die feigen Mörder werfen mit Bränden,« rief der Prinz. »Zu mir, Mädchen! Ich lösche das brennende Pech auf Deinem Kleide.«

      Mit diesen Worten faßte er Uarda's Hand, zog sie an sich und erdrückte die Flamme an ihrem Kleidchen, während Pentaur ihn mit seinem Schwerte beschützte.

      Wenige Augenblicke hatten der Prinz und der Dichter Rücken an Rücken gestanden, als ein Steinwurf das Haupt des Letzteren streifte. Pentaur taumelte, und schon drang die Menge brüllend heran, als der Zaun des kleinen Hofes von kräftigen Händen zusammengerissen einstürzte, eine hohe Frauengestalt auf den Schauplatz des Kampfes trat und dem erstaunten Volke zurief: »Laßt Diese! Ich befehl' es! Ich bin Bent-Anat, die Tochter des Ramses!«

      Erstaunt wich die wüthende Menge zurück.

      Die Betäubung war von dem Dichter gewichen und er glaubte doch von einem Irrwahne befangen zu sein. Er sah und hörte und meinte einen himmlischen Traum zu träumen. Es war ihm, als sollte er sich niederwerfen vor der Tochter des Ramses, aber sein in Ameni's Schule an rasches Denken gewöhnter Geist ließ ihn blitzschnell Bent-Anat's Lage übersehen und statt das Knie zu beugen, rief er: »Wer diese Frau auch sein mag, ihr Leute, und ob sie ihr auch gleiche, sie ist nicht Bent-Anat, die Tochter des Ramses; ich aber bin, obgleich ich das weiße Gewand nicht trage, ein Priester vom Setihause, Pentaur genannt, und der Cherheb 197 vom heutigen Feste. Verlaß diese Stätte, Frau! Ich befehl' es im Namen meines heiligen Amtes!«

      Und Bent-Anat gehorchte. –

      Pentaur war gerettet, denn als das Volk sich von seinem Erstaunen zu erholen begann, als die von ihm Verletzten und ihre Angehörigen sich von Neuem gegen ihn erhoben, als ein Bursche, dem er die Hand zerschlagen, wüthend schrie: »Er ist ein Fechter, aber kein heiliger Vater, zerreißt den Betrüger!« rief eine Stimme aus dem Volke: »Macht Platz meinem weißen Gewande und laßt von dem Festredner Pentaur, der mein Freund ist. – Viele von euch müssen mich kennen!«

      »Du bist Nebsecht der Arzt, der meinen zerbrochenen Schenkel heilte,« rief ein Matrose.

      »Und mein krankes Auge,« ein Weber.

      »Der schöne Große ist der Redner, ich erkenne ihn wohl,« rief eines der Mädchen, deren Urtheil