Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Название Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie
Автор произведения Georg Ebers
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075836854



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Häfen am Schilfmeere überwachen und die Schreiber bewahren. Wenn Du König bist, so wirst Du aus ihnen erkennen, wer Dir wohl oder übel gesinnt war.«

      Ani schüttelte verneinend den Kopf und gab zurück:

      »Das würde mich in eine schwierige Lage bringen, denn wollt' ich Diejenigen, die jetzt an ihrem Könige hängen, bestrafen und die Anderen erheben, so würd' ich mit treulosen Dienern zu regieren und die treuen zu verstoßen haben. Du brauchst nicht zu erröthen, Freundin, denn wir sind eines Blutes und meine Sache ist Deine Sache.«

      Katuti ergriff die ihr dargereichte Hand und sagte:

      »Das ist sie. Auch verlang' ich keinen andern Lohn, als das Haus meiner Väter neu aufgerichtet zu sehen.«

      »Vielleicht wird es gelingen,« erwiederte Ani, »aber auf wie kurze Zeit, wenn nicht, – wenn nicht . . . . Denke nach, Katuti, forsche, nimm die Hülfe Deiner Tochter in Anspruch. Wer ist es, den sie – Du weißt, wen ich meine, – wen liebt Bent-Anat?«

      Die Wittwe erschrak, denn mit einer seiner höfischen Art fremden Heftigkeit hatte Ani die letzten Worte ausgerufen; bald aber lächelte sie wieder und zählte dem Statthalter die Namen der wenigen jungen Edlen vor, die dem Könige nicht in den Krieg gefolgt und in Theben verblieben waren. »Könnt' es ihr Bruder Chamus sein?« fragte sie endlich. »Der ist zwar im Lager, indessen . . .«

      In diesem Augenblicke trat Nemu, dem kein Wort des mitgeteilten Gespräches entgangen war, als käm' er aus dem Garten, in die offene Halle und rief:

      »Verzeiht mir, meine Gebieter; aber seltsame Dinge hab' ich vernommen.«

      »Rede!« winkte Katuti.

      »Die edle Prinzessin Bent-Anat, die göttliche Tochter des Ramses, soll in einem offenen Liebesverhältniß mit einem jungen Priester des Setihauses leben.«

      »Unverschämter!« rief Ani und seine Augen funkelten zornig. »Erweise was Du sagst, oder es ist um Deine Zunge geschehen!«

      »Als einem Verleumder und Staatsverräther laß sie mir ausschneiden nach dem Gesetze,« sagte der Kleine unterwürfig und doch schelmisch lächelnd; »aber dießmal darf ich sie wohl behalten, denn was ich sage, das kann ich verbürgen. Ihr wißt, daß Bent-Anat für unrein erklärt ward, weil sie im Hause eines Paraschiten eine Stunde und länger verweilte. Dort hatte sie ein Stelldichein mit dem Priester. Bei einem zweiten, im Hathor-Tempel der Hatasu, überraschte sie Septah, der erste Horoskop des Setihauses.«

      »Wer ist der Priester?« fragte Ani mit scheinbarer Ruhe.

      »Ein niedrig geborener Mann,« gab Nemu zurück, »dem sie Freischule im Setihause gegeben, und der nun als Deuter der Träume und Versemacher berühmt ist. Pentaur heißt er, und schön und stattlich darf man ihn nennen. Er gleicht Zug für Zug dem verstorbenen Vater des Wegeführers Paaker, – hast Du ihn gesehen, mein Fürst?«

      Der Statthalter schaute düster zu Boden und machte eine bejahende Bewegung; Katuti aber rief:

      »Ich Thörin! der Zwerg hat Recht! Ich sah, wie sie erglühte, als ihr Bruder erklärte, die Buben wollten um seinetwillen sich gegen Ameni empören. Sie denkt an Pentaur und keinen Andern!«

      »Es ist gut,« sagte Ani, »wir werden sehen!« Mit diesen Worten verabschiedete er sich von der Wittwe, die, als er im Garten verschwand, vor sich hin murmelte:

      »Er war heute von seltener Entschiedenheit und Klarheit; aber die Eifersucht fängt schon an ihn zu blenden und wird ihn bald fühlen lassen, daß er meiner scharfen Augen nicht zu entbehren vermag.«

      Nemu war dem Statthalter nachgeschlichen.

      Hinter dem Feigengebüsch rief er ihn an und flüsterte schnell, indem er sich ehrerbietig verneigte:

      »Meine Mutter weiß sehr Vieles, hoher Herr! Der heilige Ibis 171 watet ja auch durch den Sumpf, wenn er auf Beute ausgeht, warum solltest Du nicht einmal Gold aus dem Staube auflesen? Ich wüßte, wie Du die Alte unbemerkt sprechen könntest.«

      »Rede,« murmelte Ani.

