Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Название Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie
Автор произведения Georg Ebers
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075836854



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nur das Eine. Es vollzieht sich Großes und es kann geschehen, daß bald eine neue mild glänzende Sonne des Friedens aufgehen wird über unserem vom Kriege gelichteten Volke.

      »Es geschehen Wunder und im Traum erkannt' ich einen lenksamen Frommen auf dem Throne der Stellvertreter des Ra auf Erden. Er hörte auf unsere Stimme, er gab uns, was uns gebührt, er führte unsere in den Krieg gesandten Hörigen auf unsere Aecker zurück, er stürzte die Altäre der Götter des Auslandes und verjagte die unreinen Fremden von diesem heiligen Boden.«

      »Du meinst den Statthalter Ani!« rief der Erste der Horoskopen.

      Eine lebhafte Bewegung bemächtigte sich der Versammlung, Ameni aber fuhr fort:

      »Vielleicht war er ihm nicht ungleich; gewiß aber ist das Eine. Er trug die Züge der echten und rechten Nachkommen des Ra, denen Rui anhing, in dessen Brust das heilige Widderherz eine Zuflucht suchte. Morgen wird dieß Pfand der göttlichen Gnade dem Volke gezeigt und ein Anderes wird ihm verkündet. Höret und lobet die Fügungen des Höchsten! Vor einer Stunde erhielt ich die Nachricht, daß unter den Heerden des Ani zu Hermonthis ein neuer Apis mit allen heiligen Zeichen entdeckt worden sei.«

      Wiederum erfaßte Unruhe die lauschende Schaar.

      Ameni ließ den Aeußerungen der Ueberraschung unter den Priestern freie Bahn, endlich aber rief er:

      »Und nun zur Erledigung der letzten Frage! Dem hier anwesenden Priester Pentaur war das Amt des Festredners übertragen worden. Er hat sich schwer vergangen, doch denke ich, daß wir ihn erst nach der Feier verhören und, seines reinen Strebens gedenkend, ihm die ehrende Pflicht nicht entziehen. Ihr theilt meinen Wunsch? Es erhebt sich kein Einspruch? So tritt denn vor, Du Jüngster von Allen, dem diese heilige Gemeinschaft so Großes vertraut!«

      Pentaur erhob sich und stellte sich ernst Ameni gegenüber, um, dazu aufgefordert, ein Bild dessen, was er vor dem Volk und den Großen zu reden gedenke, in klaren und kräftigen Zügen zu entwerfen.

      Die Versammlung und selbst seine Gegner hörten ihm beifällig zu. Auch Ameni schenkte ihm lobende Worte und sagte sodann; »Ich vermisse nur Eines, wobei Du länger verweilen und das Du mit besonderer Wärme hervorheben wirst; das Wunder, meine ich, welches uns heute die Seele erregte. Es kommt darauf an, zu zeigen, daß die Götter das heilige Herz –«

      »Gestatte mir,« unterbrach Pentaur den Oberpriester und schaute ihm ernst in die mächtigen, vor Kurzem noch von ihm selbst besungenen Augen. »Gestatte mir, Dich zu bitten, mich nicht zum Verkünder des neuen Wunders zu erwählen.«

      Erstaunen malte sich in den Zügen der versammelten Eingeweihten. Mancher blickte seinen Nachbarn, den Dichter und endlich auch Ameni fragend an. Der Letztere kannte Pentaur und wußte, daß keine launenhafte Regung, sondern ernste Beweggründe seine Weigerung bewirkt haben mußten. Zaudernd, fast widerwillig hatte seine helle Stimme geklungen, als er die Worte »das neue Wunder« aussprach.

      Er zweifelte an der Echtheit des göttlichen Zeichens!

      Langsam und prüfend maß der Prophet Pentaur mit den Augen und sagte sodann: »Du hast Recht, mein Freund. Ehe Dir das Urtheil gesprochen ist, ehe Du wieder in der alten Lauterkeit dastehst, die wir an Dir schätzen, ist Dein Mund nicht würdig, das göttliche Wunder dem Volke zu künden. Greife tief in die eigene Seele und zeige den Frommen die Schrecken der Sünde und die von Dir anjetzt zu betretenden Pfade der Läuterung des Herzens. Ich selber werde das Wunder verkünden!«

      Die Weißgekleideten begrüßten freudig diesen Entschluß ihres Meisters; Ameni schärfte noch dem Einen Dieß, dem Andern Jenes, Allen aber unverbrüchliches Stillschweigen selbst über den Traum ein, welchen er ihnen mitgetheilt hatte, und löste die Versammlung auf. Nur den alten Gagabu und Pentaur bat er zu bleiben.

