Название | RHI Zukunftsnavigator 2021: In Deutschland neu denken |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783867746724 |
8 Siehe hierzu auch: Katharina Nocun/Pia Lamberty: Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen. Köln 2020, S. 38.
9 Katharina Nocun/Pia Lamberty: Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen. Köln 2020, S. 151.
10 People of Color.
11 Siehe dazu auch: Katharina Nocun/Pia Lamberty: Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen. Köln 2020, S. 239–297 und S. 303. Kirsten Dietrich: »Gefährlicher Verschwörungsglaube – Sinnsuche zwischen Gut und Böse«, https://www.deutschlandfunkkultur.de/gefaehrlicher-verschwoerungsglaube-sinnsuche-zwischen-gut.1278.de.html?dram:article_id=478069, abgerufen am 3.9.2020.
12 Christian Röther: »Warum Verschwörungsideologien die Demokratie gefährden«, https://www.deutschlandfunk.de/proteste-gegen-corona-massnahmen-warum.724.de.html?dram:article_id=482935, abgerufen am: 3.9.2020.
13 Zitat aus: Umfrage bei Lehrern: Schulen digital kaum gewappnet, https://www.tagesschau.de/inland/corona-lehrer-101.html, abgerufen am: 3.9.2020.
14 Vgl. dazu: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/153257/umfrage/haushalte-mit-internetzugang-in-deutschland-seit-2002/#:~:text=Im%20Jahr%202019%20waren%20rund,von%2016%2D74%20Jahren%20aufweisen, abgerufen am: 3.9.2020.
Katharina Schüller
Jenseits der Daten
oder wie Data Literacy die Selbstbestimmung stärkt
Daten in der Krise
Die enorme Bedeutung von Daten und Statistik zur Unterstützung schwieriger politischer Entscheidungen zeigte sich selten so deutlich wie in der Corona-Krise. Dringend benötigen wir Handlungs- und Steuerungswissen, das sich aus einem stetigen Fluss qualitativ hochwertiger und vertrauenswürdiger Daten und Statistiken speist. Daten seien das zentrale Mittel zur Entscheidungsfindung unter Unsicherheit, erklärte die United Nations Statistics Division schon im Jahr 2017 im »Cape Town Global Action Plan for Sustainable Development«: »Qualitativ hochwertige und aktuelle Daten sind von entscheidender Bedeutung, um Regierungen, internationale Organisationen, die Zivilgesellschaft, den Privatsektor und die breite Öffentlichkeit in die Lage zu versetzen, fundierte Entscheidungen zu treffen und die Rechenschaftspflicht der Vertretungsorgane zu gewährleisten.« 1
Doch obgleich Daten im Zeitalter der Digitalisierung sprudeln wie das viel beschworene »Öl des 21. Jahrhunderts«, ist noch lange nicht garantiert, dass sie auch nutzbar sind. Oftmals laufen wir Gefahr, in einem Ozean von nutzlosen Daten und deren Derivaten zu ertrinken: Daten, die aus nicht repräsentativen Erhebungen stammen; Kennzahlen und Visualisierungen, die eine scheinbare Sicherheit suggerieren, statt zum vernünftigen Umgang mit Unsicherheit zu motivieren; Analysen, die wahlweise dramatisieren oder verharmlosen, aber selten zwischen Fakten und Interpretationen differenzieren.
Gute Daten und die Kompetenz, mit ihrer Hilfe kluge Entscheidungen zu treffen, sind in einer globalisierten und digitalisierten Gesellschaft mit ihren hochkomplexen Herausforderungen unverzichtbar für nachhaltige Entwicklung und soziale Teilhabe. Um Daten in Steuerungswissen zu transformieren, müssen sie bereinigt, verknüpft, analysiert, kontextualisiert und interpretiert werden. Die dazu nötige Kompetenz ist das, was wir unter Data Literacy verstehen.
Veränderung der Bedeutung von Data Literacy
Das Arbeitspapier 37 des Hochschulforums Digitalisierung nennt Data Literacy eine »zentrale Kompetenz für die Digitalisierung und die globale Wissensgesellschaft in allen Sektoren und Disziplinen«.2 Dass ausgerechnet die Corona-Krise den Wert von Data Literacy so deutlich machen würde und so viele Menschen dafür begeistern würde, sich selbst an der Analyse von Daten zu versuchen, hätte sich wohl niemand träumen lassen. Auch wenn der Anlass ein unerfreulicher ist, so liegt hierin eine große Chance.