      »Wirf sie auf einen Tag in's Gefängniß, verhöre sie und laß sie dann laufen – beschenkt, wenn sie Dir diente; im andern Falle mit Schlägen. Aber etwas unsagbar Wichtiges wirst Du erfahren, das sie selbst mir hartnäckig verschweigt.«

      »Wir werden sehen,« entgegnete der Statthalter, warf dem Kleinen einige Goldringe zu und bestieg seinen Wagen.

      In der Nähe des Palastes hatte sich ein so dichter Menschenknäuel gesammelt, daß der Statthalter Schlimmes besorgte und seinem Rosselenker den Lauf der Pferde zu hemmen und einigen Polizeisoldaten seine Vorläufer zu unterstützen befahl; aber frohe Kunde schien seiner zu warten, denn bei dem Thore des Schlosses hörte er das nicht zu verkennende Jubelgeschrei der Menge und im Palasthofe fand er eine Gesandtschaft des Setihauses, die ihm und dem Volke in Ameni's Auftrag verkündete, ein großes Wunder habe sich ereignet, denn das Herz des von wilden Thieren zerrissenen Widders des Amon sei in der Brust des frommen verstorbenen Propheten Rui wiedergefunden worden.

      Ani entstieg sogleich seinem Wagen, kniete vor allem Volke, das seinem Beispiele folgte, nieder, erhob betend die Arme und dankte den Göttern mit lauter Stimme.

      Als er sich nach vielen Minuten wieder erhoben und den Palast betreten hatte, erschienen Sklaven, welche im Auftrage des Ani Brod unter die Menge verteilten.

      »Der Statthalter hat eine offene Hand,« sagte ein Schreiner aus Theben zu seiner Nachbarin. »Sieh' nur, wie weiß das Gebäck ist. Ich stecke es ein und bring' es den Kindern.«

      »Gib' mir ein Stückchen,« rief ein nackter Knabe, riß dem Schreiner sein Brödchen aus der Hand und entfloh, indem er sich behend zwischen den Beinen der Leute hindurchschlängelte.

      »Krotodilsbrut!« schrie der Beraubte. »Die Zügellosigkeit der Buben wächst alle Tage.«

      »Sie sind hungrig,« sagte die Frau entschuldigend. »Die Väter sind im Kriege und die Mütter haben für die Kinder nichts als Papyrusmark und Lotoskörner.« 172

      »Mag's ihm schmecken,« lachte der Schreiner. »Drängen wir uns nach links! Da kommt ein Diener mit neuen Broden.«

      »Der Statthalter muß große Freude haben an dem Wunder,« sagte ein Schuster. »Er läßt sich's was kosten.«

      »Es hat sich auch lange nichts Gleiches zugetragen,« fiel ein Korbflechter ein, »und es freut wohl Ani besonders, daß gerade Rui mit dem heiligen Herzen begnadigt ward. Ihr fragt warum? Dummköpfe, die ihr seid. Hatasu ist Ani's Ahnfrau.«

      »Und Rui war Prophet im Hatasutempel,« sagte der Schreiner.

      »Die Priester drüben hängen dem alten Königshause an, ich weiß es,« versicherte der Bäcker.

      »Als wenn das ein Geheimniß wäre!« rief der Schuster. »Die alten Zeiten waren auch besser als diese. Alles verschlingt der Krieg und ganz reputirliche Leute laufen jetzt barfuß, weil sie das Leder nicht zahlen können. Mit der Beute sieht's auch windig aus seit dem letzten Jahre. Ramses ist ein großer Kriegsheld und ein Sohn des Ra, aber was vermag er ohne die Götter, denen es ja nicht mehr in Theben zu gefallen scheint; warum suchte sich sonst das heilige Widderherz eine neue Wohnung in der Nekropole und in der Brust eines Anhängers der alten . . .«

      »Hüte die Zunge,« warnte der Korbflechter, »da kommt die Sicherheitswache.«

      »Ich muß auch an die Arbeit,« sagte der Bäcker, »denn ich habe zum Feste morgen alle Hände voll zu thun.«

      »Ich auch,« seufzte der Schuster, »denn wer möchte dem Könige der Götter barfuß in die Nekropole folgen?«

      »Ihr müßt schönes Geld verdienen,« rief der Korbflechter.

      »Es würde ja angehen,« entgegnete der Schuster, »wenn man bessere Hülfe hätte; aber die Gesellen sind alle im Kriege. Mit lumpigen Jungen muß man sich behelfen. Und dann die Frauen! Meine hat sich für die Prozession ein neues Gewand und für die Kinder, selbst für die kleinen, Halsbänder gekauft. Man ehrt ja gern