      Sobald sie allein waren, fragte Ameni den Dichter:

      »Warum weigertest Du Dich, dem Volke das seltene Wunder zu künden, das alle Priester der Nekropole mit Freuden erfüllt?«

      »Weil Du mich gelehrt hast,« antwortete der Dichter, »die Wahrheit sei die höchste Stufe und eine höhere gäbe es nicht.«

      »Das lehre ich Dich zum andern Male in dieser Stunde,« sagte Ameni. »Und weil Du Dich zu dieser Lehre bekennst, so frag' ich Dich im Namen der lichten Tochter des Ra: zweifelst Du an der Echtheit des Wunders, das greifbar deutlich vor unseren Augen geschah?«

      »Ich zweifle,« erwiederte Pentaur.

      »Verharre auf der hohen Stufe der Wahrheit,« fuhr Ameni fort, »und sage uns weiter, damit wir's erfahren, welche Bedenken Dir den Glauben trüben.«

      »Ich weiß,« gab der Dichter finster blickend zurück, »daß das Herz, dem die Menge mit göttlicher Verehrung nahen soll und vor dem selbst die Geweihten sich neigen, als wäre es das Gefäß der Seele des Ra, der blutenden Brust eines gemeinen Heerdenthieres geraubt und eingeschwärzt worden ist in die Kanopen, welche die Eingeweide des Rui enthielten.«

      Ameni trat einen Schritt zurück und Gagabu rief: »Wer hat das gesagt? Wer kann das beweisen? Alt wird man, um immer Ungeheuerlicheres mit den Ohren zu hören!«

      »Ich weiß es,« sagte Pentaur entschieden, »doch muß ich den Namen Dessen verschweigen, von dem ich es erfuhr.«

      »So glauben wir, daß Du irrst, und daß ein Betrüger Dich narrte,« rief Ameni. »Wir werden ergründen, wer Solches erfand, und werden ihn strafen! Die Stimme der Gottheit zu höhnen ist Sünde, und fern von der Wahrheit ist Jeder, der willig den Lügen sein Ohr leiht. Heilig und dreimal heilig, verblendeter Thor, ist das Herz, das ich morgen mit diesen Händen dem Volke zu zeigen gedenke, und vor dem Du selber, wenn nicht mit Güte, so doch mit Zwang Dich niederwerfen sollst, anbetend im Staube! Geh' jetzt und denke der Worte, mit denen Du am morgenden Tage die Seelen des Volkes erheben sollst, und wisse noch Eines: Verschiedene Stufen hat auch die Wahrheit und mannigfaltig ist ihre Gestalt, wie die Formen der Gottheit. Wie die Sonne nicht fortläuft auf ebener Bahn und auf geraden Wegen, wie die Sterne gebogene Pfade wandeln, die wir mit den Windungen der Schlange Mehen 179 vergleichen, so ist es den Auserwählten, die Raum und Zeit überschauen, und denen es anheimfiel, das Schicksal der Menschen zu lenken, gestattet nicht nur, nein geboten, um höheren Zwecken den Sieg zu erringen, auf verschlungenen Wegen zu wandeln, die ihr nicht versteht und von denen ihr wähnt, sie wichen weit ab von den Pfaden der Wahrheit. Ihr seht nur das Heute, wir sehen das Morgen und was wir als Wahrheit euch bieten, das habt ihr zu glauben! Und merke auch das noch: Die Lüge befleckt, doch der Zweifel mordet die Seele!«

      In großer Erregung hatte Ameni gesprochen. Als Pentaur sich entfernt hatte und er mit Gagabu allein war, rief er aus:

      »Was sind das für Dinge? Wer verdirbt uns den reinen, kindlichen Sinn dieses hochbegnadigten Jünglings?«

      »Er verdirbt sich wohl selber,« sagte Gagabu. »Er schiebt das alte Gesetz zur Seite, weil er fühlt, daß ein neues in seinem schöpferischen Geist erwächst.«

      »Aber die Gesetze,« rief Ameni, »werden und wachsen wie schattende Wälder; nie macht sie Einer! Ich liebte den Dichter, doch muß ich ihn binden, sonst wächst er heran wie der zu hoch geschwollene Nil, der die Dämme zerreißt. Und was er da sagt von dem Wunder . . .«

      »Hast Du es veranlaßt?« fragte Gagabu.

      »Bei dem Einen, nein!« rief Ameni.

      »Doch Pentaur ist wahr und zu glauben geneigt,« entgegnete der Alte bedenklich.

      »Ich weiß es,« gab Ameni zurück. »Geschehen ist, was er sagte. Doch wer that es und wer weihte ihn ein in die Schandthat?«

      Beide Priester blickten sinnend zu Boden.

      Ameni unterbrach zuerst das Schweigen und rief: »Mit Nebsecht trat Pentaur hier ein und Beide sind innig befreundet. Wo war der Arzt, während ich in Theben verweilte?«

      »Er pflegte das von Bent-Anat verwundete Kind des Parasiten Pinem und blieb drei Tage lang bei ihm,« entgegnete Gagabu.

      »Und Pinem war es,« rief der Oberpriester, »der die Brust des Rui geöffnet. Nun weiß ich, wer Pentaur den