Gerade zu Beginn der Krise standen Datenexpert*innen vor einer großen Herausforderung. Von ihnen wurde erwartet, Zahlen zu analysieren und Prognosen daraus zu erstellen, aber die Corona-Fallzahlen waren dafür nicht geeignet, weil sie zu wenige Informationen enthielten, etwa über die mögliche Dunkelziffer. Der Knackpunkt war und ist, dass die Fallzahlen erheblich davon abhängen, wie getestet wird. Dies geschieht nach wie vor nicht einheitlich auf Grundlage einer repräsentativen Auswahl von Testpersonen, sondern nach regional wie international verschiedenen Strategien, die sich im Zeitverlauf auch noch verändert haben. Das hatte mit der Verfügbarkeit von Tests zu tun, war aber auch eine Kostenfrage. Die registrierten Fallzahlen erlauben somit keine belastbaren und zeitlich beziehungsweise räumlich vergleichbaren Aussagen über die Gesamtsituation.
Ein möglicher Weg der Stellungnahme als Experte wäre die ehrliche und transparente Kommunikation des Mangels an gesichertem Wissen. Aber das birgt die Gefahr, dass zahlreiche Rezipienten die Botschaft empfangen, dass die Modellrechnungen falsch sind (weil die Wahrscheinlichkeit, dass es genauso abläuft wie im Modell, praktisch null beträgt), und daraus ableiten, dass die empfohlenen Maßnahmen wie beispielsweise Ausgangsbeschränkungen dann auch falsch sein müssen (obwohl sie wahrscheinlich notwendig und richtig waren und sind).
Das ist ein großes ethisches Dilemma. Ist es besser, bei der Wahrheit zu bleiben und zu hoffen, dass Experten trotzdem geglaubt wird bei der Interpretation von Unsicherheit? Oder sollte man mehr Sicherheit suggerieren, um das Richtige zu erreichen, auch wenn man im strengen Sinne nicht »beweisen« kann, dass es richtig ist?
In einer Krisenphase wie der jetzigen, in der mit unvollständigen Daten Szenariorechnungen erstellt werden, ist Data Literacy eine Schlüsselkompetenz. Mit der zunehmenden Bedeutung von Datenkompetenzen in nahezu allen Disziplinen wächst und vereinheitlicht sich an deutschen Hochschulen die Auffassung davon, was unter Data Literacy zu verstehen ist. Bei der Beförderung eines solchen gemeinsamen Verständnisses setzt der Stifterverband seit knapp zwei Jahren nicht nur in Deutschland Maßstäbe durch viel beachtete Publikationen zur fächerübergreifenden Etablierung von Data Literacy Education. Im Zentrum steht der Data-Literacy-Kompetenzrahmen des Hochschulforums Digitalisierung, der in seiner aktuellen englischsprachigen Fassung den Forschungsstand für die internationale Lehre zugänglich macht.
Wenn Daten als Ausgangsbasis für Wissens- beziehungsweise Wertschöpfung und somit als Grundlage für bessere Entscheidungen verstanden werden, dann ist Data Literacy »das Cluster aller effizienten Verhaltensweisen und Einstellungen für die effektive Durchführung sämtlicher Prozessschritte zur Wertschöpfung beziehungsweise Entscheidungsfindung aus Daten.« 3 Dieser Prozess der Wissensschöpfung umfasst mehrere Schritte: (A) Datenkultur etablieren – (B) Daten bereitstellen – (C) Daten auswerten – (D) Ergebnisse interpretieren – (E) Daten interpretieren – (F) Handeln ableiten. Data Literacy ist weit mehr ein breites und tiefes Detailwissen über sich laufend verändernde Methoden und Technologien. Datenethik, Motivation und Werthaltung spielen eine zentrale Rolle, um zukünftig mit Daten erfolgreich und souverän umgehen zu können.
In der Corona-Krise zeigte sich deutlich das Risiko einer (zu) starken Fokussierung auf technische Aspekte der Datenanalyse. Mit teilweise äußerst komplexen Algorithmen wurden Fallzahlen aus den Monaten